Die DMV würdigt den heutigen 150. Geburtstag von David Hilbert mit einem kurzen Artikel und dem Kommentar:
Unter seiner Ägide wurde Göttingen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Weltzentrum der Mathematik, seine Probleme haben der Forschung für ein halbes Jahrhundert die Richtung vorgegeben. Am 23. Januar wäre Hilberts 150. Geburtstag gewesen – und dass wir daran erinnern müssen, ist eigentlich ein Skandal. Aber vielleicht war Hilbert zu Lebzeiten zu nett, zu normal und zu umgänglich, um im Bewusstsein der Öffentlichkeit präsent zu bleiben? Im Fach ist seine Bedeutung jedenfalls unumstritten und sein Einfluss dauert an.
(In der ZEIT war aber letzte Woche schon ein populärwissenschaftlicher Artikel von Günter Ziegler und Andreas Loos.)
Daß Hilbert in der Öffentlichkeit relativ wenig bekannt ist (und wenn, dann eher als Organisator, der Göttingen vor 1933 zum Weltzentrum der Mathematik machte, als durch seine mathematischen Sätze) hat vielleicht auch mit damit zu tun, daß sein Name vor allem für Abstraktion in der Mathematik steht. (Aus dem ZEIT-Artikel: Nicht am Rechnen war ihm gelegen, sondern an den dahintersteckenden abstrakten Strukturen.)
Ein prägnantes Beispiel ist die damalige Kontroverse über Hilberts Arbeit zur Invariantentheorie. Da ging es um Darstellungen von G:=SL(2,C) auf einem Vektorraum V und um die Bestimmung der G-invarianten Polynome auf V. (D.h. die Suche nach endlich vielen Erzeugern für den Unterring der G-invarianten Polynome.) Für bestimmte Darstellungen hatte Gordan 1868 ein rechnerisches Verfahren zur Bestimmung der Erzeuger gefunden. Hilbert gab 1890 einen allgemeinen Beweis, daß dieser Unterring immer endlich erzeugt ist. Der Beweis war freilich nicht konstruktiv, weshalb die Mathematischen Annalen die Arbeit mit der Begründung ablehnten: “Das ist nicht Mathematik. Das ist Theologie.” (Heute ist Geometrische Invariantentheorie ein großes Teilgebiet der Algebraischen Geometrie.)
Mindestens genauso wichtig für die Algebraische Geometrie ist der Hilbertsche Nullstellensatz, der den (für heutige Mathematiker selbstverständlichen) Zusammenhang zwischen algebraischen Varietäten und Idealen in Polynomringen herstellt. Die Bedeutung dieses grundlegenden Zusammenhangs erschließt sich freilich erst aus der weiteren Entwicklung der Algebraischen Geometrie und läßt sich in der Populärwissenschaft nicht so einfach vermitteln.
Auch sonst steht Hilbert vor allem für die formalisierte, strukturbetonende Mathematik: er komplettierte das Axiomensystem der euklidischen Geometrie, machte sich Gedanken über die Grundlagen des “Formalismus” (den Zugang zur Mathematik über Axiomensysteme und Beweise, von dem man wohl sagen kann, daß er sich heute fast überall durchgesetzt hat), war im Zusammenhang mit Arbeiten über Integralgleichungen an der Entwicklung der Funktionalanalysis beteiligt (Stichwort Hilbertraum) und und und…
Wahrscheinlich nicht zu nett, sondern einfach alles recht abstrakt, auch wenn natürlich alles ursprünglich aus konkreten Fragestellungen entstanden.
Bekannt bei mathematischen Laien ist Hilbert heute wohl vor allem durch das Hilbert-Hotel:
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