Sattelpunkte und Henkelankleben.

Wie wir letzte Woche schon gesagt hatten, ist einer der Zugänge zur Topologie von Flächen S über Morsefunktionen f:S–>R (das sind differenzierbare Funktionen, die als kritische Punkte nur Maxima, Minima und Sattelpunkte haben; solche Funktionen gibt es auf jeder Fläche):
man sieht sich die Sublevelmengen {x in S: f(x) ≤ c} an und schaut, wie sich deren Topologie mit wachsendem c ändert.

Letzte Woche hatten wir gesehen, daß sich die Topologie nicht ändert, solange c keinen Wert eines kritischen Punktes von f durchläuft. (Heißt: Wenn f:S–>R keine kritischen Werte im Intervall [c1,c2] hat, dann sind die Sublevelmengen {x in S: f(x) ≤ c1} und {x in S: f(x) ≤ c2} diffeomorph.)

Die nächste und topologisch interessantere Frage ist dann natürlich, wie sich die Topologie ändert, wenn man den Wert eines kritischen Punktes überschreitet.

Vor 2 Wochen hatten wir gesehen, dass es für einen kritischen Punkt einer Morse-Funktion auf einer Fläche 3 Möglichkeiten gibt:

Entweder handelt es sich um ein lokales Minimum oder um einen Sattelpunkt oder um ein lokales Maximum. (Nach einem passenden Koordinatenwechsel läßt sich die Funktion in einer Umgebung schreiben als f(x,y)=x2+y2+c oder f(x,y)=x2-y2+c oder f(x,y)=-x2-y2+c. Je nachdem welcher der 3 Fälle vorliegt sagt man, der kritische Punkt hat Index 0, 1 oder 2.)

Die Behauptung ist nun, daß nach Überschreiten eines kritischen Punktes vom Index i die
neue Sublevelmenge aus der alten gerade durch Ankleben eines i-Henkels entsteht.
Zunächst sollten wir wohl noch mal aus TvF 208 erinnern, was Ankleben eines i-Henkels bedeutet:

Die Behauptung ist also:
Sei S eine Fläche und f:S–>R eine Morsefunktion. Wenn es einen kritischen Punkt vom Index i gibt (i = 0 , 1 oder 2), dessen Funktionswert Im Intervall [a,b] liegt (und wenn dies der einzige kritsche Punkt x mit f(x) in [a,b] ist), dann ensteht {x in S: f(x) ≤ b} aus {x in S: f(x) ≤ a} durch Ankleben eines i-Henkels.

Das ist recht klar für i=0, also wenn der kritische Punkt ein lokales Minimum ist: in diesem Fall ist eine Umgebung des kritischen Punktes einfach eine Kreisscheibe, die zu {x in S: f(x) ≤ b}, aber nicht zu {x in S: f(x) ≤ a} gehört. Andererseits ist das Ankleben eines 0-Henkels ja nichts anderes als das Hinzulegen einer Kreisscheibe.

Auch für i=2, also ein lokales Maximum, ist es recht klar. Auch hier ist die Umgebung des kritischen Punktes eine Kreisscheibe, deren Rand ist die Levelmenge {x in S: f(x) = a} und {x in S: f(x) ≤ b} entsteht aus {x in S: f(x) ≤ a} durch Ankleben dieser Kreisscheibe entlang des Randes. Und andererseits ist ja das Ankleben eines 2-Henkels eben das Ankleben einer Kreisscheibe entlang ihres Randes.

Bleibt i=1, also wenn der kritische Punkt ein Sattelpunkt ist. Auch hier hat man eine Umgebung, die entlang der Levelmenge {x in S: f(x) = a} angeklebt wird. Die Umgebung hat aber nicht nur einen Rand in {x in S: f(x) = a}, sondern auch einen Rand in {x in S: f(x) = b}. Man klebt eine “Hose” entlang eines oder zweier Kreise an die vorherige Fläche {x in S: f(x) ≤ a} an, um {x in S: f(x) ≤ b} zu bekommen. Daß dies topologisch dasselbe ist wie das oben abgebildete Ankleben eines 1-Henkels sieht man am besten mit diesem Bild aus Milnors Buch

[c-ε,c+ε] entspricht unserem [a,b]. Das Bild zeigt eine Deformation (einen Diffeomorphismus von {x in S: f(x) ≤ c+ε} auf die durch Ankleben eines 1-Henkels an {x in S: f(x) ≤ c-ε} entstandene Fläche.


Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6, Teil 7 , Teil 8, Teil 9 , Teil 10 ,Teil 11, Teil 12, Teil 13, Teil 14, Teil 15, Teil 16, Teil 17, Teil 18, Teil 19, Teil 20, Teil 21, Teil 22, Teil 23, Teil 24, Teil 25, Teil 26, Teil 27, Teil 28, Teil 29, Teil 30, Teil 31, Teil 32, Teil 33, Teil 34, Teil 35, Teil 36, Teil 37, Teil 38, Teil 39, Teil 40, Teil 41, Teil 42, Teil 43, Teil 44, Teil 45, Teil 46, Teil 47, Teil 48, Teil 49, Teil 50, Teil 51, Teil 52, Teil 53, Teil 54, Teil 55, Teil 56, Teil 57, Teil 58, Teil 59, Teil 60, Teil 61, Teil 62, Teil 63, Teil 64, Teil 65, Teil 66, Teil 67, Teil 68, Teil 69, Teil 70, Teil 71, Teil 72, Teil 73, Teil 74, Teil 75, Teil 76, Teil 77, Teil 78, Teil 79, Teil 80, Teil 81, Teil 82, Teil 83, Teil 84, Teil 85, Teil 86, Teil 87, Teil 88, Teil 89, Teil 90, Teil 91, Teil 92, Teil 93, Teil 94, Teil 95, Teil 96, Teil 97, Teil 98, Teil 99, Teil 100, Teil 101, Teil 102, Teil 103, Teil 104, Teil 105, Teil 106, Teil 107, Teil 108, Teil 109, Teil 110, Teil 111, Teil 112, Teil 113, Teil 114, Teil 115, Teil 116, Teil 117, Teil 118, Teil 119, Teil 120, Teil 121, Teil 122, Teil 123, Teil 124, Teil 125, Teil 126, Teil 127, Teil 128, Teil 129, Teil 130, Teil 131, Teil 132, Teil 133, Teil 134, Teil 135, Teil 136, Teil 137, Teil 138, Teil 139, Teil 140, Teil 141, Teil 142, Teil 143, Teil 144, Teil 145, Teil 146, Teil 147, Teil 148, Teil 149, Teil 150, Teil 151, Teil 152, Teil 153, Teil 154, Teil 155, Teil 156, Teil 157, Teil 158, Teil 159, Teil 160, Teil 161, Teil 162, Teil 163, Teil 164, Teil 165, Teil 166, Teil 167, Teil 168, Teil 169, Teil 170, Teil 171, Teil 172, Teil 173, Teil 174, Teil 175, Teil 176, Teil 177, Teil 178, Teil 179, Teil 180, Teil 181, Teil 182, Teil 183, Teil 184, Teil 185, Teil 186, Teil 187, Teil 188, Teil 189, Teil 190, Teil 191, Teil 192, Teil 193, Teil 194, Teil 195, Teil 196, Teil 197, Teil 198, Teil 199, Teil 200, Teil 201, Teil 202, Teil 203, Teil 204, Teil 205, Teil 206, Teil 207, Teil 208, Teil 209, Teil 210