“Lob des Fünfecks” heißt eine von Alfred Schreiber im Springer-Verlag herausgegebene Sammlung von 120 (teils aus dem Spanischen, Englischen und einigen anderen Sprachen übersetzten) mathematik-verarbeitenden Gedichten bekannter Autoren. Es hatte im Mathematikjahr 2008 schon einmal eine Book-on-Demand-Ausgabe desselben Autors unter demselben Titel gegeben, die neue Version hat aber einen mehr als doppelt so großen Umfang wie die damalige, und sie hat auch einen Anhang mit Anmerkungen zu zahlreichen Gedichten.
Der Link zur Webseite des Buches ist https://www.springer.com/mathematics/book/978-3-8348-1954-3. Der Verlag hatte mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.
Die Sammlung ist wohl vor allem für denjenigen interessant, der ohnehin mit Mathematik zu tun hat und sozusagen den Wiedererkennungseffekt genießt, wenn ihm Bekanntes auch einmal in anderer Form begegnet. Eine nette Lektüre mal für zwischendurch, die meisten Gedichte sind recht kurz und prägnant, und nicht zuletzt ist das Buch sicher eine gute Quelle, wenn man mal für irgendeinen Anlaß schnell ein paar Zitate bekannter Autoren zur Mathematik benötigt.
Abgedeckt werden quasi alle Themen, die man irgendwie mit Mathematik in Verbindung bringen könnte. Im 1. der 5 Abschnitte geht es oft um Schulerinnerungen, von “Heut’ noch zuckt mein Hirn, mein müdes, Denkt’s, o Schrecken, an Euclides” beim Rokoko-Dichter Bellman bis “Addieren und Multiplizieren übt’ ich mit Melodie; doch Subtrahieren und Teilen lernt singenderweise man nie.” beim spanischen Philosophen Unamuno. (Spanischsprachige Autoren wie Unamuno, Lorca und Borges sind überhaupt zahlreich vertreten.) Manche Autoren wie Unamuno oder Erwin Schrödinger kennt man eigentlich aus anderen Zusammenhängen und einige der Texte sind eher gedichtete Abhandlungen zur Mathematikgeschichte wie von Herbert E. Salzer über Galois, Marion Cohen über Wiles und Fermat, oder bei Francisco Craveiro über Emmy Noether, Max Dehn und seinen Doktorvater Stewart Robertson.
Euklid und die Geometrie haben einen eigenen Abschnitt mit dem Titelgedicht von Erbefels oder mit “M.C.Eschers Kreislimit III” von Michael Johnson und Unamunos “Besser exzentrisch als konzentrisch”.
Christian Morgenstern macht sich Gedanken über die Zwölf-Elf, die sich lieber Dreiundzwanzig nennt, Bert Brecht über den Unterschied zwischen Mathematik und Politik (“In den Zahlen waschen wir das Unreine Aus Geschehen und Körpern”) und in “Die Lorentz-Gruppe betreffend” von Raymond Quenau soll es wohl um die Relativität der Zeit gehen: “Mitunter ging ich aus mitunter ging ich aus und bummelte herum und bummelte herum ich war zu dieser Zeit schon um die vierzig rum um vierzig rum”.
Und manche Gedichte erklären ernsthaft mathematische Probleme, angefangen mit einem anonymen Vierzeiler über π und e: “Ich frag mich, welche grösser ist, kehrt man die Ziffernfolge um” (die Zahl π kommt in der Samlung natürlich häufiger vor, etwa bei der Nobelpreisträgerin Szymborska), über Hubert Cremers Zahlenliebe “Die 2 und ihr Logarithmus, die liebten einander so sehr; ein rationales Verhätnis schien ihnen das höchste Begehr.” bis zu JoAnne Growney, die das Collatzproblem als Strategie eine Ladeninhaberin beschreibt: “Preise von geradem Betrag teilt sie durch zwei, doch ungeradzahlige hebt sie um fünfzig Prozent und zählt einen halben Dollar hinzu, um das Ergebnis zu glätten.” Sie (die Autorin) bleibt dann vor einem Spiegel für 27 Dollar stehen. “Soll ich ihn kaufen oder noch neunundfünfzig Tage warten bis sich sein Preis erniedrigt?”
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