Das Möbiusband – nicht nur das einfachste Beispiel einer nicht-orientierbaren Fläche (letzte Woche), auch das einfachste Beispiel eines “getwisteten” Bündels von Geraden (nächste Woche) und einfach eine Zusammenfassung aller Geraden in der Ebene.

Mit Geraden in der Ebene meinen wir Geraden durch den Nullpunkt, formal also: 1-dimensionale Untervektorräme des R2.

Wenn man diese Geraden zusammenfasst, “benachbarte” (d.h. nahe beieinander liegende) Geraden wieder nahe beeinander liegen läßt, dann bekommt man – das Möbiusband:

Der Twist des Möbiusbandes kommt dadurch zustande, dass man bei einmaligem Durchlaufen wieder zur selben Gerade zurückkommt, allerdings sich jetzt auf der anderen Seite des Nullpunktes befindet. (Wenn man sich in der Ebene auf dem Einheitskreis um den Nullpunkt bewegt, dann ist man schon nach 180o wieder auf derselben Gerade, wenn auch im entgegengesetzten Punkt.)

Der Kern des Möbiusbandes (violett im Bild unten) entspricht gerade den Mittelpunkten der Geraden, d.h. dem Nullpunkt in der Ebene.

Wir haben also sozusagen den Nullpunkt der Ebene “aufgelöst” und durch einen Kreis ersetzt, die Ebene wurde dadurch zum Möbiusband.

Letzteres ist eine Konstruktion, die man in der Algebraischen Geometrie ständig benutzt, um Singularitäten aufzulösen. Ein Beispiel (Quelle), in dem die Singularität einer ebenen Kurve aufgelöst wird:


In Formeln heißt das, dass man einen neuen Parameter t=y/x einführt. Aus

wird

Innerhalb des Möbiusbandes bekommt man also die Parabel x=t2-1. (Hier die Rechnungen zu den Bildern.)

Formal ist die Auflösung einer Singularität ein eigentlicher, birationaler Morphismus von einer nichtsingulären Varietät auf die singuläre Varietät (“birational” heißt, dass die Funktionenkörper der beiden Varietäten isomorph sind), das Urbild der Singularität heißt exzeptioneller Divisor. (Im Fall des Möbiusbandes war der Mittelkreis der exzeptionelle Divisor.) Singularitäten von reellen oder komplexen Varietäten lassen sich immer auflösen (Hironaka) durch wiederholtes Aufblasen von Punkten oder Kurven, also die oben beschriebene Methode und ihre höherdimensionalen Verallgemeinerungen.

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Kommentare (13)

  1. #1 MisterY
    12. Januar 2013

    Hallo, gibt es eigentlich technische Anwendungen von dem Möbiusband? Wäre mal interessant…
    Gruß

  2. #2 rolak
    12. Januar 2013

    technische Anwendungen?

    Klar doch, MisterY, schon seit ewig und drei Tagen. Afaik gibt es sogar wie ein Möbiusband gebaute Proteine.

  3. #3 Thilo
    13. Januar 2013

    Der ORF hatte sogar mal behauptet, dass Möbiusbänder in Audiokassetten verwendet werden, um die Abspielzeit zu erhöhen: https://sciencev1.orf.at/science/news/148743 Keine Ahnung, was die Redakteure da geraucht hatten. (Der Artikel ist auch sonst ziemlich eigenartig.) Das mit dem Einsatz in Riemengetrieben stimmt aber wohl.

  4. […] Teil 244, Teil 245, Teil 246, Teil 247, Teil 248, Teil 249, Teil 250, Teil 251, Teil 252, Teil 253, Teil 254, Teil […]

  5. […] TvF 254 hatten wir beschrieben, dass man sich den Basis-Kreis des Möbiusbandes auch als Menge aller […]

  6. […] Teil 244, Teil 245, Teil 246, Teil 247, Teil 248, Teil 249, Teil 250, Teil 251, Teil 252, Teil 253, Teil 254, Teil 255, Teil 256, Teil 257, Teil 258, Teil […]

  7. […] Teil 244, Teil 245, Teil 246, Teil 247, Teil 248, Teil 249, Teil 250, Teil 251, Teil 252, Teil 253, Teil 254, Teil 255, Teil 256, Teil 257, Teil 258, Teil 259, Teil […]

  8. […] Teil 244, Teil 245, Teil 246, Teil 247, Teil 248, Teil 249, Teil 250, Teil 251, Teil 252, Teil 253, Teil 254, Teil 255, Teil 256, Teil 257, Teil 258, Teil 259, Teil 260, Teil […]

  9. […] Teil 244, Teil 245, Teil 246, Teil 247, Teil 248, Teil 249, Teil 250, Teil 251, Teil 252, Teil 253, Teil 254, Teil 255, Teil 256, Teil 257, Teil 258, Teil 259, Teil 260, Teil 261, Teil […]

  10. […] man benutzt, daß der Kreis ja dasselbe ist wie die Menge der Geraden durch den Nullpunkt des : In TvF 254 hatten wir beschrieben, dass , die Menge der Geraden durch den Nullpunkt, gerade einem Kreis […]

  11. […] Teil 244, Teil 245, Teil 246, Teil 247, Teil 248, Teil 249, Teil 250, Teil 251, Teil 252, Teil 253, Teil 254, Teil 255, Teil 256, Teil 257, Teil 258, Teil 259, Teil 260, Teil 261, Teil 262, Teil 263, Teil […]

  12. #12 Ricci
    7. Juli 2015

    Könntest du diesen Satz bitte etwas genauer erläutern? “Wenn man diese Geraden zusammenfasst, “benachbarte” (d.h. nahe beieinander liegende) Geraden wieder nahe beeinander liegen läßt, dann bekommt man – das Möbiusband.”

    Ich denke darüber nach, aber so richtig kann ich diesen Gedankendank nicht nachvollziehen. Wäre super, wenn du das noch etwas ausführlicher darstellen könntest. Danke

  13. #13 Thilo
    7. Juli 2015

    Vielleicht sollte ich es so sagen: man nimmt alle diese Geraden durch den Nullpunkt, also man nimmt die Vereinigung aller dieser Geraden, aber jede fuer sich. [Eigentlich haben ja alle einen gemeinsamen Punkt, den Nullpunkt der Ebene. Wir nehmen aber jetzt jede Gerade fuer sich. Der ehemals gemeinsame Nullpunkt kommt jetzt in jeder Gerade als unterschiedlicher Punkt vor.]

    Und dann vereinigen zir die Geraden so, dass Geraden die urspruenglich nahe beieinander lagen, jetzt auch wieder nahe beeinanderliegen. [Vielleicht sollte ich formulieren, dassin der Ebene benachbarte Geraden auch im Moebiusband wieder benachbart sein sollen. Das laesst sich nur mathematisch nicht exakt fassen, weil eine Gerade keine naechsten Nachbarn hat.]

    Mathematisch exakt kann man das mit dem Begriff der “Umgebungsbasis” fassen. [Siehe z.b. Wikipedia] Jeder Punkt im Moebiusband entspricht einem Punkt in der Ebene [alle Punkt auf der Mittellinie entsprechen de,selben, namlich dem Nullpunkt] und man definiert dann Umgebungen eines Punktes mittels der entsprechenden Umgebungen in der Ebene.

    Sorry fur die etwas knappe Erklarung, habe gerade nicht viel Zeit. Vielleicht spater noch ein Bild.