Der Boykottaufruf gegen Elsevier ist jetzt gut ein Jahr alt, mit 13195 Unterzeichnern, davon 2237 Mathematiker.
Es ging damals in erster Linie um die völlig überhöhten Preise der bei Elsevier verlegten Fachzeitschriften.
Es hatte dann im Mai einen offenen Brief Elseviers mit verschiedenen Ankündigungen (u.a. freier Zugang 4 Jahre nach Veröffentlichung für ab 1995 veröffentlichte Arbeiten) gegeben, über den ich in Elseviers kleine Schritte II berichtet hatte. Im September kam noch ein weiterer offener Brief. Dessen Inhalt: freier Zugang 4 Jahre nach Veröffentlichung auch für die älteren Artikel mathematischer Fachzeitschriften (soweit ich verstehe betrifft das ausschließlich die Mathematik). Außerdem: Preise einzelner Zeitschriften wie Journal of Number Theory, Journal of Combinatorial Theory Series A & B und Journal of Functional Analysis werden reduziert – hier greift aber, was ich schon im Mai geschrieben hatte: Preise für einzelne Zeitschriften sind irrelevant, weil den Bibliotheken angesichts der Preise ohnehin nichts anderes übrigbleibt, als die von Elsevier angebotenen Bündelungen zu kaufen. Zwar hat Elsevier als Reaktion auf damalige Kritik nun eine Mathematics Core Collection aus 16 Zeitschriften erstellt – den Preis erfährt man allerdings wohl erst auf Anfrage, jedenfalls habe ich auf den Elsevier-Webseiten keine Informationen dazu gefunden. Und wohl nichts wirklich Neues enthält auch der letzte Teil des offenen Briefes mit dem Titel “Support for the Mathematical Community”.
Natürlich wurde das Thema in der Zwischenzeit immer wieder mal in Veröffentlichungen aufgegriffen. In Political Geography (witzigerweise eine Elsevier-Zeitschrift) erschien vor kurzem ein Beitrag “Non-profit alternatives to commercial academic journals: Success stories from mathematics” von Kathleen Petersen. Und in den Notices of the AMS gab es einen Artikel “Shifting editorial boards” über drei von der London Mathematical Society übernommene Fachzeitschriften: Compositio Mathematica, Journal of Topology, Mathematika. Allerdings ging es da nur beim Journal of Topology tatsächlich um die Senkung der Preise, bei Compositio Mathematica ist der Preis nach dem Wechsel sogar gestiegen (relativ zur gestiegenen Seitenzahl allerdings gesunken). Journal of Topology (das im erwähnten PG-Artikel übrigens mit Geometry & Topology verwechselt wird) kann nach der Darstellung im Notices-Artikel bisher seine Kosten nicht decken, weil es von vielen Bibliotheken noch nicht abonniert wird. (“It is very difficult to persuade a library to pay for a new journal outside of their bundle deals. Despite the support that the new journal has received from authors, referees, and editors, we also need readers to persuade their libraries to support these projects. I find it depressing that some of our best-endowed libraries in universities whose mathematicians are clamoring for change do not subscribe to the journal.”) Mein Institut hier hat die Zeitschrift zumindest online abonniert, in diesem Fall hängen die Preise wohl von der Zahl der Downloads ab, so verstehe ich jedenfalls den Notices-Artikel.
Und dann gibt es noch eine neuere Entwicklung, über die man natürlich geteilter Meinung sein kann: das Forum of Mathematics mit einer Liste renommierter Herausgeber wird demnächst seine Arbeit aufnehmen. Es handelt sich um ein klassisches Open Access Journal, bei dem der Autor zahlt, also Gold Open Acess statt Green Open Access. (In den ersten 3 Jahren wird das Publizieren dort noch kostenlos sein, danach muß dann aber gezahlt werden.) Die aus Mathematiker-Sicht gegen ein solches Modell sprechenden Argumente hatte ich (nach einem Notices-Artikel von I.Kapovich) hier mal zusammengefaßt.
(Gesammelt werden Informationen zum Thema übrigens im Wiki Math Publishing Reform.)
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