Wenn, was ja in letzter Zeit häufig der Fall ist, das Geschäftsgebaren der großen Wissenschaftsverlage kritisiert wird, dann geht es unter anderem auch immer um die Praxis des Bündelns, dass also Bibliotheken quasi gezwungen werden, ein ganzes Bündel von Zeitschriften zu einem zu vereinbarenden Preis zu kaufen und die Zeitschriften innerhalb eines Bündels oft von sehr variabler Qualität und inhaltlicher Ausrichtung sind.
Auch in der Mathematik versucht man oft, Mengen in Bündeln zusammenzufassen, wobei hier aber die einzelnen “Fasern” des Bündels stetig vom Basispunkt abhängen sollen. Im einfachsten Fall als Geradenbündel, wo also über jedem Punkt eines Basisraumes eine Gerade angeheftet ist.
Beispiele zeigt das Bild oben mit zwei Geradenbündeln über dem Kreis als Basis.
In TvF 254 hatten wir beschrieben, dass man sich den Basis-Kreis des Möbiusbandes auch als Menge aller Geraden durch den Nullpunkt im – als eindimensionalen projektiven Raum
– denken kann und das Möbiusband dann gerade das Geradenbündel ist, wo über jedem Punkt die entsprechende Gerade im
angeheftet wird.
In TvF 255 hatten wir gesehen, dass man die entsprechende Konstruktion auch für die Geraden im (oder im
) funktioniert und man auf diese Weise ein Geradenbündel über dem n- oder auch dem unendlich-dimensionalen projektiven Raum (letzterer per Definitionem der Raum aller Geraden in
) bekommt:
Dieses Geradenbündel über dem unendlich-dimensionalen projektiven Raum ist das “universelle Geradenbündel”, was im Wesentlichen heißen soll, dass man jedes andere Geradenbündel dortdrin wiederfindet. (In Wirklichkeit ist es noch etwas komplizierter, man muß bei einem gegebenen Geradenbündel evtl. erst Teilmengen der Basis B, über welchen das Bündel aber trivial ist, zusammenziehen, bevor man das Geradenbündel danach dann zumindest lokal in das universelle Bündel einbetten kann.) Oder prosaischer ausgedrückt: zu jedem Geradenbündel mit Basis B gibt es eine stetige Abbildung , so dass das Geradenbündel sich aus dem universellen Geradenbündel durch Zurückziehen mit f* ergibt. Die Abbildung f heisst klassifizierende Abbildung.
Im Prinzip werden Bündel durch die klassifizierende Abbildung in das universelle Geradenbündel vollständig beschrieben. Aber man hat natürlich gern berechenbare Invarianten und da kommt dann die letzte Woche diskutierte Kohomologietheorie ins Spiel: man nimmt Kohomologieklassen h in der Kohomologie von und betrachtet dann statt der klassifizierenden Abbildung f nur die zurückgezogenen Kohomologieklassen f*h (in der Kohomologie der Basis B), womit man zunächst einmal natürlich Informationen verliert.
Die Kohomologie des (mit Z/2Z-Koeffizienten) kann man berechnen, sie ist in jeder Dimension 1-dimensional. Das nichttriviale Element in der 1. Kohomologie ist (per Defnition) die 1-ste Stiefel-Whitney-Klasse w1 des universellen Geradenbündels und durch Zurückziehen mittels der klassifizierenden Abbildung f bekommt man die 1-ste Stiefel-Whitney-Klasse, wie wir sie letzte Woche beschrieben hatten, die also Nicht-Orientierbarkeit entlang von 1-Zykeln mißt, aber durchaus noch weitere Anwendungen hat, etwa in der Immersions-Theorie. (Alle anderen Kohomologieklassen des
bekommt man mittels des Cup-Produkts als Potenzen von w1:
.)
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