Ich bin gerade am Kopf-Schütteln über einen Artikel von ZEIT-Autor Martin Spiewak, der unter der Überschrift “Nichts dazu gelernt” beginnt: “Der Fall Schavan ist auch eine Schande für die Universität. Eine Institution muss umdenken.”
Was dann kommt, klingt (vor allem in der zweiten Hälfte) wie aus einem Thesenpapier der Bertelsmann-Stiftung abgeschrieben. Alles das (die Plagiate) wäre nicht passiert, wenn “die Hochschulen ihre Hausaufgaben machten und sich ein professionelles Controlling” (womit keine Plagiats-Software gemeint ist :-)) “zulegen würden”. Zitat:
“Und was die »Selbstreinigungskräfte der Wissenschaft« angeht, bleibt festzuhalten: Sämtliche Plagiatsfälle der vergangenen Jahre wurden von Hobbyrechercheuren im Internet aufgedeckt. Keine Universität sah sich bemüßigt, die Prominentenpromotionen einmal selbst unter die Lupe zu nehmen.”
Man kann diesen Vorschlag (obschon vom Autor offenkundig ernstgemeint) soweit erstmal eher erheiternd finden (was stellt er sich konkret vor? Sollten, sobald ein früherer Absolvent zu Prominenz kommt, dessen Abschlußarbeiten neu überprüft werden? das könnte schon juristisch auf Probleme stoßen), weniger lustig ist aber, wie dann das Thema Prominenten-Plagiate zum Vorwand genommen wird, um die “Freiheit der Forschung” selbst in Anführungszeichen zu setzen.
Natürlich ist es erfreulich, wenn hier einmal statt des eher uninteressanten Einzelfalls grundsätzlichere Aspekte diskutiert werden. (Einen weiteren Diskussionsbeitrag mit anderer Ausrichtung gab es ja im vorletzten SPIEGEL unter der Überschrift “Die Uni ist schuld”. Der Text ist leider nicht online und ich weiß nicht, wieviel ich zitieren darf, ohne mich einer URV schuldig zu machen. Jedenfalls lag aus Sicht des SPIEGEL-Gastautors das Problem eher darin, dass in den 70er Jahren Professoren berufen wurden, “die das wissenschaftliche Handwerk nicht beherrschten und deshalb nicht weitergeben konnten” und die also einer jungen Doktorandin ein zu anspruchsvolles Thema gaben, mit dem sie selbst überfordert waren, die Arbeit entsprechend schlecht betreuten, und auch die Zitate nicht sorgfältig genug überprüften.)
Doch bei Spiewak auf ZEIT Online wird daraus dann schlicht ein Rundumschlag gegen alles in der Wissenschaft, was einem einheitlichen “Controlling” a la CHE irgendwie im Weg stehen könnte. Die einzelnen Fachbereiche hätten zuviel Macht und die energischen Uni-Präsidenten zuwenig, es gäbe zuwenig langfristige Planung, zuwenige Evaluierungen, Begutachtungen und Befragungen, und in Kiel gäbe es mehr mit Auszeichnung abgeschlossenene Biologie-Promotionen als in München. (Letzteres wird sicher korrekt recherchiert sein. Nur spielt es schlicht keine Rolle – in der Wissenschaft werden Leute nach dem beurteilt, was sie gemacht haben, nicht nach ihren Abschlußnoten.) Ganz melodramatisch wird es dann im letzten Abschnitt:
“Die Autonomie der Wissenschaft ist ein hohes Gut, Hochschulen, Fakultäten, Professoren klagen es immer wieder zu Recht ein. Zu dieser Idee gehört jedoch auch Verantwortung, vor allem für das eigene Tun. Für die Universität Düsseldorf ist der Fall Schavan vorerst abgeschlossen. Jetzt muss an den Universitäten das Nachdenken über sich selbst beginnen.”
Nachdenken ist natürlich immer gut. Was die Autonomie der Wissenschaft heute mit dem 33 Jahre alten “Fall Schavan” zu tun haben könnte, das verstehe ich jedoch auch nach längerem Nachdenken nicht.
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