Der Karlsruher Physikkurs ist eine (wohl hauptsächlich in Baden-Württemberg) seit 20 Jahren verwendete Lehrbuchreihe für die Sekundarstufe I und II, mit der “Physik aus einem Guss” vermittelt werden soll.
Die Deutsche Physikalische Gesellschaft DPG hat jetzt ein ausführliches Gutachten veröffentlicht, worin sie von der weiteren Verwendung dieser Lehrbücher abrät.
Zitat:
Da sich physikalische Aussagen durch Messung belegen lassen müssen, müssen sie auch quantifizierbar sein. Deshalb werden in der Physik mathematische Gleichungen aufgestellt, die ihre wesentlichen Größen zueinander in Beziehung setzen. Diese mathematische Formulierung ihrer wesentlichen Aussagen setzt eine präzise Verwendung klar definierter Begriffe voraus. Eine (internationale) Verständigung über Physik setzt ferner voraus, dass einheitliche Begriffssysteme verwendet werden.
Es ist die Überzeugung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG), dass Physik auf allen Ebenen der Ausbildung so unterichtet werden muss und kann, dass ihre wesentliche Eigenschaft unmissverständlich klar wird: Physik ist eine empirische Naturwissenschaft, die aufgrund ständiger, strenger Orientierung am Experiment zu objektivierbaren Aussagen gelangt. Die DPG unterstützt Überlegungen und Versuche, dies im Unterricht an den Schulen möglichst verständlich umzusetzen, sieht es aber auch als ihre Aufgabe an, misslungene Versuche zu kritisieren.
Der Karlsruher Physikkurs (KPK) wird den oben formulierten Zielen nicht gerecht. Er baut wesentlich auf willkürlich gewählten, nicht durch Messvorschriften belegbaren oder Messungen zum Teil widersprechenden Begriffen auf, die allein aufgrund didaktischer Überlegungen eingeführt werden und größtenteils dazu dienen, behauptete Analogien quer durch die gesamte dargestellte Physik durchhalten zu können. Dadurch erzeugt der KPK eine grundsätzlich falsche Vorstellung von Physik. Die Strenge des naturwissenschaftlichen Denkens und der empirischen Vorgehensweise werden durch den KPK verletzt.
Die Deutsche Physikalische Gesellschaft empfiehlt daher mit Nachdruck, den Karlsruher Physikkurs weder für den Unterricht zu verwenden noch Lehr- oder Bildungspläne auf ihm aufzubauen oder nach ihm auszurichten.
Im Weiteren werden dann noch 3 Beispiele (der Begriff des Impulsstroms in der Mechanik, Entropie und Wärme in der Thermodynamik, Magnetische Ladungen und der Begriff des Vakuums in der Elektrodynamik) ausführlich besprochen, der vollständige Text ist https://www.dpg-physik.de/veroeffentlichung/stellungnahmen_gutachter/Stellungnahme_KPK.pdf.
Auf jeden Fall eine ziemlich ungewöhnliche Aktion; es kommt sicher nicht so oft vor, dass eine Fachgesellschaft sich so deutlich von einer seit 20 Jahren verwendeten Lehrbuchreihe distanziert.
Ich bin weder Physiker noch Physiklehrer und habe natürlich keine Erfahrungen mit dieser Lehrbuchreihe. Aber jedenfalls ist das ja vielleicht ein gutes Thema für eine Diskussion in den Blogkommentaren.
Der Ausgewogenheit halber (nicht dass noch jemand sagt, auf den scienceblogs würde einseitig berichtet) hier auch noch ein paar aktuelle Videos von einem Verteidiger des Karlsruher Physikkurses.
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