Die Euler-Charakteristik einer Fläche bekommt man, indem man die Fläche in Dreiecke zerlegt, Ecken, Kanten und Flächen zählt und E-K+f berechnet. In TvF 6, lang ist’s her, hatten wir gezeigt, daß man immer E-K+F=2-2g bekommt, wenn g die Anzahl der Henkel ist.
Und in TvF 71 hatten wir die Gauß-Bonnet-Formel
welche die Euler-Charakteristik als Integral über die Krümmung der Fläche berechnet.
Vor 2 Wochen hatten wir gesagt, daß die Euler-Klasse (die dem Polynom entsprechende Klasse) die einzige charakteristische Klassen von Flächen ist. (Jedenfalls in der Kohomologie mit reellen Koeffizienten.)
Die Namensgebung legt natürlich einen Zusammenhang zwischen Euler-Charakteristik und Eulerklasse nahe und diesen gibt es tatsächlich, wie wir im folgenden (wird nochmal etwas technischer als sonst) begründen wollen.
Zur Erinnerung: Charakteristische Klassen orientierbarer 2-dimensionaler Vektorbündel waren Kohomologieklassen in , wobei
der Raum aller orientierten 2-dimensionalen Unterräme des
ist – das tautologische 2-Bündel über diesem Raum klassifiziert alle orientierten 2-dimensionalen Vektorbündel. (Ein orientierter Unterraum ist einer, auf dem man eine Orientierung festgelegt hat. In
kommt jeder Unterraum also zweimal vor, mit jeder Orientierung einmal.)
Wir hatten dann vorletzte Woche gesagt, dass die Kohomologie dasselbe ist wie die Menge der invarianten Polynome auf SO(2), und dass unter dieser Entsprechung – per Definition – die Euler-Klasse
dem
-fachen der Pfaffschen Determinante entspricht, die der Matrix
den Wert
zuordnet.
Die Euler-Klasse des Tangentialbündels einer Fläche bekommt man dann also als
mit der klassifizierenden Abbildung
des Tangentialbündels.
Um zu verstehen, warum sich aus der Euler-Klasse die Euler-Charakteristik ergibt, muss man letztlich verstehen, wie sich die charakteristische Klasse aus dem invarianten Polynom (hier: der Pfaffschen Determinante) ergibt. Das geht ein bißchen um die Ecke, denn statt unseres Tangentialbündels (einem 2-dimensionalen Vektorbündel) benötigt man dafür Bündel, deren Faser die Gruppe SO(2) ist. Dieses bekommt man als sogenanntes Rahmenbündel des Tangentialbündels: zu jedem Punkt betrachtet man alle positiv orientierten Orthonormalbasen der Tangentialebene
. (Man kann sich leicht überlegen, dass diese Basen 1-1 der Gruppe SO(2) entsprechen.) Wenn man das für alle
macht, bekommt man ein Bündel über F, das sogenannte Rahmenbüdel, ein Prinzipalbündel mit Strukturgruppe SO(2).
In TvF 128 hatten wir mal darüber geschrieben, dass man Bündel und Zusammenhänge benötigt, um das Potential eines elektromagnetischen Feldes definieren zu können – die Feldstärke entsprach dann der Krümmung des Zusammenhangs. Letzte Woche hatten wir geschrieben, wie man mittels des “Levi-Civita-Zusammenhanges” eine Parallelverschiebung auf Flächen definiert. Man kann mit dieser Parallelverschiebung natürlich nicht nur einzelne Vektoren, sondern auch Orthonormalbasen verschieben, bekommt also eine Parallelverschiebung auf dem Rahmenbündel. Diese wiederumbestimmt einen “Zusammenhang” (eine Ableitungsvorschrift) auf dem Rahmenbündel und die Krümmung dieses Zusammenhangs (eine so(2)-wertige 2-Form) ist gerade der Riemannsche Krümmungstensor. Und die Korrespondenz zwischen invarianten Polynomen und charakteristischen Klassen funktioniert dann so: man setzt die Krümmungsform in das invariante Polynom ein, bekommt damit eine Differentialform auf dem Rahmenbündel, welche sich als auf den Fasern konstant herausstellt, also eine Differentialform (und damit eine de-Rham-Kohomologieklasse) auf der Fläche gibt, die zu dem invarianten Polynom gehörende charakteristische Klasse. (Im Fall der Pfaffschen Determinante also die Euler-Klasse.)
Wenn man die schiefsymmetrischen Matrizen so(2) auf naheliegende Weise – nämlich mittels der Pfaffschen Determinante – mit den reellen Zahlen gleichsetzt, ist im Fall von Flächen der Riemannsche Krümmungstensor einfach die Gauß-Krümmung mal der Volumenform.
Die Euler-Klasse, die ja entspricht, wird also von der Differentialform
repräsentiert. Anwendung auf die Fundamentalklasse (d.h. den Erzeuger von H2(F), welcher z.B. von der Summe der Simplizes einer Triangulierung repräsentiert wird) gibt das Integral dieser Differentialform über die Fläche. Nach Gauß-Bonnet ist dieses aber die Euler-Charakteristik:
womit also (als Korollar aus Gauß-Bonnet) bewiesen wäre, daß Anwendung der Euler-Klasse auf die Fundamentalklasse die Euler-Charakteristik ergibt und die Namensgebung also kein Zufall ist.
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