“Damit die Kommunikation unseres Staates und unserer Unternehmen kein amerikanischer und erst recht kein chinesischer oder russischer Dienst mitlesen kann, müssen wir unsere eigene Kommunikationstechnik aufbauen” propagiert CSU-Rechtsaußen H.-P. Uhl am Sonntag – in Reaktion auf den Prism-Skandal – in der FASZ und fordert dreistellige Millioneninvestitionen. (FAZ-Herausgeber Schirrmacher: „Das braucht Subventionen, eine Vision groß wie die Mondlandung.”)
Man könnte sich jetzt fragen, ob der gute Mann vielleicht Millionen und Milliarden verwechselt, ob er womöglich gar nicht weiß, daß es bereits die von Deutschland mit dreistelligen Millionenbeträgen geförderten Suchmaschinenprojekte Quaero und Theseus gab, und wie er sich das alles eigentlich praktisch vorstellt. (Wahrscheinlich gar nicht.) Man kann sich auch wundern, wenn gerade die Rechten nach dem Staat rufen, während die Linken großen Konzernen jeden Stein aus dem Weg räumen wollen, jedenfalls solange sich diese noch jugendlich und modern gerieren. (Wobei die Kritik an den Kritikern von Google Street View in der Sache sicher berechtigt ist.) Oder man kann sich auch einfach mal anschauen, was bei solchen Sonderwegen in der Vergangenheit herausgekommen ist oder eben nicht.
Addition zweier achtstelliger Zahlen in der unglaublich kurzen Zeit von Dreißig Millisekunden
Mir jedenfalls fiel beim Lesen der Meldung prompt der vorgestern auf Spiegel Online – in der Rubrik einestages – erschienene Artikel “Mit diesem Monstrum konnte man rechnen” über den ersten DDR-Computer Oprema ein. Der wird in jenem Artikel über den grünen Klee gelobt: “vergleichbar mit der Erfindung der Dampfmaschine”, Kalkulationen, die vorher teils über eine Stunde in Anspruch genommen hätten, konnten dann innerhalb von Sekunden angestellt werden, seit April 2013 erinnere eine Gedenktafel an der Fakultät für Mathematik und Informatik der Universität Jena an die Oprema, eine längst überfällige Würdigung für die legendäre Maschine, die so viel Veränderung brachte.
Das Gerät schaffe “die Addition zweier achtstelliger Zahlen in der unglaublich kurzen Zeit von Dreißig Millisekunden”, heißt es etwa 1955 in einem Artikel aus dem “Neuen Deutschland”. Kämmerer und Kortum wurden später sogar mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet. Die Medien in der Bundesrepublik erwähnten die Oprema allenfalls am Rande.
“Dabei ist heute klar, dass die Anlage keineswegs eine bloße Kopie der Technologie aus dem Westen war”, ist sich Fothe sicher. “Die Oprema ist zweifellos eine bedeutende schöpferische Leistung – es steht außer Frage, dass sie eine eigenständige Entwicklung des Teams um Entwicklungsleiter Wilhelm Kämmerer war”, sagt der Professor.
Wissenschaft und Autarkie
Nun ja, als Mathematiker weiß ich natürlich, wie wichtig es ist, auch langbekanntes noch einmal selbst nachzuvollziehen, sich die Beweise bekannter Sätze selbst zu überlegen, alte Probleme noch einmal selbst zu lösen. Das selbstständige Entwickeln einer solchen Maschine wird für die beteiligten Wissenschaftler zweifellos ein hervorragendes Training gewesen sein.
Die Anwender hätten wohl mehr davon gehabt, hätte man in Jena die Rechner nutzen können, die es ja damals durchaus schon gab, wie den UNIVAC oder den TRADIC.
Ich weiß nicht, warum Google so erfolgreich ist, ob es wirklich der tolle Algorithmus ist oder nur die brachiale Masse der vielen fleißigen Bots. Ich weiß nur, dass Google nun einmal besser ist als Yahoo oder Bing, ganz zu schweigen von Wolfram Alpha.
Es ist wohl keine prophetische Begabung erforderlich um vorherzusagen, dass eine jetzt mit “dreistelligen Millionenbeträgen” entwickelte Google-Alternative einen genauso bleibenden Eindruck hinterlassen wird wie die Supercomputer aus Jena und Mühlhausen. Es gibt heutzutage – außer in Nordkorea – keine Nationale Wissenschaft, keine Nationale Wissenschaftskommunikation, keine Nationale Software und eben auch kein nationales Internet.
Naver
Übrigens: Google-Alternativen sind im Prinzip durchaus möglich. In Südkorea laufen 77% aller Suchanfragen über die Suchmaschine Naver. (Danach kommt Daum mit 11 Prozent, Google hat weniger als 2 Prozent, weniger noch als Yahoo.)
Die hatten freilich schon 1999 begonnen mit dem Aufbau ihres Portals. (Und hatten wohl auch Glück, weil Google den koreanischen Markt wegen der damals niedrigen Zahl an Webseiten uninteressant fand.)
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