Nach Apollonios von Perge benannt ist das apollonische Problem: zu drei sich tangential berührenden Kreisen einen Kreis zu finden, der die drei anderen berührt. Beispiel: zu den oben mit 2,3,6 markierten Kreisen hat man den mit 23 markierten Kreis, der alle drei berührt, oder natürlich auch den alle drei Kreise “von außen” berührenden Einheitskreis. (Bildquelle)

Das Problem läßt sich immer lösen, man findet stets zwei Kreise, die die drei vorgegebenen Kreise berühren.

Der einfachste Beweis, den Apollonius natürlich noch nicht kannte, benutzt Möbiustransformationen: mittels einer Möbiustransformation kann man die Konfiguration dreier tangentialer Kreise in eine Konfiguration aus einem Kreis und zwei tangentialen Geraden abbilden. Und dann ist es natürlich völlig klar, dass es noch zwei weitere tangentiale Kreise gibt (Bildquelle):
apoll

Wenn man vier sich berührende Kreise hat, kann man also den fünften Kreis suchen, der die ersten drei berührt. Dieses Verfahren kann man iterieren und bekommt ein sogenanntes “apollonisches Netz” (engl.: “apollonian gasket”)
apollonian_gasket_example
Der “Rest”, also diejenigen Punkte, die in keinem der Kreise liegen, ist ein Fraktal, dessen Hausdorff-Dimension für alle Konfigurationen von Kreisen dieselbe ist, weil sich alle Konfigurationen durch geeignete Möbiustransformationen ineinander überführen lassen. Der genaue Wert der Hausdorff-Dimension wurde von McMullen berechnet, er ist α=1.305688… (Man kann dieses Fraktal auch als Limesmenge einer Kleinschen Gruppe bekommen.) Dagegen hängt die Anzahl NT der Kreise vom Radius kleiner 1/T natürlich von der Ausgangskonfiguration ab. Bemerkenswerterweise ist die Asymptotik von NT aber für alle Konfigurationen sehr ähnlich: Kontorovich und Oh haben bewiesen, dass NT immer asymptotisch zu cTα für die (immer dieselbe) Hausdorff-Dimension α (und eine von den gewählten Ausgangskreisen abhängende Konstante c) ist.

Einige Beispiele. (Die Zahlen in den Kreisen sind jeweils die Krümmungen, also die Inversen der Radien. Die äußersten Kreise haben Radius 1/3, 1/10 bzw. 1/12.)

1024px-ApollonianGasket-3_5_8_8-Labels 1024px-ApollonianGasket-10_18_23_27-Labels 1024px-ApollonianGasket-12_25_25_28-Labels

Die Beispiele könnten suggerieren, dass die Krümmungen stets ganze Zahlen sind. Das ist natürlich nicht der Fall, man kann ja schlicht mit 4 Kreisen beginnen, bei denen das nicht zutrifft. Was allerdings tatsächlich der Fall ist: wenn man mit 4 Kreisen beginnt, die ganzzahlige Krümmungen haben, dann haben auch alle anderen Kreise ganzzahlige Krümmungen. Der Beweis folgt aus der ursprünglich von Descartes gegebenen Konstruktionsmethode für den fünften Kreis. Descartes kannte nicht den obigen Beweis mittels Möbiustransformationen, sondern er war ja bekanntlich ein Verfechter der (kartesischen) Koordinatenmethode, also des Lösens geometrischer Probleme durch Berechnung. Zum apollonischen Problem hatte er berechnet, dass die Krümmungen von vier sich berührenden Kreisen die Gleichung
(k_1+k_2+k_3+k_4)^2 = 2\,(k_1^2+k_2^2+k_3^2+k_4^2)
erfüllen müssen. (Damit konnte er den Radius des vierten Kreises bestimmen und beweisen, dass es zwei Lösungen für den vierten Kreis gibt.) Wenn wir die Krümmungen der beiden “vierten” Kreise mit k_4,k_4^\prime bezeichnen, dann erhält man aus der obigen Gleichung leicht
k_4+k_4^\prime=2(k_1+k_2+k_3)
und damit muß auch der 5.Kreis ganzzahlige Krümmung haben, wenn das bei den ersten 4 Kreisen der Fall war – und entsprechend haben dann alle folgenden Kreise wieder ganzzahlige Krümmungen. (Diese Beobachtung geht auf eine 1936 erschienene Arbeit von Soddy zurück, weshalb solche Konfigurationen auch Soddy-Kreise genannt warden.)
InfPack

Für die Zahlentheorie stellt sich dann natürlich die Frage, welche Folgen ganzer Zahlen auf diese Weise entstehen können. Graham-Lagarias-Mallows-Wilks-Yan hatten in einer Arbeit verschiedene Kongruenzbedingungen für solche Folgen bewiesen und dann auf Basis numerischer Experimente vermutet, dass alle hinreichend großen nicht durch diese Kongruenzbedingungen ausgeschlossenen Zahlen tatsächlich als Krümmung eines Kreises in einem gegebenen apollonischen Netz vorkommen. (Sie nannten das damals “Strong Density Conjecture”, inzwischen hat sich der Name “Local-Global Conjecture” eingebürgert. Lokal-Global-Prinzipien nennt man in der Zahlentheorie Eigenschaften ganzer Zahlen, bei denen es genügt, sie modulo Primzahlen nachgeprüft zu haben.)

Strong Density Conjecture. In any primitive integral Apollonian packing, all sufficiently
large integers occur, provided they are not excluded by congruence conditions.

Im aktuellen Juni-Heft der “Inventiones Mathematicae” erscheint nun die Arbeit “On the local-global conjecture for integral apollonian gaskets” von Bourgain und Kontorovich, in der diese Vermutung jedenfalls für fast alle ganzen Zahlen bewiesen wird:

Almost every admissible number is the curvature of a circle in \mathcal{G}. Quantitatively, the number of exceptions up to N is bounded by O(N1-η), where \eta>0 is effectively computable.

Der Beweis benutzt die Hardy-Littlewood-Kreismethode sowie die Geometrie hyperbolischer 3-Mannigfaltigkeiten unendlichen Volumens (nämlich der Kleinschen Mannigfaltigkeit, deren Limesmenge das oben erwähnte Fraktal ist) und die Spektraltheorie des Laplace-Operators auf den den Kongruenz-Untergruppen entsprechenden Überlagerungen dieser 3-Mannigfaltigkeit.

Bourgain, J., & Kontorovich, A. (2013). On the local-global conjecture for integral Apollonian gaskets Inventiones mathematicae, 196 (3), 589-650 DOI: 10.1007/s00222-013-0475-y

Kommentare (6)

  1. #1 Lercherl
    21. Juni 2014

    Das ist schon eine eingeschränkte Version des Apollonischen Problems. Apollonius verlangt nicht, dass sich die Kreise berühren, das Problem ist ganz allgemein mit beliebigen Kreisen formuliert. Es hat zwischen 0 und 8 Lösungen. Keine Lösung gibt es offensichtlich bei drei konzentrischen Kreisen. Bei der Maximalzahl berührt ein Kreis alle drei von außen und einer alle drei von innen. Jeweils drei berühren zwei von außen und einen von innen bzw. einen von außen und zwei von innen.

    Lösung siehe z.B. hier: https://www.e-rara.ch/zut/content/pageview/2759799

  2. #2 Martin Windischer
    21. Juni 2014

    Weil mich das beim Durchlesen und Proberechnen doch ein bisschen verwirrt hat, hier zwei kleine Korrekturen: Bei den drei Beispielen haben die Äußersten Kreise nicht den Radius 1, sondern 1/3, 1/10 und 1/12 (sieht man auch in den Dateinamen der Bilder).
    Und bei der Formel k4+k4’=k1+k2+k3 fehlt wohl der Faktor 2 auf der rechten Seite.

  3. #3 Thilo
    21. Juni 2014

    Danke, ist korrigiert.

  4. #4 mezomorfik
    23. Juni 2014

    Forum kulturystyczne. Na naszym forum znajdziesz komplet na zagadnienie kulturystyki za

  5. #5 Stefan Kermer
    20. September 2023

    https://www.spektrum.de/news/apollonische-kreise-weit-verbreitete-vermutung-widerlegt/217500

    »Wir ärgern uns alle darüber, dass wir das nicht schon vor 20 Jahren herausgefunden haben«
    Alex Kontorovich

  6. #6 Thilo
    20. September 2023