Auf dem ICM gab es heute ein Panel über “The future of publishing”, die mit Abstand interessantesten Beiträge kamen von Jean-Pierre Demailly, der das “Episciences”-Projekt vorstellte. Die Idee des von staatlichen französischen Stellen mit umfangreichen finanziellen Mitteln ausgestatteten Projektes ist es, auf Basis des ArXivs eine große Anzahl von Fachzeitschriften zu gründen. Autoren von auf dem ArXiv abgelegten Preprints sollen dann die Möglichkeit haben, ihre Arbeit über das Editorial Board einer passenden Zeitschrift nach dem üblichen Peer-Review-Verfahren begutachten zu lassen, die begutachtete und korrigierte Arbeit erscheint dann wieder auf dem ArXiv. Das soll eine nachhaltigere und vor allem viel billigere Produktion von Fachzeitschriften ermöglichen: laut Demailly benötigt man ein Team von 15-20 Mitarbeitern (also wesentlich weniger als die Gesamtzahl der aktuell bei einer vergleichbaren Anzahl von Fachzeitschriften beschäftigten Angestellten und Sekretärinnen), dazu natürlich die notwendige technische Ausstattung; ein einheitlicheres System würde offensichtlich die Gesamtkosten im Vergleich zur jetzigen zersplitterten Zeitschriftenlandschaft senken.
Laut Demailly ist die Finanzierung durch französische Stellen für mehrere Dekaden gesichert. (Er schränkte aber auch ein, dass bei sehr großem Erfolg, also womöglich hunderten solcher Zeitschriften, die Finanzierung natürlich neu geregelt werden müsste.) Die nächste Aufgabe sei nun der Aufbau von Einzelzeitschriften mit den entsprechenden Herausgebergremien. Eine “Flaggschiff”-Zeitschrift mit renommierten Herausgebern sei bereits in Arbeit, man plane natürlich Zeitschriften auf allen Levels, wolle aber zunächst einmal eine besonders gute gründen, um “zu zeigen, dass es funktioniert”. Die Entwicklung des neuen Publikationsmodells werde einige Zeit benötigen, aber das Publizieren “unglaublich billiger” machen. (Er verwies darauf, daß die technische Entwicklung der letzten Jahrzehnte nicht zu sinkenden Publikationskosten geführt hat, was tatsächlich schwer nachzuvollziehen ist.)
Es gab natürlich noch andere Beiträge in der Diskussion. Ein (offensichtlich gut geschulter) Vertreter von Elsevier warf wieder mal die üblichen Nebelkerzen, Sergei Gelfand von den AMS-Publikationen berichtete, dass der von der AMS praktizierte freie Zugang 5 Jahre nach Veröffentlichung nicht zu einem Einbruch der Einnahmen geführt hat, andere Teilnehmer schlugen eine Vermarktung einzelner Artikel nach dem iTunes-Modell (99 Cent pro Artikel statt der heute üblichen zweistelligen Beträge) vor. Diskutiert wurde natürlich auch die Problematik der “Vermessung” wissenschaftlicher Arbeit mittels Impact Factor. Eine Art Schlusswort kam von Nalini Joshi: Mathematiker sollten sich nicht nur als “Opfer” (großer Verlage, bibliometrischer Methoden oder der diese verwendenden Geldgeber) sehen, sondern selbst auf Veränderungen hinarbeiten.
Kommentare (12)