Ich hatte (wie wohl die meisten) bisher gar nicht gewußt, dass es ein Unternehmen gibt, welches für (alle?) wissenschaftlichen Bibliotheken ihre Zeitschriften-Abonnements verwaltet und insbesondere auch deren Bezahlung organisiert: Swets & Zeitlinger Information Services B.V..
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Seit 2 Wochen ist die Firma jetzt in aller Munde: sie ist pleite, von einem Amsterdamer Gericht für bankrott erklärt, und die Universitätsbibliotheken, die bereits alle ihre Abogebühren für das kommende Jahr bezahlt hatten, werden dieses Geld möglicherweise nicht wiedersehen, weil sie ja an Swets gezahlt hatten und die Gelder bei den Verlagen selbst noch nicht angekommen sind.

Manche Verlage wie de Gruyter oder das Verlagshaus der American Mathematical Society zeigen sich kulant und wollen Bibliotheken auch in 2015 mit Fachzeitschriften beliefern, falls die bereits jetzt die Abogebühren für 2016 bezahlen:

AMS: The American Mathematical Society (AMS) will work individually with all institutions that paid for 2015 subscriptions to AMS products through Swets & Zeitlinger Group BV, prior to their announcement on September 22, 2014, to ensure that institutions receive uninterrupted access to our publications and database products. We ask that your institution provides the AMS with proof of payment for 2015 products. We would also ask that you commit to subscribe to those same products for the following year, 2016.
AMS will work with you to be certain you do not have to pay a second time for your 2015 subscriptions. Note that if the product is available in electronic format, electronic only access will be granted. For print only products, the AMS will provide print format.
As a scientific society as well as publisher, our mission is to provide a stable environment for the dissemination of scholarship and research. We believe this policy best reflects that mission.
Your commitment to subscribe in 2016 should be a good faith commitment. We hope that the money paid for subscriptions is recovered and eventually applied for its original purchase. If only a portion is recovered and returned to the institutions, we hope to receive a proportional share in return for our pledge of uninterrupted service.
de Gruyter: •Customers who have already paid Swets for 2015 subscriptions should contact their Sales Manager with proof of payment. Access will be then given to 2015 content in electronic format. You will not be required to pay a second time.
•We will ask you to commit to a subscription for the same titles in 2016.
•If you subsequently receive a refund from Swets for all or part of the money paid, we would ask that you remit a share to us in recognition of the uninterrupted access granted.

Andere, größere Verlage wie Springer und Elsevier sind da weniger großzügig:

Springer: Our concern is specific to all payments that are (to be) made to Swets, including but not limited to 2015 subscriptions. Our reason for taking this extraordinary step by making this announcement is to mitigate the potential impact this situation might have on your institution and give you the time to consider your options before committing to your 2015 subscriptions. We strongly suggest that you consider using alternative agents for any existing or planned Springer business or contact Springer directly.
Elsevier: If you have used the foundation (“stichting”) to make payments to Swets, we urge you to review the process by which such funds can be refunded to you. If you are about to place an order and submit a payment to Swets through any other means, we urge you to seek alternatives, as we describe below. If you have not done so already, you should review this matter with your finance or procurement leads, and you may also wish to consult your legal adviser.
Until such time as an appropriate order and payment has been received by Elsevier, we will not be able to process orders that have been recently transmitted to Swets.

Es fällt auf, dass es gerade die Verlage mit den ohnehin schon völlig überzogenen Zeitschriftenpreisen und den entsprechenden Gewinnmargen sind, die auch diesmal wieder alle Kosten den Bibliotheken und Fachbereichen überlassen wollen. Man kann nur hoffen, dass sich mehr Zeitschriften finden, die die sinkenden Schiffe verlassen.

Kommentare (4)

  1. #1 Thilo
    6. Oktober 2014
  2. #2 rankzero
    9. Oktober 2014

    Ich hatte (wie wohl die meisten) bisher gar nicht gewußt, dass es ein Unternehmen gibt, welches für (alle?) wissenschaftlichen Bibliotheken ihre Zeitschriften-Abonnements verwaltet und insbesondere auch deren Bezahlung organisiert.

    Zum Glück längst nicht für alle Bibliotheken, und nicht alle Abonnements.

    Davon abgesehen, dass auch noch Alternativen wie Ebsco existieren, gibt es natürlich Bibliothekare, die nicht 25% ihres Etats (und das war m.W. in etwa die Höhe der Provisionen) an noch einen weiteren Zwischenhändler abgeben wollen.

    Womit sich schon die Frage stellt, warum einige Bibliothekare das dennoch getan haben und weiter tun. Im Interesse der “Lieferanten” ist das – wie der Fall zeigt – offenbar nicht, unabhängig davon ob sie sich in der Pleite mehr oder weniger kulant zeigen. (N.B. Kulanz ist hier sicher auch unternehmerisch weise – auch wenn die Übersetzung “bereits jetzt die Abogebühren für 2016 bezahlen” wohl irreführend ist, genauer wäre: wenn die Zusage für 2016 steht, bleiben die Zugänge auch bei festhängenden Swets-Geldern für 2015 offen; bezahlt werden die i.A. natürlich erst später, weil das sonst ja eine doppelte Zahlung in einem Jahr wäre, die normalerweise kein öffentlicher Haushalt trägt – aber genau deshalb wäre es ja auch illusorisch zu denken, die Bibliotheken könnten noch einmal die Lizenzen direkt bezahlen; tatsächlich steht das allerdings auch selbst bei S / E so nicht drin, sondern der Fokus liegt auf der Aufforderung, künftige Zahlungen nicht mehr über eine insolvente Firma abzuwickeln, was sicher sinnvoll ist).

    Es fällt auf, dass es gerade die Verlage mit den ohnehin schon völlig überzogenen Zeitschriftenpreisen und den entsprechenden Gewinnmargen sind, die auch diesmal wieder alle Kosten den Bibliotheken und Fachbereichen überlassen wollen.

    Wenn man sich den verlinkten Preisvergleich https://www.math.uni-bielefeld.de/~rehmann/BIB/AMS/Publisher.html

    anschaut (die Relationen der 2008er Liste sind m.W. im Großen und Ganzen noch zutreffend), dann hat dort de Gruyter durchschnittlich deutlich höhere Page Charges als Springer.

    Bei aller berechtigten Kritik an der Gestaltung von Monopolpreisen (der ja auch zum Elsevier-Boykottaufruf führte): Den Zwischenhändler wählt der Käufer aus, und der könnte auch direkt bestellen. Aboverwaltung und Organisation von Bezahlung sind genuin bibliothekarische Aufgaben. Eine nicht so fernliegende Frage wäre eventuell in diesem Zusammenhang: Warum sind einige Bibliotheken bereit, dafür erhebliche 25% an Zwischenhändler zu bezahlen, ohne dass die Wissenschaftler davon informiert werden? Wobei letzteren vielleicht noch erzählt wird, dass wegen der Preisanhebungen der Etat ausgeschöpft sei und man leider einige Abos streichen müsse?

  3. #3 Thilo
    12. Oktober 2014

    Was ich nicht verstehe: warum geht eine Firma pleite, die solche Provisionen nimmt?

  4. #4 rankzero
    12. Oktober 2014

    Ich auch nicht – oder vielleicht ja deswegen (irgendwann könnten sich zu viele Kunden verabschiedet haben?). Das Zwischenhandelsmodell hat sich ja m.W. in den Zeiten der gedruckten Exemplare entwickelt, wo die Übernahme von Bestellung, Verteilung und Abrechnung gerade in logistisch weniger erschlossenen Weltgegenden durchaus sinnvoll sein konnte – da wurden dann Dienstleistungen erbracht, die im elektronischen Zeitalter weniger nachgefragt sein dürften. Oder – aber auch dies völlig spekulativ – war es ein Problem, dass die bewegten (bei den Abos naturgemäß hohen) Summen deutlich über dem Eigenkapital lagen, so dass bei Fehlern oder Zahlungsverzügen eine Schieflage entstand. Vielleicht kam der Verlust aber auch aus einer anderen Sparte als dem Zwischenhandel?