In der Knotentheorie geht es darum, Knoten zu entknoten (denen man es wie im Titelbild oben nicht immer sofort ansieht, dass sie sich entknoten lassen) oder (für den Mathematiker interessanter) zu beweisen, dass sie sich nicht entknoten lassen. Allgemeiner interessiert man sich auch für Verschlingungen (engl.: links), die aus mehreren (verknoteten oder unverknoteten) Knoten zusammengesetzt sind wie in der oberen Reihe im Bild unten.
Man nimmt dabei – mathematisch idealisiert – immer an, dass diese Knoten unendlich dünn sind und flexible Länge haben. Das ist in praktischen Problemen, etwa bei der Untersuchung von verknoteten DNS-Molekülen, natürlich nicht der Fall. (Ich weiß nicht, ob das im Fall der DNS-Moleküle tatsächlich einen Unterschied macht, also ob die Moleküle wirklich so dick sind, dass sich mathematisch mögliche Entknotungen physikalisch nicht mehr durchführen lassen.)
Was passiert, wenn man Knoten fester Dicke (und Länge) betrachtet? Die erste und naheliegendste zu lösende Frage ist natürlich: gibt es einen Knoten, der sich mathematisch entknoten liesse, wegen seiner Dicke aber nicht physikalisch entknotet werden kann?
Bemerkenswerterweise hat man selbst diese naheliegende Frage bisher nicht beantworten können. Freedman-He-Wang (Ann. Math. ’94) hatten schon 1994 ein konkretes Beispiel eines Unknotens vorgeschlagen, von dem sie vermuteten, dass er sich physikalisch nicht entknoten läßt. In der Folge entwickelte Piotr Pieranski sein Computer-Programm SONO (Shrink On No Overlaps) und konnte mit diesem Programm dann aber zeigen, dass das Freedman-He-Wang-Beispiel sich auch physikalisch entknoten läßt.
Die Frage nach einem Beispiel physikalisch nicht zu entknotender mathematischer Unknoten ist also immer noch offen, die Frage nach mathematisch aber nicht physikalisch zu entwirrenden Verschlingungen immerhin wurde jetzt im August-Heft des “Pacific Journal of Mathematics” von Coward und Hass beantwortet. Ihr Beispiel ist das unten abgebildete, die beiden Knoten lassen sich offensichtlich “mathematisch” auseinanderziehen, Coward und Hass beweisen aber, dass sie zu dick sind als dass man den gelben Knoten durch den blauen hindurchziehen könnte. Wenn man sich das Bild anschaut, dann scheint das nicht so überraschend, der Beweis ist aber (natürlich) ziemlich aufwändig.
Coward, A., & Hass, J. (2015). Topological and physical link theory are distinct Pacific Journal of Mathematics, 276 (2), 387-400 DOI: 10.2140/pjm.2015.276.387
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