Was Früchteverkäufer seit Jahrhunderten wissen, hat endlich auch die Mathematik bewiesen: Platzsparender als bei den kunstvoll aufgetürmten Orangen-Pyramiden auf dem Wochenmarkt kann man Kugeln nicht aufeinanderschichten. schrieb die ZEIT vor 17 Jahren. Thomas Hales hatte 1998 die Kepler-Vermutung über die dichteste 3-dimensionale Kugelpackung bewiesen, mit umfangreichen und kaum nachprüfbaren Computerrechnungen, weshalb manche die Gültigkeit des Beweises anzweifelten. 2014 veröffentlichte er dann einen formalen, computerlesbaren und von HOL überprüften Beweis, wonach die Zweifler wohl verstummt sind.
Überraschenderweise scheint die 8-dimensionale Version der Kepler-Vermutung einen viel kürzeren Beweis zu haben. Eine gestern auf dem ArXiv erschienene Arbeit The sphere packing problem in dimension 8 beweist die Optimalitaüt der durch das E8-Gitter gegebenen 8-dimensionalen Kugelpackung auf nur 22 Seiten (von denen ein Teil expositorisch ist, z.B. erhält man nebenbei noch eine Einführung in die Theorie der Modulformen). Der Beweis baut noch auf einer älteren Arbeit von Cohn und Elkies auf, die aber auch nur 25 Seiten lang war. Neben der Kürze überrascht an dem Beweis vor allem die Methodik: wichtigstes Werkzeug im Beweis sind Modulformen, die sonst eigentlich in der Zahlenheorie ein unverzichtbares Werkzeug sind. (Beispielsweise beim Beweis des Satzes von Fermat, für den Andrew Wiles gestern den Abelpreis erhielt.)
Kugelpackungen
Beim Kugelpackungsproblem geht es darum, Kugeln vom Radius 1 so im Raum unterzubrigen, dass sie sich nicht schneiden (die Mittelpunkte sollen also Abstand mindestens 2 haben) und dass sie ein möglichst grosses Volumen überdecken. Weil das Volumen im Raum natürlich unendlich ist, formalisiert man letztere Zielstellung dadurch dass man für jedes r>0 den Anteil des überdeckten Volumens innerhalb der Umgebung vom Radius r um den Nullpunkt betrachtet und dann den Limes Superior dieses Anteils für r gegen unendlich.
In Dimension 2 ist die hexagonale Packung die dichteste, die optimale Dichte ist , bewiesen 1940 von Fejes Toth. In Dimension 3 hat Hales, wie gesagt, bewiesen dass die optimale Dichte
ist. In höheren Dimensionen war bisher nichts bekannt, Viazovskas Arbeit liefert jetzt
in Dimension 8.
E8-Gitter
Das Schlagwort E8 wird vielen aus der Physik bekannt sein, nicht zuletzt durcㅗ die Ende der Nuller Jahre diskutierte Exceptionally Simple Theory of Everything, die die größte exzeptionelle Lie-Gruppe E8 benutzte. Die Lie-Algebra dieser Lie-Gruppe wird schematisch durch ein Dynkin-Diagramm beschrieben. Ihr Wurzelsystem sieht so aus:
Man kann dieses Diagramm als Gitter im 8-dimensionalen Raum realisieren, was sich natürlich nicht zeichnen läßt, aber durch eine einfache Formel beschreiben: . Die 8-dimensionalen Kugeln vom Radius 1 um diese Gitterpunkte liefern eine Kugelpackung der Dichte
und man vermutete schon seit längerem, dass dies die optimale 8-dimensionale Kugelpackung sei.
Fourier-Transformation
Die Fourier-Transformation einer integrierbaren Funktion ist definiert als
für
, wobei x.y das Skalarprodukt bezeichnet. Cohn und Elkies hatten in einer 2003 in den Annals of Mathematics veröffentlichten Arbeit gezeigt, dass man mittels der Fourier-Transformation sogenannter “zulässiger Funktionen” obere Schranken für die Dichte von Kugelpackungen beweisen kann.
Die “zulässigen Funktionen” sind Funktionen, für die mit geeigneten Konstanten C und δ gilt. Für eine beliebige solche Funktion mit
für
und
für alle y bewiesen Cohn und Elkies, dass
eine obere Schranke für die Dichte jeder n-dimensionalen Kugelpackung liefert. Für n=8 gibt das die obere Schranke
und um die Optimalität des E8-Gitters zu beweisen muss man dann also “nur” noch eine den Ungleichungen genügende zulässige Funktion finden, für die
ist.
Modulformen
Die Konstruktion einer solchen Funktion f benutzt verschiedene Modulformen, nämlich die j-Funktion (E4 und E6 bezeichnen hier die Eisensteinreihen) und die Thetafunktionen
.
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