Der von den USA angestrebte Einreisebann wird natürlich auch auf Mathematiker-Webseiten leidenschaftlich diskutiert.
Terence Tao, der wohl mit Abstand meistgelesene Mathematik-Blogger, beginnt seinen Artikel Open thread for mathematicians on the immigration executive order mit der folgenden Erklärung:
The self-chosen remit of my blog is “Updates on my research and expository papers, discussion of open problems, and other maths-related topics”. Of the 774 posts on this blog, I estimate that about 99% of the posts indeed relate to mathematics, mathematicians, or the administration of this mathematical blog, and only about 1% are not related to mathematics or the community of mathematicians in any significant fashion.
This is not one of the 1%.
Das Einreiseverbot, hätte es Bestand gehabt, hätte offensichtliche Auswirkungen auf die mathematische Forschung und das nicht nur, weil der Iran ein Land mit vielen sehr gut ausgebildeten Studenten ist, von denen viele bisher eine Tätigkeit in den USA attraktiver fanden als in ihrem Heimatland. Und auch ein nicht mehr Bestand habendes Einreiseverbot wird tortzdem Auswirkungen haben auf die Atmosphäre an Universitäten und Forschungseinrichtungen, es wird dort diejenigen ermutigen, die ohnehin schon immer der Meinung waren, man solle Stellen lieber mit eigenen Leuten besetzen als mit Forschern aus anderen Kulturkreisen. (Wie es etwa nach den Anschlägen vom 11. September der Fall war. Man hörte damals von Bewerbern etwa aus dem Iran an US-Universitäten, denen nahegelegt wurde, ihre Bewerbung wegen der möglichen Visaprobleme doch besser gleich von sich aus zurückzuziehen und sich lieber in anderen Ländern zu bewerben. Ein Einreiseverbot gab es auch damals nicht, aber die sich so zeigende veränderte Atmosphäre wird sicher manchen dann trotzdem davon abgehalten haben, in die USA zu gehen.)
Evelyn Lamb, sonst auf dem Blog der American Mathematical Society aktiv, veröffentlicht auf “undark” einen wohl auf einem Gespräch mit dem Mathematikhistoriker Siegmund-Schultze beruhenden Artikel A Math Lesson From Hitler’s Germany. Sie erinnert dort an die Geschichte des Mathematischen Instituts in Göttingen, das seit Gauss’ Zeiten als das Weltzentrum der Mathematik galt und dieser Position dann 1933 innerhalb kurzer Zeit verlorenging. (Interessanterweise, was im Artikel nicht erwähnt wird, nicht nur durch die Vertreibung der jüdischen Mathematiker, sondern weil auch eine Reihe eigentlich nicht betroffener bedeutender Mathematiker in diesem gleichgeschalteten Institut dann nicht mehr arbeiten wollte. Wir hatten dazu hier vor 2 Jahren mal geschrieben.)
Institutions are fragile. They are easier to destroy than build. A few months of Hitler’s policies unraveled two centuries of mathematical progress in Göttingen. That university, and Germany more broadly, never fully recovered. As von Neumann correctly predicted in 1933, “If these boys continue for only two more years (which is unfortunately very probable) they will ruin German science for a generation — at least.”
Profitiert hatte damals vor allem Princeton, das europäischen Immigranten wohl aufgeschlossener gegenüberstand als viele andere amerikanische Universitäten und in der Folge die Rolle Göttingens als mathematisches Zentrum übernahm und bis heute behielt, nun aber um diese Rolle fürchten muss. Als anderes Beispiel für den Niedergang eines Instituts bietet sich vielleicht Moskau an, das in den 50er bis 70er Jahren als vielleicht der Ort auf der Welt mit der meisten mathematischen Aktivität galt, wo dann aber ab Mitte der 70er Jahre (innerhalb der Mathematik) versucht wurde, jüdische Wissenschaftler und Studenten aus den Universitäten fernzuhalten. Profitiert haben auch damals vor allem die USA und in geringerem Maße die europäischen Länder.
Wenn man den Entwicklungen in den USA etwas positives abgewinnen will, dann wohl am ehesten, dass eine (mit oder ohne Einreiseverbot) zunehmende Fremdenfeindlichkeit dort nicht das Ende der Wissenschaft an sich, sondern nur das Ende der USA als führender Wissenschaftsnation bedeuten wird. Profitieren wird diesmal wohl vor allem China und man kann hoffen, dass vielleicht auch die europäischen Länder es schaffen, einen Teil der die USA verlassenden iranischen, arabischen oder sonstigen Wissenschaftler anzuwerben.
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