Als Mathematiker bekommt man fast täglich Einladungen, seine Arbeiten in irgendwelchen Zeitschriften mit seriös klingenden Namen zu veröffentlichen oder dem Herausgebergremium dieser Zeitschriften beizutreten. Mein Mailserver weiß glücklicherweise schon seit langem, dass solche Mails ausnahmslos in den Spamordner gehören: im ersteren Fall würde eine hohe Publikationsgebühr fällig werden, im zweiten Fall geht es wohl einfach darum, das Image der Zeitschrift durch Herausgeber mit Adressen wissenschaftlicher Institute aufzuwerten. Kein Mathematiker liest solche Zeitschriften und sie werden auch nicht von MathSciNet oder Zentralblatt erfasst.
Man fragt sich natürlich, was passiert wenn doch einmal eine wichtige Arbeit in einer solchen Zeitschrift veröffentlicht wird – ob die dann unter dem Radar der Fachwelt bleibt, weil ja niemand solche Zeitschriften liest.
Ein wenig in diese Richtung geht die Geschichte der Gaußschen Korrelationsungleichung, die aktuell durch die Medien geht. Die Zeitschrift, in der deren Beweis erschien, ist zwar keine Spamzeitschrift und sie wird auch in MathSciNet und Zentralblatt rezensiert, aber sie gehört jedenfalls nicht zur regelmäßigen Lektüre der meisten Mathematiker. Dazu kam dann noch, dass der Autor sich im Jahr zuvor in die Herausgeberschaft der Zeitschrift hatte aufnehmen lassen und – ein absolutes No-Go unter Mathematikern – seine Arbeiten im Textverarbeitungsprogramm Word setzte.
Die von Royen 2014 bewiesene Gauß’sche Korrelationsungleichung – die bemerkenswerterweise noch keinen deutschen Wikipedia-Artikel hat – ist eine anschaulich unmittelbar einleuchtende Ungleichung für die n-dimensionale Gauß’sche Normalverteilung μn. Sie besagt, dass für alle konvexen, rotationssymmetrischen Körper die Ungleichung gilt. Anschaulich: wenn man eine im Nullpunkt zentrierte Kugel und einen im Nullpunkt zentrierten Würfel hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit in beiden zu landen größer als das Produkt der einzelnen Wahrscheinlichkeiten. (Meist wird das mit Pfeilewerfen auf eine Ellipse und ein Rechteck erklärt – das ist der 1977 von Pitt bewiesene Fall n=2.)
Es hat zwar etwas gedauert, aber jedenfalls ist der von Royen 2014 im Far East Journal of Theoretical Statistics veröffentlichte Beweis nicht unter dem Radar der Fachwelt geblieben. Rafał Latała und Dariusz Matlak haben in einer Ende 2015 auf dem ArXiv erschienenen Arbeit Royen’s proof of the Gaussian correlation inequality den Beweis auf neun Seiten verständlich dargestellt und offenkundig wird er jetzt allgemein anerkannt.
Die ganze Geschichte gibt es im Quanta Magazine: A Long-Sought Proof, Found and Almost Lost
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