Wenn man für den Rand eines konvexen Körpers die Wechselsumme #Ecken-#Kanten+#Flächen berechnet erhält man immer 2 als Ergebnis. Zum Beispiel für den Würfel 8-12+6=2 oder für den Tetraeder 4-6+4=2. Wenn man dasselbe für den Rand eines 4-dimensionalen konvexen Körpers macht, wird man stets 0 als Ergebnis erhalten. Beispielsweise hat der oben abgebildete Hexadecachoron 8 Ecken, 24 Kanten, 32 Flächen und 16 Körper und es ist 8-24+32-16=0. In höheren Dimensionen bekommt man für die entsprechenden Wechselsummen ebenfalls immer 2 oder 0, je nachdem ob die Dimension gerade oder ungerade ist.
Interessanterweise gibt es aber – für in Simplizes zerlegte Polytope (also zum Beispiel aus Dreiecken bestehende Polyeder) – eine allgemeinere Aussage, die nicht davon abhängt, ob die Dimension gerade oder ungerade ist. Wenn man wie im Bild unten ein Dreieck bildet, bei dem links überall 1 steht, rechts die verschiedenen Anzahlen stehen (im Bild unten für das Hexadecacoron 8, 24, 32, 16) und man unter je zwei Zahlen die Differenz der beiden schreibt, also die 7 unter 1 und 8 usw:
dann erhält man in der letzten Zeile eine Zahlenfolge, die symmetrisch ist. Insbesondere, weil ja links nach Definition eine 1 stand, muß in der letzten Zeile auch rechts eine 1 stehen.
Man kann nun zeigen, dass diese rechts unten stehende 1 logisch äquivalent dazu ist, dass die ursprünglichen Wechselsummen (je nach Dimension) 2 oder 0 waren. Man hat also die dimensionsabhängige Aussage „die Wechselsumme ist 0 oder 2“ durch die logisch äquivalente und nicht dimensionsabhängige Aussage „im Dreieck steht rechts unten eine 1“ ersetzt.
Die Symmetrie der letzten Zeile ist aber natürlich ein viel stärkeres Ergebnis als nur dass rechts unten eine 1 steht. Man hat also noch eine viel stärkere und sehr gut versteckte Symmetrie der Kennzahlen von triangulierten Polytopen gefunden. (Dieser Satz geht auf Dehn und Sommerville zurück.)
Diese Geschichte sehr viel ausführlicher erzählt das letzte Numberphile-Video mit June Huh:
Neben der Symmetrie erkennt man noch ein weiteres Muster in der letzten Zeile: die Folge wächst in der ersten Hälfte der Zeile, in der zweiten Hälfte fällt sie. (Solche Folgen nennt man unimodal.) Dass die Folge in der letzten Zeile (für triangulierte Sphären) IMMER unimodal ist, ist eine unbewiesene Vermutung, die „g-Vermutung“.
June Huh hat zwar noch nicht diese Vermutung, aber vor einigen Jahren eine scheinbar ähnliche Vermutung bewiesen: er zeigte, dass die Koeffizienten des chromatischen Polynoms eines Graphen immer eine unimodale Folge bilden. Die g-Vermutung sieht auf den ersten Blick zunächst eigentlich einfacher aus, ist aber noch offen.
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