Ähnlich war es auch in der Mathematik. Dort hatten zunächst „Idealisten“ wie Bieberbach, Tornier und Teichmüller das Sagen und insbesondere Bieberbach versuchte, eine „Deutsche Mathematik“ auf Basis einer rassenbasierten Typologie von „Stilarten mathematischen Schaffens“ zu begründen. Aber noch in den 30er Jahren verlor Bieberbach wieder an Einfluß, Tornier wurde in Berlin sogar vorzeitig pensioniert, und als einflußreichster Mathematiker im Führerstaat etablierte sich Helmut Hasse, der zwar Nazi war, aber Algebraiker und im Sinne der Bieberbachschen Typentheorie wohl eher einer „jüdischen Mathematik“ zuzuordnen wäre. Die meisten in Deutschland verbliebenen Mathematiker, selbst vehemente Antisemiten wie etwa Blaschke, standen eher Hasse als Bieberbach nahe. Offenkundig ging es den meisten von ihnen nicht um eine “deutsche Mathematik”, die sie eher als eine esoterische Verirrung ansahen, sondern es war ihnen nur darum gegangen, mit den politischen Veränderungen die jüdische Konkurrenz loszuwerden. Und nach dem Krieg waren dann freilich nur die Protagonisten der “Deutschen Mathematik” die Bösen gewesen und alle anderen hatten nur in schwieriger Zeit das Bestmögliche zu erreichen versucht. (Ein Narrativ, dass sich beispielsweise noch in Texten von Heinrich Behnke aus den 70er Jahren findet.)
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