Als Dirichlet-Reihen bezeichnet man Funktionen der Art . Für die konstante Funktion f=1 bekommt man beispielsweise die Riemannsche Zetafunktion, deren Nullstellen einem Informationen über die Verteilung der Primzahlen geben.
Wenn f multiplikativ ist, also f(mn)=f(m)f(n) für alle m und n gilt, kann man F als „Euler-Produkt“ über alle Primzahlen zerlegen: . Für den Fall der Riemannschen Zetafunktion geht das auf Euler zurück.
Weil die Riemannsche Zetafunktion in s=1 – wegen der Divergenz der harmonischen Reihe – eine Polstelle hat, folgt aus Eulers Produktformel die Existenz unendlich vieler Primzahlen.
Dirichlet hatte mit den von ihm eingeführten Dirichlet-Reihen gezeigt, dass jede arithmetische Folge an=kn+d (mit teilerfremden k,d) unendlich viele Primzahlen enthält. Es gibt also jeweils unendlich viele Primzahlen, die auf 1,3,7 oder 9 enden. Dirichlets Beweis benutzte spezielle Dirichlet-Reihen, sogenannte L-Reihen. Für diese betrachtet man einen Charakter der multiplikativen Gruppe von Z/kZ, also einen Homomorphismus χ:(Z/kZ)x —> C* (für eine Primzahl k=p entspricht das der Wahl einer p-ten Einheitswurzel), und definiert dann .
Für den trivialen Charakter χ0 ist L(s,χ0) ein Vielfaches der Riemannschen Zetafunktion und man hat in s=1 eine Polstelle. Für alle anderen Charaktere ist L(1,χ)≠0 und das spielt eine wesentliche Rolle in Dirichlets Beweis seines Primzahlsatzes über unendliche viele Primzahlen der Form kn+d. Dieser Beweis verwendet die Formel
,
aus der für s=1 wegen der Polstelle von L(s,χ0) und wegen L(1,χ)≠0 für alle anderen χ folgt, dass die rechte Seite für s=1 divergiert. Damit divergiert die linke Seite , andererseits kann man aber leicht zeigen, dass
beschränkt ist und konvergiert. Damit muß die Divergenz durch den Summanden bei r=1 verursacht sein, also
. Insbesondere gibt es unendlich viele solcher Primzahlen.
Eine andere Verallgemeinerung der Riemannschen Zetafunktion ζ ist die (von Dedekind in einem Anhang zu seiner Ausarbeitung von Dirichlets Vorlesungen eingeführte) Dedekindsche Zetafunktion ζK eines Zahlkörpers K. Die definiert man als Summe von 1/N(a)s, wobei a alle Ideale des Ganzheitsrings OK durchläuft und N(a) die Norm des Ideals ist. Es handelt sich also um die Dirichlet-Reihe, deren Koeffizient f(n) die Anzahl von Idealen der Norm n ist.
Für K=Q, OK=Z bekommt man die Riemannsche Zetafunktion. Im Fall abelscher Erweiterungen von Q hat man eine Formel , wobei das Produkt über eine gewisse K zugeordnete Menge von Charakteren gebildet wird. Man kann damit in manchen Fällen Eigenschaften der Riemannschen Zetafunktion auf die Dedekindsche Zetafunktion übertragen. Für beliebige Zahlkörper wußte man aber zur Jahrhundertwende nur, dass lims—>1(s-1)ζK(s) durch die Klassenzahl von OK ausgedrückt werden kann (Klassenzahlformel).
Man kann Dirichlet-Reihen allgemeiner definieren als Reihen der Form . Für λn=log(n) bekommt man obige Dirichlet-Reihen, für λn=-n nach der Substitution s=log(z) die klassischen Potenzreihen der Funktionentheorie. Für letztere hatten Vivanti und Pringsheim unter der Annahme nichtnegativer Koeffizienten bewiesen, dass der reelle Punkt auf dem Rand des Konvergenzkreises stets eine Polstelle ist.
Edmund Landau bewies die analoge Eigenschaft dann für völlig beliebige Dirichlet-Reihen: es gibt eine reelle Zahl σ0<1 so, dass die Reihe für alle s mit Re(s)>σ0 konvergiert und für alle s mit Re(s)< σ0 divergiert, und im reellen Punkt s=σ0 hat die Reihe eine Polstelle. Daraus folgt dann leicht, dass L(1,χ)≠0.
Darauf aufbauend fand Landau zunächst einen neuen Beweis des Primzahlsatzes, für den er nur die Fortsetzbarkeit (und das Nichtverschwinden) der Riemannschen Zetafunktion „etwas über die Gerade Re(s)=1“ hinaus, aber nicht auf gesamte komplexe Ebene (und somit auch nicht die von Hadamard entwickelte Theorie wie die Funktionalgleichung und die Produktdarstellung der Zetafunktion) benötigte. Diesen Beweis konnte er dann auch auf die Dedekindsche Zetafunktion ζK - für die die Fortsetzbarkeit auf die gesamte komplexe Ebene damals noch nicht bekannt war - anwenden und so die Verallgemeinerung des Primzahlsatzes auf Zahlkörper beweisen: die Anzahl der Primideale der Norm kleiner x ist in einem beliebigen Zahlkörper K approximativ x/log(x).
Die Idee für den Beweis des Primidealsatzes hatte Landau bereits 1900 in einem Brief an Hilbert skizziert. In seiner 1901 bei Frobenius eingereichten Habilitationsschrift hatte er die notwendige Theorie der Dirichlet-Reihen entwickelt, insbesondere eben die Fortsetzbarkeit auf eine größere Halbebene. Im Falle der Dedekindschen Zetafunktion eines Zahlkörpers K bewies er die Fortsetzbarkeit auf die Halbebene Re(s)>1-1/[K:Q]. (Die Fortsetzbarkeit auf die gesamte komplexe Ebene wurde 1917 von Hecke bewiesen.) Das war ein wichtiges Werkzeug, aber der Beweis des Primidealsatzes benötigte natürlich zahlreiche weitere Abschätzungen, die er in der Folge bewies. Der gesamte Beweis wurde schließlich 1903 unter dem Titel Neuer Beweis des Primzahlsatzes und Beweis des Primidealsatzes in den Mathematische Annalen veröffentlicht.
Bild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Edmund_Landau.jpg
Kommentare (1)