Cantors eineindeutige Abbildung einer Quadratseite auf ein Quadrat und erst recht die raumfüllenden Kurven von Peano und Hilbert hatten klar gemacht, dass Dimension ein schwieriger Begriff ist. Trotzdem war man weiter davon ausgegangen, dass es keinen Homöomorphismus einer Gerade auf die Ebene geben könne und allgemeiner keinen Homöomorphismus zwischen Mannigfaltigkeiten unterschiedlicher Dimension. Ein Beweis gelang aber erst Brouwer. In der 1911 in den Mathematischen Annalen veröffentlichten Arbeit Beweis der Invarianz der Dimensionenzahl gab er ein einfaches Argument, welches den von ihm definierten Abbildungsgrad und implizit die topologische Invarianz der Bettizahlen benutzte. Später formulierte James Alexander den Beweis einfacher als eine direkte Anwendung der Homologiegruppen: für eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit M und einen beliebigen Punkt x gilt . Daraus folgt unmittelbar, dass für n ≠ m eine n-dimensionale nicht zu einer m-dimensionalen Mannigfaltigkeit homöomorph sein kann.
In zwei weiteren ebenfalls 1911 in den Mathematischen Annalen veröffentlichten Arbeiten verwendete Brouwer den Abbildungsgrad und die simpliziale Approximation, um die höher-dimensionale Version des Jordanschen Kurvensatzes und den Fixpunktsatz für Abbildungen f:Dn—->Dn zu beweisen. Auch diese beiden Beweise formulierte man später noch einfacher als unmittelbare Anwendungen der Homologiegruppen.
Die höher-dimensionale Version des Jordanschen Kurvensatzes besagt, dass eine in die Sn eingebettete Sn-1 diese in zwei Zusammenhangskomponenten zerlegt. Weil für Mannigfaltigkeiten Zusammenhangskomponenten und Wegzusammenhangskomponenten dasselbe sind, ist sie äquivalent zu . Bei Verwendung reduzierter Homologie ist das ein Spezialfall der allgemeinen Formel
, die man durch Induktion nach k mit Hilfe der Mayer-Vietoris-Sequenz - die Brouwer natürlich noch nicht kannte - beweisen kann.
Einen ebenfalls sehr einfachen Beweis hat man heute für den Brouwerschen Fixpunktsatz. Wenn eine Abbildung f:Dn—>Dn keinen Fixpunkt hat, dann kann man mit ihrer Hilfe eine Retraktion r:Dn—>Sn-1 konstruieren, für die also die Verknüpfung mit der Einbettung i:Sn-1—>Dn die Identität auf Sn-1 gibt. Auf dem Level der n-1-ten Homologiegruppen bekommt man Homomorphismen Z—>0—>Z, deren Verknüpfung die Identität ist, und das ist natürlich unmöglich. Diese einfacheren Beweise konnte Brouwer nicht finden, weil zu seiner Zeit nur mit den Betti-Zahlen und noch nicht mit den Homologiegruppen und deren Funktoreigenschaft gearbeitet wurde. Deshalb mußte er seine Beweise unter Verwendung des Abbildungsgrades führen.
Nach Erscheinen von Brouwers Beweis der Dimensionsinvarianz behauptete Lebesgue, dass dieser bereits aus der (offensichtlichen) topologischen Invarianz der von ihm für beliebige Räume definierten Überdeckungsdimension folge. Tatsächlich war aber Lebesgues Argument für das Übereinstimmen seines Dimensionsbegriffs mit der Dimension von Mannigfaltigkeiten unvollständig und Brouwer bewies die Gleichheit dieser beiden Dimensionsbegriffe erst zwei Jahre später. Brouwers ursprünglicher Beweis der Dimensionsinvarianz war aber ohnehin der einfachere.
Bild: https://en.wikipedia.org/wiki/File:Luitzen_Egbertus_Jan_Brouwer.jpeg
Kommentare (29)