Der Riemannsche Abbildungssatz behauptet, dass man jedes einfach zusammenhängende Gebiet biholomorph (komplex differenzierbar mit einer komplex differenzierbaren Umkehrabbildung) auf die Einheitskreisscheibe abbilden kann, und – falls der Rand des Gebietes eine Jordankurve ist – diese Abbildung stetig auf den Rand fortgesetzt werden kann. Er ist nach Riemann benannt, auch wenn dieser keinen nach heutigen Maßstäben vollständigen mathematischen Beweis für den Satz hatte. (Riemann benötigte diesen Satz, um die Existenz meromorpher Funktionen mit vorgegebenen Perioden und gegebenen Polstellen und Hauptteilen zu beweisen, worauf große Teile seiner Funktionentheorie aufbauen.)
Für die obere Halbebene {z=x+iy: y>0} kann man die Abbildung auf die Einheitskreisscheibe explizit angeben: f(z)=(z-i)/(z+i). (Hier ist der Rand keine Jordankurve. Man kann die Abbildung trotzdem stetig auf den Rand fortsetzen, sie ist aber kein Homöomorphismus.)
Aber schon für ein Quadrat kann man die Abbildung nicht explizit mittels elementarer Abbildungen hinschreiben.
Riemanns Ansatz war auch nicht geometrisch, etwa mittels immer feinerer Diskretisierungen, sondern analytisch, indem er das Problem auf ein Randwertproblem der Potentialtheorie zurückführte.
Um die gewünschte Funktion f:G—>D2 zu finden, setzte er f(z)=(z-z0)eg(z) für eine holomorphe Funktion g(z)=u(z)+iv(z) an, wobei z0 die (einzige) Nullstellensatz sein soll.
Für Randpunkte z∈∂G soll sein, was sich in die Bedingung
übersetzt. Als Realteil einer holomorphen Funktion muss u harmonisch sein, d.h. Δu=0 erfüllen.
Damit hatte er das Problem darauf reduziert, eine harmonische Funktion u mit gegebenen Randwerten u(z) für z∈∂G zu finden, denn eine holomorphe Funktion ist (wegen der Cauchy-Riemann-Gleichungen) durch ihren Realteil bereits eindeutig festgelegt. (Aus dem Maximumprinzip für die harmonische Funktion u folgt, dass f tatsächlich das Innere von G auf das Innere der Einheitskreisscheibe abbildet. Man kann leicht zeigen, dass f jeden Wert gleich oft annimmt. Es ist also injektiv, weil es außer z0 keine weiteren Nullstellen geben kann. Die Umkehrfunktion ist dann auch holomorph, und Surjektivität folgt automatisch aus Injektivität und Biholomorphie.)
Die Suche nach Lösungen (mit vorgegebenen Randwerten) von Δu=0 für den Laplace-Operator gehört in die Potentialtheorie. Für die Kreisscheibe und andere Gebiete mit glattem Rand hatte George Green die Lösungen explizit konstruieren können. Die Lösbarkeit für beliebige einfach zusammenhängende Gebiete hatte Dirichlet kurz vor seinem Tod postuliert.
Das Dirichlet-Prinzip erscheint anschaulich klar: man wußte seit Euler, dass die minimierenden Funktionen des Funktionals harmonische Funktionen sind. Da das Funktional stets positiv ist, sollte es (unter den Funktionen mit den gegebenen Randwerten) ein Minimum haben, was die Existenz einer harmonischen Funktion mit den gegebenen Randwerten beweisen würde.
Dass ein solches Argument nicht funktioniert, hatte Weierstrass anhand eines anderen (nicht in der Potentialtheorie vorkommenden) Funktionals gezeigt, das ebenfalls nur positive Werte annimmt, aber aus bestimmten Gründen kein Minimum haben kann. Und Hadamard hatte später sogar Randwerte angegeben, für die das im Dirichlet-Problem betrachtete Funktional kein Minimum hat, obwohl es zu diesen Randwerten aber harmonische Funktionen gibt.
Man kann das Dirichlet-Prinzip auch physikalisch interpretieren: eine harmonische Funktion beschreibt das elektrostatische Potential in einem ladungsfreien Raum, man will also zu vorgegebenen Randwerten (d.h. bekanntem Potential auf dem Rand der Fläche) das elektrostatische Potential im Inneren finden. Aus Physiker-Sicht scheint die Lösbarkeit dann eine Selbstverständlichkeit. Man läßt einen Strom durch den Leiter (den Rand der Fläche) fließen und das sich im Inneren einstellende elektrostatische Potential ist die gesuchte Lösung der Laplace-Gleichung. Poincaré verarbeitete dieses Beispiel in seinem wissenschaftsphilosophischen Buch „Der Wert der Wissenschaft“, im Kapitel über ‘Anschauung und Logik in der Mathematik’:
“Ich wähle als zweites Beispiel das dirichletsche Prinzip, auf dem so viele Theorien der mathematischen Physik fußen; heute begründet man es durch sehr strenge, aber auch sehr lange Schlußfolgen, früher begnügte man sich mit einem summarischen Beweis. Ein gewisses Integral, das von einer willkürlichen Funktion abhängig ist, kann niemals gleich Null werden. Man schloß daraus, daß es einen kleinsten Wert haben müsse. Der Fehler dieser Folgerung zeigt sich uns sofort, da wir den abstrakten Ausdruck Funktion gebrauchen und da wir vertraut sind mit all den Singularitäten, die die Funktionen aufweisen können, wenn man das Wort in seiner allgemeinen Bedeutung nimmt.
Es wäre nicht so, wenn man sich konkreter Bilder bediente, wenn man zum Beispiel diese Funktion als elektrische Spannung betrachtete; man hätte für erlaubt gehalten zu behaupten, daß das elektrostatische Gleichgewicht erreicht werden wird. Vielleicht aber hätte ein physikalischer Vergleich doch einiges Mißtrauen erweckt. Wenn man sich aber bemüht hätte, diese Folgerung in die Sprache der Geometrie, der Vermittlerin zwischen der Sprache der Analysis und der Sprache der Physik, zu übertragen, so hätten sich diese Zweifel sicher nicht gezeigt, und vielleicht könnte man auf diese Weise sogar noch heute unbefangene Leser finden.”
1899 bewies Hilbert in einer fünf Seiten langen Arbeit, dass man alle Probleme im Beweis des Dirichlet-Prinzips umgehen kann, wenn man gewisse Regularitätsbedingungen an den Rand stellt und die Randbedingungen als stetig und beschränkt annimmt. Sein Beweis war in heutiger Sprache ein Kompaktheitssatz: für eine Folge von Funktionen, die das Infimum des Funktionals approximieren, bewies er die Existenz eines Grenzwerts – der dann klarerweise eine Lösung ist. (Harnack hatte schon früher den potentialtheoretischen Ansatz unter restriktiveren Bedingungen zum Erfolg gebracht.) In Harvard bewies Osgood 1900 den Abbildungssatz für beschränkte Gebiete mit beliebigem Rand, was aber in Europa zunächst nicht bekannt wurde.
Eng mit dem Abbildungssatz zusammen hängt der schon Anfang der 80er Jahre von Poincaré und Klein behauptete, aber nicht rigoros bewiesene, Uniformsierungssatz für algebraische Kurven: jede komplexe Kurve ist entweder eine rationale Kurve, oder eine elliptische Kurve, oder von der Einheitskreisscheibe mittels einer holomorphen Abbildung überlagert. (Weil die biholomorphen Abbildungen der Einheitskreisscheibe gerade die Isometrien der hyperbolischen Metrik sind, folgt daraus auch, dass jede komplexe Kurve vom Geschlecht g≥2 eine hyperbolische Metrik hat, während sie im Fall g=0 bzw. g=1 eine sphärische bzw. flache Metrik hat.)
Für den Beweis des Uniformisierungssatzes genügt der erste Teil des Abbildungssatzes, den man auf die universelle Überlagerung der komplexen Kurve anwendet, für die also eine biholomorphe Abbildung auf das Innere der Kreisscheibe konstruiert werden soll, man benötigt ihn aber für beliebige (nicht zu P1C oder C isomorphe) einfach zusammenhängende komplexe Kurven, nicht nur für Gebiete in der komplexen Ebene. Man benötigt nicht die stetige Forsetzbarkeit der Abbildung auf den Rand. Diesen für den Uniformisierungssatz ausreichenden Teil des Abbildungssatzes bewiesen Koebe und einige Monate später Poincaré 1907 unabhängig voneinander. Nachdem dank Hilbert der Abbildungssatz für Gebiete mit Rand unter gewissen Regularitätsbedingungen bewiesen war, war der Ansatz, ein offenes Gebiet durch Gebiete mit diesen Regularitätsbedingungen genügendem Rand zu approximieren. (Die Möglichkeit einer solchen Ausschöpfung bewies der Numeriker Carl Runge.) Für die Teilmengen hat man biholomorphe Abbildungen auf den Einheitskreis bzw. auch auf etwas kleinere Kreise, deren Radius gegen 1 konvergiert. Die Folge dieser Abbildungen soll dann (nach Wahl einer Teilfolge) lokal gleichmäßig gegen eine Abbildung auf den Einheitskreis konvergieren, die wieder biholomorph ist. (Für g=0 und g=1 folgt der Uniformisierungssatz aus dem Satz von Riemann-Roch.) Koebe gab in den folgenden Jahren weitere Beweise wie auch zahlreiche Anwendungen und Verbesserungen.
Die allgemeinst-mögliche Version des Abbildungssatzes, also die stetige Fortsetzbarkeit der Abbildung falls der Rand eine Jordan-Kurve ist, bewies schließlich 1912 Constantin Carathéodory, die Arbeit Über die gegenseitige Beziehung der Ränder bei der konformen Abbildung des Inneren einer Jordanschen Kurve auf einen Kreis wurde ein Jahr später in den Mathematischen Annalen veröffentlicht. Sein Beweis gab auch die Lösung des Dirichlet-Problems für Jordankurven als Rand, dieses ist also äquivalent zum Abbildungssatz.
Das höher-dimensionale Analog des Abbildungssatzes ist selbst in der topologischen Kategorie nicht korrekt, es gibt also nicht immer einen Homöomorphismus auf die Kugel. Vermutlich deshalb gibt es wohl auch im 2-dimensionalen Beweise keine rein topologischen Beweise für den Homöomorphismus auf die Kreisscheibe.
Ein geometrischer Beweis des Abbildungssatzes mittels immer feinerer Kreispackungen wurde erst kurz vor Ende des Jahrhunderts von He und Schramm gefunden.
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