Algebraische Zahlen (reelle Zahlen, die Nullstelle eines Polynoms mit ganzzahligen Koeffizienten sind) bilden eine abzählbare Menge, die reellen Zahlen hingegen nach Cantor eine überabzählbare. Es müssen also die meisten reellen Zahlen transzendent (nicht algebraisch) sein. Trotzdem ist es sehr schwer, konkrete transzendente Zahlen zu konstruieren.
Liouville bewies 1844, dass algebraische Zahlen schlecht durch rationale Zahlen approximiert werden können: zu einer irrationalen, algebraischen Zahl x vom Grad n (d.h. Nullstelle eines ganzzahligen Polynoms vom Grad n>1) gibt es eine Konstante c(x), so dass für alle rationalen Zahlen p/q gilt.
Das war ein Konverses zu dem zwei Jahre zuvor von Dirichlet mit dem Schubfachprinzip bewiesenen Satz, dass es zu jeder irrationalen Zahl x unendlich viele rationale Zahlen p/q mit gibt und dass irrationale Zahlen durch diese Eigenschaft charakterisiert werden können. Dirichlets Motivation für den Beweis dieser Ungleichung war, aus ihr die Existenz nichttrivialer ganzzahliger Lösungen der Pellschen Gleichung x2-ny2=1 für Nicht-Quadratzahlen n folgern zu können. Hurwitz verbesserte die Ungleichung 1891 noch zu
und er bewies, dass dies optimal ist. Für algebraische Zahlen vom Grad 2 ist also
die bestmögliche Konstante in Liouvilles Theorem.
Man kann mithin die Transzendenz einer Zahl beweisen, indem man zeigt, dass sie sich besser als von Liouvilles Theorem erlaubt durch rationale Zahlen approximieren läßt. Mit dieser Methode fand Liouville das erste Beispiel einer transzendenten Zahl, nämlich . Sein Beweis der Approximierbarkeit benutzte als "Hilfsfunktion" das Minimalpolynom der putativ algebraischen Zahl. Mit einem ähnlichen Ansatz, aber komplizierteren Hilfsfunktionen, bewies später Hermite die Transzendenz von e und Lindemann die Transzendenz von π.
Axel Thue verbesserte Liouvilles Satz 1909 dahingehend, dass er den Exponenten n durch n/2+1+δ für beliebig kleines δ ersetzen konnte. Er verwendete dies um zu zeigen, dass es für ein homogenes irreduzibles Polynom vom Grad d≥3 nur endlich viele ganzzahlige Lösungen gibt.
Carl Ludwig Siegel hatte sich in Berlin 1915 zunächst für Astronomie eingeschrieben, dann aber die Zahlentheorie-Vorlesung von Frobenius gehört und im dritten Semester ein Seminar bei Schur besucht, wo er von Thues Beweis hörte. Er las diese Arbeit, machte sich eine Ausarbeitung und konnte durch Einführung eines neuen Parameters zu seiner Verwunderung eine Verbesserung beweisen. Schur allerdings verstand seine nur vier Seiten kurze Abhandlung nicht. 1917 wurde Siegel zum Militär einberufen und verbrachte daraufhin mehr als ein Jahr in der Psychiatrie, wo er erst durch den Einsatz von Edmund Landau bzw. dessen Vater wieder herauskam. (Landaus Vater war in Berlin ein einflußreicher Arzt, dessen Villa am Pariser Platz zum Einzugsbereich von Siegels Vater, der als Briefträger arbeitete, gehörte. Dadurch hatte Landau Siegels Weg schon länger verfolgt.) Er setzte sein Studium dann in Göttingen fort und reichte seine im dritten Semester geschriebene Arbeit bei Landau als Dissertation ein. Landau hatte zunächst (vor der Einberufung) eine sechsseitige Neufassung von Siegels Text mit einer Wahrscheinlichkeit von 15% für richtig gehalten, nach Siegels Neuimmatrikulation in Göttingen das auf 40 Seiten angewachsene Manuskript dann aber mit 90% Wahrscheinlichkeit für richtig erklärt und als Dissertation angenommen. Siegel mußte bis zur Doktorprüfung 1920 aber noch verschiedene Fehler in der Arbeit korrigieren.
Der von Siegel bewiesene Satz verbesserte Thues Exponenten zu
, was insbesondere kleiner als
ist. Man hat also für eine irrationale algebraische Zahl vom Grad n nur endlich viele rationale Zahlen p/q mit
. Er verallgemeinerte dies auch noch auf Approximationen über anderen Zahlkörpern als Q.
Wie zuvor schon Thue entwickelte Siegel in den folgenden Jahren zahlreiche Anwendungen des Approximationssatzes auf Gleichungen in ganzen Zahlen. Beispielsweise: für jedes ganzzahlige Polynom f, das nicht lauter gleiche Wurzeln hat, strebt der größte Primteiler von f(x) mit x gegen Unendlich. (Das war zuvor von Polya für f(x)=x2+k2 mit k≠0 bewiesen worden.) Am berühmtesten wurde seine Arbeit von 1929, die bewies, dass eine Kurve mit rationalen Koeffizienten und vom Geschlecht g≥1 nur endlich viele ganzzahlige Punkte haben kann.
Kommentare (1)