Lagrange und vor allem Gauß hatten sich mit der Frage befaßt, welche ganzen Zahlen durch eine gegebene ganzzahlige, binäre, quadratische Form ax2+bxy+cy2 dargestellt werden können, und sie hatten auch einige Resultate für ganzzahlige quadratische Formen in mehr als zwei Variablen erzielt. Abschließende Resultate gab es dort aber nicht und selbst die abschließende Behandlung der binären Formen in Gauß‘ Disquisitiones Arithmeticae hatte kein geschlossenes Resultat ergeben, sondern eine getrennte Untersuchung aller verschiedenen Äquivalenzklassen quadratischer Formen. Helmut Hasse schrieb deshalb in der Einleitung seiner 1921 erschienenen Dissertation, dass vom zahlentheoretischen Standpunkt aus die Darstellbarkeit ganzer Zahlen das Hauptinteresse verdiene, dass man aber für die Darstellbarkeit rationaler Zahlen durch rationale quadratische Formen eine einheitlichere und einfachere Darstellung finden könne und man deshalb diese unabhängig von der Frage der ganzzahligen Darstellbarkeit bearbeiten solle.
Für rationale quadratische Formen hatte Hermann Minkowski schon 1890 bewiesen, dass zwei quadratische Formen genau dann über Q äquivalent sind, wenn dies über R und modulo jeder Primzahlpotenz pr der Fall ist.
Für festes p lassen sich die verschiedenen Restklassengruppen Z/prZ in einer Gruppe organisieren, deren Quotientenkörper der Körper Qp der p-adischen Zahlen ist. Als Lokal-Global-Prinzip bezeichnet man die von Hasse in seiner Dissertation bewiesene Tatsache, dass quadratische Formen über Q genau dann äquivalent sind, wenn dies über R und allen Qp der Fall ist.
Ein einfaches auf dem Henselschen Lemma beruhendes Argument zeigt, dass das Lokal-Global-Prinzip zu Minkowskis Satz äquivalent ist. Hasse fand allerdings einen völlig neuen Beweis – er zitierte Minkowski nicht einmal – und konnte mit seinem Zugang nicht nur das Lokal-Global-Prinzip beweisen, sondern auch explizite Invarianten angeben, mit denen die Äquivalenz quadratischer Formen über Qp und damit auch über Q entschieden werden kann. Wenig später konnte er mit einer (nicht offensichtlichen) Verallgemeinerung seines Arguments das Lokal-Global-Prinzip auch für beliebige Zahlkörper und deren Vervollständigungen beweisen.
Das Konzept der p-adischen Zahlen für eine Primzahl p (k eine ganze Zahl und ai aus 0,...,p-1; für k=0 erhält man die ganzen p-adischen Zahlen) wurde Ende des 19. Jahrhunderts von Hasses späterem Doktorvater Kurt Hensel entwickelt, inspiriert von der Potenzreihenentwicklung algebraischer Funktionen: den Ring der Potenzreihen kann man als Vervollständigung des Funktionenkörpers nach einem Ideal (x-a) im Polynomring auffassen, und diese Ideale haben ähnliche Eigenschaften wie die Primideale in Z. Analog zur Vervollständigung des Funktionenkörpers durch Potenzreihen bietet es sich an, Vervollständigungen des Quotientenkörpers Q nach Idealen in Z zu betrachteten. (Analog zur Summation von Potenzreihenentwicklungen kann man formale Summen p-adischer Entwicklungen definieren. Beispielsweise ist 1/(1-p)=1+p+p2+... die formale Summe einer geometrischen Reihe. Die rationalen Zahlen Q entsprechen dann gerade denjenigen Summen
, für die die Folge der Koeffizienten schließlich periodisch wird.)
Allgemeiner definierte József Kürschák „Bewertungen“ von Körpern und die dazugehörigen Vervollständigungen. So wie man die reellen Zahlen R als Vervollständigung von Q bezüglich des Abstands erhält, so erhält man die p-adischen Zahlen Qp als Vervollständigung von Q bezüglich der Norm
für x=pna/b mit zu p teilerfremden ganzen Zahlen a,b. Alexander Ostrowski - ein aus Kiew stammender Marburger Student, der im ersten Weltkrieg als feindlicher Ausländer interniert wurde, aber auf Hensels Fürsprache weiter die Bibliothek des mathematischen Instituts nutzen konnte - bewies 1916, dass der reelle Absolutbetrag und die p-adischen Bewertungen die einzigen Bewertungen auf Q sind.
Die p-adische Metrik erlaubt es, von konvergenten Folgen und Reihen mit Koeffizienten in Qp zu sprechen. Manches ist mit dieser Metrik einfacher oder jedenfalls anders als man es von euklidischen metrischen Räumen gewöhnt ist. Weil man statt der Dreiecksungleichung die stärkere Ungleichung hat, ist eine Reihe genau dann konvergent, wenn die Summanden eine Nullfolge bilden. Die Geometrie der p-adischen Zahlen hat die ungewöhnliche Eigenschaft, dass Kreisscheiben entweder disjunkt oder konzentrisch (ineinander enthalten) sind.
Wenngleich Hensel mit seinen Methoden eine Reihe von Resultaten über Zahlentheorie und quadratische Formen beweisen konnten, bekam seine Theorie zunächst keine große Aufmerksamkeit, wozu vor allem sein falscher Beweis der Transzendenz von e mit p-adischen Methoden beitrug. (Er hatte ein Algebraizitätskriterium für Zahlen, das wörtlich mit dem Cauchy-Puiseuxschen Kriterium fur die algebraischen Funktionen einer Variablen übereinstimmte.) Ein Transzendenzbeweis mit p-adischen Methoden wurde erst mehr als achtzig Jahre später gefunden. (Immerhin diente aber der Körper der p-adischen Zahlen Ernst Steinitz als Rechtfertigung für die Entwicklung einer allgemeinen Körpertheorie, die nicht nur Zahlkörper und Funktionenkörper behandelt.)
Das änderte sich 1921 mit der Dissertation seines Doktoranden Helmut Hasse, die das Lokal-Global-Prinzip für quadratische Formen etablierte. Das Lokal-Global-Prinzip besagt, dass zwei quadratische Formen über Q genau dann äquivalent sind (und insbesondere dieselben rationalen Zahlen darstellen), wenn dies über R und allen Qp der Fall ist. Die Lösbarkeit einer Gleichung in den p-adischen oder reellen Zahlen zu entscheiden, ist erheblich einfacher als in den rationalen Zahlen. Für reelle Lösungen gab es solche Kriterien schon seit Jahrhunderten und für die p-adischen Zahlen liefert Hensels Hebungslemma Kriterien und ein (dem Newton-Verfahren für reelle Lösungen verwandtes) Verfahren zum Auffinden p-adischer Lösungen.
Für den Beweis des Lokal-Global-Prinzips gibt es zunächst zwei elementare Reduktionen. Zum einen sind quadratische Formen genau dann äquivalent, wenn sie dieselben Zahlen darstellen. Zum anderen kann man das Problem auf die Darstellbarkeit der Null (allerdings für eine andere Form) reduzieren:
Für eine rationale Zahl m≠0 und eine quadratische Form in n Variablen f gibt es genau dann eine rationale Lösung von f(x1,...,xn)=m, wenn die quadratische Form in n+1 Variablen F=f-mxn+12 eine rationale Lösung von F(x1,...,xn+1)=0 hat. Damit kann man den Beweis des Lokal-Global-Prinzips auf die Frage nach der Darstellbarkeit der 0 (für quadratische Formen in n+1 Variablen) reduzieren.
Für n=1 und n=2 war das Lokal-Global-Prinzip schon vor Hasse bekannt gewesen:
- es folgt unmittelbar aus der Primzerlegung (für Zähler und Nenner der rationalen Zahl), dass eine rationale Zahl genau dann eine Quadratzahl ist, wenn das in R und in allen Qp der Fall ist, denn dann ist sie positiv und alle in Zähler oder Nenner vorkommenden Primzahlen kommen in gerader Anzahl vor. Damit kann man leicht den Fall n=1 beweisen.
- ein klassischer Satz von Legendre gibt hinreichende und notwendige Bedingungen für die Lösbarkeit von ax2+by2+cz2=0 in rationalen Zahlen: a,b,c müssen unterschiedliche Vorzeichen haben und -bc,-ac,-ab müssen quadratische Reste modulo der Absolutbeträge von a,b,c sein. Die erste Bedingung ist natürlich äquivalent zur Lösbarkeit in reellen Zahlen. Die zweite Bedingung ist äquivalent zur Lösbarkeit in p-adischen Zahlen für alle Primzahlen p, wie Hasse von Hensel lernte. Hensel hatte p-Varianten des Legendre-Symbols und Hilbert-Symbols definiert, mit denen er Legendres Beweis der Darstellbarkeit nachvollziehen konnte.
Für n=3 und n=4 fand Hasse neue Invarianten und mittels dieser Kriterien, die notwendig und hinreichend für die Darstellbarkeit der Null sind.
Für n>4 wurde es viel einfacher, denn hier war die 0 - wie Hasse mit einem kurzen Argument durch Rückführung auf n=4 bewies - über den p-adischen Zahlen immer darstellbar (und über den reellen genau dann, wenn die Form indefinit ist), und mit einem analogen Argument funktioniert diese Darstellbarkeit der 0 auch über den rationalen Zahlen. (Ein wesentliches Ingredient im Beweis für n≥3 war der Satz von Dirichlet, dass es in jeder teilerfremden arithmetischen Reihe eine Primzahl gibt.)
Hasses Beweis verwandte bekannte und neue Invarianten zur Klassifikation quadratischer Formen über Q.
Um diese zu definieren, verwendete er, dass jede quadratische Form über Q äquivalent zu einer Form ist. (Das ist der Trägheitssatz von Sylvester, der allgemein über Körpern der Charakteristik char(K)≠2 gilt.) Dann ist neben der Anzahl der Variablen n zunächst die Diskriminante
eine bekannte Invariante.
Weiterhin sind quadratische Formen über R durch die Signatur (die Anzahl der negativen ai) klassifiziert. Neu war Hasses Klassifikation der quadratischen Formen über p-adischen Zahlen Qp (und deren algebraischen Erweiterungen). Diese werden durch ihre als Produkt von Hilbert-Symbolen der Koeffizienten definierte Hasse-Invariante klassifiziert. (Das Hilbert-Symbol (a,b)p nimmt per Definition den Wert 1 oder -1 an, je nachdem ob z2=as2+by2 in Qp lösbar ist oder nicht.)
Diese Invarianten sind nicht unabhängig: das Vorzeichen der Diskriminante ist durch die Signatur festgelegt, und die Hilbert-Symbole genügen der Produktformel (wobei p=∞ den reellen Zahlen entspricht). Hasse zeigte, dass diese reellen und p-adischen Invarianten gemeinsam bereits die quadratischen Formen über Q klassifizieren, was das Lokal-Global-Prinzip beweist.
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