„Alle Quantenzahlen sind Kennzeichen von Gruppendarstellungen“ – mit diesem Postulat pflegte Hermann Weyl die Bedeutung der Gruppentheorie, besonders der Darstellungstheorie unitärer Gruppen auf Hilberträumen, in der Quantenmechanik zu betonen.

Die Darstellungstheorie kompakter Gruppen wurde in den 20er Jahren vor allem von Hermann Weyl ausgearbeitet, aufbauend auf der von Élie Cartan entwickelten Darstellungstheorie einfacher Lie-Gruppen.
Am einfachsten ist die Darstellungstheorie abelscher Gruppen: irreduzible, komplexe Darstellungen abelscher Gruppen sind nach Schurs Lemma stets 1-dimensional.
Das erste Beispiel einer nichtabelschen, kompakten Lie-Gruppe ist die spezielle unitäre Gruppe SU(2). Deren differenzierbare Darstellungen kann man aus denen der SL(2,C) gewinnen: die Lie-Algebra sl(2,C) ist die Komplexifizierung der Lie-Algebra su(2), die Darstellungen der su(2) entsprechen also den komplexen Darstellungen der sl(2,C), die – wie die komplexen Darstellungen aller halbeinfachen Lie-Algebren – von Élie Cartan durch den Satz vom höchsten Gewicht klassifiziert wurden. (Und die Darstellungen der Lie-Algebra entsprechen wieder 1:1 den differenzierbaren Darstellungen der zugehörigen einfach zusammenhängenden Lie-Gruppe.)

Dieser Ansatz läßt sich nicht auf alle kompakten Lie-Gruppen ausdehnen, weil die Komplexifizierung ihrer Lie-Algebra nicht immer halbeinfach ist.
Es gibt aber einen anderen, verallgemeinerungsfähigen Ansatz, mit dem man beweisen kann, dass es neben den Einschränkungen von Darstellungen der SL(2,C) keine weiteren Darstellungen der SU(2) geben kann. Dieser geht wie folgt.
Sei Vn die irreduzible n-dimensionale Darstellung der SU(2), die man durch Einschränkung der irreduziblen n-dimensionalen Darstellung der SL(2,C) erhält. Sei A die Untergruppe der Diagonalmatrizen, die ja alle von der Form diag(exp(it),exp(-it)) mit reellem t sind. Bezeichne κn(t) den Charakter von diag(exp(it),exp(-it)), also die Spur des Bildes in der Darstellung auf Vn.
Dann hat man eine Rekursionsformel κn(t)=cos(nt)+κn-1(t)cos(t). Die Charaktere κn(t) spannen also den von 1,cos(t),…,cos(nt),… erzeugten Unterraum von L2(A)=L2(S1) auf.
Gäbe es eine weitere irreduzible Darstellung der SU(2), müßte die Einschränkung ihres Charakters auf A wegen der Schur-Orthogonalitätsrelationen – die allgemein für kompakte Gruppen gelten – orthogonal zu 1,cos(t),…,cos(nt),… sein. Da diese Funktionen aber bereits einen dichten Unterraum von L2(S1) aufspannen, erhält man einen Widerspruch. Es kann also keine weiteren irreduziblen Darstellungen geben.

Zentral zur Verallgemeinerung dieses Ansatzes auf beliebige kompakte Gruppen ist der Satz von Peter-Weyl, den Hermann Weyl mit seinem früheren Studenten Fritz Peter 1926 bewies. Peter hatte 1923 in Göttingen in Physik promoviert und wurde dann Studienrat an der Schule Schloß Salem; die 1927 in den Mathematische Annalen veröffentlichte Arbeit „Die Vollständigkeit der primitiven Darstellungen einer geschlossenen kontinuierlichen Gruppe“ blieb neben der Dissertation seine einzige Veröffentlichung. Der Satz von Peter-Weyl besagt: die Matrixkoeffizienten (und sogar die Charaktere) irreduzibler Darstellungen erzeugen einen dichten Unterraum im Raum aller stetigen (und damit sogar der L2) Klassenfunktionen. (Eine Klassenfunktion ist eine unter jeder Konjugation h—>ghg-1 invariante komplex-wertige Funktion auf der kompakten Gruppe.)
Man hat also – wie im Beispiel der SU(2) – einen Ansatz, um zu überprüfen, ob eine gefundene Liste irreduzibler Darstellungen bereits alle irreduziblen Darstellungen liefert.

Als Korollar zum Satz von Peter-Weyl erhält man den (im Fall endlicher Gruppen als Frobenius-Reziprozität bekannten) Reziprozitätssatz für induzierte versus restringierte Darstellungen.
Ebenfalls als Korollar erhält man einen einfachen Beweis, dass jede kompakte Gruppe G linear ist (d.h. eine injektive Darstellung hat, also als Untergruppe von GL(n,C) realisiert werden kann). Beweis: für ein Element g der Gruppe G gibt es eine in g nicht verschwindende Klassenfunktion, nach dem Satz von Peter-Weyl also “nahebei” einen in g nicht verschwindenden Charakter einer Darstellung von G. Der gehört also zu einer Darstellung, deren Kern nicht ganz G ist. Auf den Kern dieser Darstellung wendet man das Argument dann erneut an und kommt nach endlich vielen Schritten zu einer injektiven Darstellung.
Für Matrixgruppen ergibt sich der Satz von Peter-Weyl bereits als einfache Anwendung des Satzes von Stone-Weierstrass. Aber man braucht eben zunächst den Satz von Peter-Weyl, um zu beweisen, dass jede kompakte Gruppe eine Matrixgruppe ist.

Auf Issai Schur geht die Idee zurück, dass man die (für Darstellungen der U(n) von Adolf Hurwitz betrachtete) invariante Integration auch für beliebige kompakte Gruppen zur Verfügung hat und damit insbesondere zu jeder Darstellung – durch Mittelung einer beliebigen Metrik über die Gruppenbahnen – stets eine invariante Metrik konstruieren kann. Damit sollte man Argumente aus der Darstellungstheorie endlicher Gruppen auf kompakte Gruppen übertragen können.
Aus der Konstruktion einer invarianten Metrik folgt insbesondere, dass jede Darstellung einer kompakten Gruppe äquivalent zu einer unitären Darstellung ist.
Mit diesem Trick bewiesen Peter und Weyl, dass man jede Darstellung einer kompakten Gruppe als direkte Summe irreduzibler Darstellungen zerlegen kann – zu jedem invarianten Unterraum hat man das wegen der Unitarizität invariante orthogonale Komplement – und dass die reguläre Darstellung einer kompakten Gruppe G auf L2(G) sich als direkte Summe aller irreduziblen Darstellungen von G zerlegt.
Die Matrixkoeffizienten irreduzibler, unitärer Darstellungen bilden damit eine Orthonormalbasis von L2(G) – für die Kreisgruppe S1=R/2πZ reproduziert das die klassische Zerlegbarkeit 2π-periodischer Funktionen in trigonometrische Reihen. 

Schur hatte auch vorgeschlagen, dass man mittels invarianter Integration Cartans Darstellungstheorie halbeinfacher Lie-Gruppen auf kompakte Gruppen übertragen könne. Das wurde von Weyl in den nächsten Jahren ausgearbeitet. Anders als Cartans infinitesimaler Ansatz über die Darstellungen der zugehörigen Lie-Algebren war Weyls Ansatz global und funktionierte dann (mit dem einige Jahre später von Haar konstruierten invarianten Maß) auch für stetige Darstellungen kompakter Gruppen, die nur das zweite Abzählbarkeitsaxiom erfüllen und zusammenhängend sein müssen. (André Weil zeigte später, dass das zweite Abzählbarkeitsaxiom nicht benötigt wird. Auch die Zusammenhangsbedingung ist nicht wirklich notwendig.)
Wie auch Cartan benutzte Weyl aber wesentlich die auf Killing zurückgehenden Konzepte der Wurzelsysteme und der zugehörigen Spiegelungsgruppen.
Jede kompakte Gruppe G hat einen maximalen Torus T, eindeutig bis auf Konjugation. Dieser spielt dann eine analoge Rolle wie die von Killing eingeführte (und von Weyl als Cartan-Unteralgebra bezeichnete) nilpotente, selbstnormalisierende Unteralgebra bei den einfachen Lie-Algebren.
Man bekommt wieder einen Satz vom höchsten Gewicht, allerdings mit einem etwas spezielleren Begriff integraler Gewichte. Die (endlich-dimensionalen) Darstellungen von G entsprechen dann den Darstellungen von T modulo der Wirkung einer gewissen (später als Weyl-Gruppe bezeichneten) Symmetriegruppe W.
Im Fall G=SU(n) ist T die Gruppe der Diagonalmatrizen (mit Spur 0 und Einträgen auf dem Einheitskreis), und W ist die auf den Diagonaleinträgen wirkende Permutationsgruppe Sn. Der Ring aller endlich-dimensionalen Darstellungen ist für G=SU(n) isomorph zum Polynomring C12,…,λn-1], wobei λ1 der kanonischen Darstellung von SU(n) auf V=Cn und λi der von dieser induzierten Darstellung auf dem i-fachen Tensorprodukt V⊗…⊗V entspricht.

Weyl fand schöne Formeln für Charaktere und Dimensionen der irreduziblen Darstellungen. Tatsächlich war seine Charakterformel, mit der man die Charaktere auf einem maximalen Torus berechnen kann, ein wichtiger Teil des Beweises zum Satz von Peter-Weyl gewesen. (Der Satz von Peter-Weyl ließe sich auch ohne die Charakterformel beweisen, für die Klassifikation der Darstellungen ist die Charakterformel aber zentral.) Und mit dem unitären Trick erklärte er den Zusammenhang zwischen der Darstellungstheorie einfacher und kompakter Gruppen auch konzeptuell.

Weyls 1928 geschriebenes Buch „Gruppentheorie und Quantenmechanik“ war dann so erfolgreich, dass manche Physiker von einer Gruppenpest sprachen.

Bild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Portrait_of_Hermann_Weyl_(1885-1955),_Mathematician_(2553692300).jpg

Kommentare (1)

  1. […] Lefschetzsche Fixpunktformel Der Fisher-Test Die Hauptsätze der Werteverteilungstheorie Der Satz von Peter-Weyl Das Artinsche Reziprozitätsgesetz Der Spektralsatz für unbeschränkte Operatoren Der Satz von […]