In der additiven Zahlentheorie will man zu einer Menge natürlicher Zahlen A und einer festen Anzahl s herausfinden, welche natürlichen Zahlen n sich als Summe von s Elementen aus A zerlegen lassen.
Klassisches Beispiel ist die Goldbach-Vermutung: jede gerade Zahl n≠2 soll Summe zweier Primzahlen sein. Hier ist s=2 und die Menge der Primzahlen. (Aus der Goldbach-Vermutung würde dann die ternäre Goldbach-Vermutung folgen, dass jede ungerade Zahl als Summe dreier Primzahlen zerlegt werden kann. Letzteres Problem wurde noch 1912 von Edmund Landau in seinem ICM–Vortrag als „unangreifbar“ bezeichnet.)
Ein weiteres Beispiel ist die Waringsche Vermutung: jede natürliche Zahl n kann als Summe von vier Quadratzahlen, neun Kubikzahlen, neunzehn Biquadraten, … zerlegt werden. (Hilbert hat 1909 bewiesen, dass eine solche endliche Zerlegungszahl für jeden Exponenten existiert, allerdings diese Anzahl s nicht explizit bestimmt.)
Ganz allgemein hat man für diese Art von Problemen einen analytischen Ansatz über Potenzreihen. Für gegebene s und A bezeichne r(n;s,A) die Anzahl der Möglichkeiten, n als eine Summe von s Elementen aus A zu zerlegen. Wenn wir die „erzeugende Funktion“ betrachten und ihre s–te Potenz bilden, dann ist der Koeffizient von xn in dieser Reihe gerade die Anzahl von Möglichkeiten, s in n Summanden aus A zerlegen. Also:
.
Die Koeffizienten einer Potenzreihe kann man mit Hilfe des Residuensatzes berechnen: in der komplexen Ebene gilt für eine auf dem Einheitskreis konvergente Potenzreihe stets
. So erhält man, wenn man Konvergenzfragen einmal ignoriert, die Formel
.
Im allgemeinen ist nicht klar, ob der Konvergenzradius von FA groß genug ist, um diese Formel anwenden zu können. Dieses Problem läßt sich vermeiden, wenn man (zu einer natürlichen Zahl N) die endliche Teilmenge von AN von A betrachtet, die nur die Elemente ≤ N aus A enthält. Für die entsprechende Anzahl rN und die erzeugende Funktion der Menge AN betrachtet hat man dann jedenfalls eine korrekte Formel .
Damit kann man rN für jedes N berechnen. Für n≤N ist rN(n;s,A)=r(n;s,A). Im Prinzip kann man also alle r(n;s,A) auf diese Weise berechnen. Das Problem dabei ist aber die Auswertung des Integrals über dem Einheitskreis. Für diese gibt es den Ansatz über die von Hardy und Littlewood entwickelte Kreismethode. Man zerlegt das Intervall in Bögen mit großen und kleinen Beiträgen zum Integral. Auf den „major arcs“ findet man eine Funktion, die bis auf Terme kleinerer Ordnung mit übereinstimmt und sich einfach integrieren läßt. Für die „minor arcs“ zeigt man, dass ihr Beitrag von kleinerer Ordnung ist.
Die ternäre Goldbach-Vermutung – die Frage, ob jede ungerade Zahl als Summe dreier Primzahlen zerlegt werden kann – entspricht eigentlich dem Fall s=3 und . Man wählt hier aber einen etwas anderen Ansatz. Man definiert die Mangoldt-Funktion durch Λ(pk)=log(p) für Potenzen einer Primzahl p und Λ(x)=0 sonst, und betrachtet dann die Summe
. Wenn r(n)≠0 ist, dann gibt es jedenfalls eine Zerlegung von n als Summe dreier Primzahlpotenzen. Man kann zeigen, dass die Primzahlpotenzen weniger zur Summe beitragen als die Primzahlen selbst, weshalb geeignete Abschätzungen für r(n) ausreichen, um die Zerlegbarkeit als Summe dreier Primzahlen zu beweisen.
Wenn man jetzt für ein n≤N die Exponentialsumme ansetzt, dann bekommt man, dass die Fourier-Koeffizienten von S(α)3 gerade r(n) geben:
. Man will also wieder eine zahlentheoretisch definierte Funktion über den Kreis integrieren.
Iwan Winogradow war seit 1934 Direktor des damals noch in Leningrad befindlichen Steklow-Instituts. Er war eine führende Persönlichkeit der analytischen Zahlentheorie, bekannt vor allem für eine Methode zur Auswertung trigonometrischer Summen der Form für eine irrationale Zahl α, wobei sich die Summe über alle Primzahlen p unter einer Schranke N erstreckt.
In der multiplikativen Zahlentheorie und allgemeiner der Darstellungstheorie sind Reihen der Form äußerst nützlich. In der additiven Zahlentheorie verwendet man stattdessen Reihen
.
Die Exponentialfunktionen führen oft dazu, dass sich Terme gegenseitig aufheben. Der Nutzen solcher Summen für die Zahlentheorie war schon 1916 von Hermann Weyl in seiner Arbeit über die Gleichverteilung von Funktionen modulo 1 erkannt worden. Hardy und Littlewood hatten sie dann verwendet, um Probleme in der analytischen Zahlentheorie anzugehen, beispielsweise das asymptotische Verhalten der Partitionsfunktion. Auch auf die ternäre Goldbach-Vermutung wandten Hardy-Littlewood die Kreismethode an und konnten mit ihrer Hilfe 1923 eine Abschätzung für S(α) und damit also die ternäre Goldbach-Vermutung für hinreichend große n beweisen – allerdings nur unter der Annahme, dass die verallgemeinerte Riemann-Vermutung (für L-Funktionen von Dirichlet-Charakteren) gilt.
Aber erst Winogradow brachte die Kreismethode voll zu ihren Möglichkeiten. In langjähriger Arbeit hatte er sie zu einem noch viel nützlicheren Werkzeug gemacht. Insbesondere entwickelte er die “Technik bilinearer Formen” und den “Mittelwertsatz”.
Winogradows „Mittelwertsatz“ war besonders nützlich, um gute Abschätzungen für das Waringsche Problem zu bekommen, also für die Anzahl a(k), so dass jedes hinreichend große N als Summe von a(k) k-ten Potenzen zerlegt werden kann.
Für das Problem der Zerlegbarkeit einer ungeraden Zahl n als Summe dreier Primzahlen erhielt er eine Formel mit einer Funktion G(N), die für gerade N verschwindet und für ungerade N mindestens 1 und nach oben beschränkt ist. Insbesondere ist sie viel kleiner als N2, womit man eine untere Schranke für r(N) bekommt, aus der – weil Primzahlpotenzen weniger beitragen als die Primzahlen selbst – die Existenz einer Zerlegung als Summe von Primzahlen folgt. Natürlich funktioniert das nur für hinreichend große N.
Lew Shnirelman, der von der Variationsrechnung zur additiven Zahlentheorie gewechselt war, hatte 1931 bewiesen, dass jede natürliche Zahl Summe von höchstens 21 Primzahlen ist. Die ternäre Goldbach-Vermutung ist natürlich eine sehr viel stärkere Aussage und Winogradow bewies sie mit seinen Berechnungen 1937 jedenfalls für n>106800000. Sein Argument wurde später noch verfeinert, so dass man einen Beweis für n>101346 bekam. (Immer noch zuviel, um die verbleibenden Fälle manuell zu lösen. Erst 2014 schaffte es Helfgott mit verbesserten Methoden die Schranke auf 1027 zu senken, so dass die verbleibenden Fälle mit dem Computer abgearbeitet werden konnten.)
Die Zerlegbarkeit als Summe von Primzahlen kann man als Verbesserung des Satzes von Dirichlet über Primzahlen in arithmetischen Folgen sehen. Zum Beispiel folgt aus dem Satz von Dirichlet, dass es viele Primzahlen gibt, die nicht die Endziffer 1 haben. Mit dem Satz von Winogradow hat man nun sogar viele Tripel von Primzahlen, deren Endziffern nicht die Summe 3 haben. Er hatte letztlich gezeigt, dass jede Häufung der Endziffern einer Summe auf eine unmögliche Häufung der Endziffern der Summanden zurückzuführen wäre.
Bild: https://www.vle.lt/Straipsnis/Ivan-Vinogradov-108031
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