Während die Mathematischen Annalen noch bis 1938 vom 1933 in Aachen entlassenen früheren Hilbert-Schüler Otto Blumenthal geleitet wurden – der mit dem bescheidenen Honorar seinen Lebensunterhalt sicherte – sollte die von Ludwig Bieberbach gegründete Zeitschrift “Deutsche Mathematik” zum Sprachrohr der nationalsozialistischen Mathematiker werden. Bieberbach propagierte eine Unterscheidung der Mathematiker in J-Typen (nordisch), die die geometrisch-anschaulichen Grundlagen der Mathematik betonten, und S-Typen (jüdisch, französisch), bei denen es um Strukturdenken und Axiomatik ginge. Neben ideologischen Beiträgen und Berichten von studentischen Aktivitäten gab es in der neuen Zeitschrift auch zahlreiche fachliche Artikel, von denen viele eher aus der Mode gekommene Themen der Mathematik betrafen. Eine Ausnahme bildeten Teichmüllers Arbeiten, er veröffentlichte dort zahlreiche seiner besten Resultate. In erster Linie wurde die Zeitschrift aber als Verlautbarungsorgan der Fachschaften wahrgenommen, während Bieberbachs Thesen von verschiedenen Mathematiker-Typen kaum eine Rolle spielten. Die neue Ausrichtung beschrieb ein Doktorand der angewandten Mathematik in einem langen Artikel wie folgt:

“Hier ruft ein Wollen zur Tat, hier wartet eine Aufgabe, der jeder nach seinen Kräften vorbehaltlos zu dienen hat. Auf dieses Wollen allein kommt es an. Es ist der Ausdruck des großen Umbruchs in unserem Volke, der Bejahung jener Verpflichtung, die in den Worten ruht: Wo immer du am Werke bist, du bist Deutscher. Wer dieses in seiner Einzigartigkeit gottgewollte Schicksal verleugnet, um artwidrigem Geist zu dienen, versperrt die Quellen eigener Kraft und begibt sich in Abhängigkeit und Knechtschaft.
Auf allen Gebieten Deutschen Schaffens erfolgte ein Ausrichten mit dem Ziel: Überwindung des Fremden in unseren Reihen, Freilegung des Eigenen zum Wohle der werdenden Gemeinschaft der Deutschen, dem wir alle mit jeder Faser unseres Seins dienen wollen. […]
Vielleicht sahen sogar einige von uns allein in dieser zweckbetonten Ausrichtung unserer Arbeit die Daseinsberechtigung der Mathematik – zweifellos eine Verkennung der Forderungen, denen wir mit unserer Arbeit gerecht werden wollten. Wir wollen die Sachlage nicht im Übereifer schief ansehen. Grundlage unserer neuen Sicht ist das Kennzeichen: Daseinsrecht hat in unserem Volke, was artecht ist und unserer Art förderlich ist. Daseinsrecht hat insbesondere die Mathematik dann, wenn sie kraftvoller Ausdruck nordisch-deutschen Geistes ist. Daseinsrecht hat mathematisches Denken dann nicht, wenn es einer uns fremden und entgegengesetzten Geisteshaltung entspringt, der wir nur unter der Aufgabe des uns Eigenen folgen können.”

Die Herausgebergremien anderer deutscher Fachzeitschriften waren zu dieser Zeit mit dem “Problem” beschäftigt, inwieweit man Arbeiten jüdischer Autoren weiterhin drucken solle. Ob man beispielsweise nur Arbeiten deutscher Juden nicht mehr druckt, oder auch keine Arbeiten amerikanischer Juden. Solche Fragen wurden über einen längeren Zeitraum diskutiert und hatten oft absurde Konsequenzen. Vom Courant-Hilbert wurde zwar der zweite, aber nicht der erste Band verkauft. Der Grund: Courant hatte den ersten Band als deutscher Jude, den zweiten aber als Amerikaner verfaßt.

Die Arbeiten zu seiner Habilitation “Untersuchungen über konforme und quasikonforme Abbildungen” begann Teichmüller bei Bieberbach in Berlin, stark beeinflußt von Nevanlinna, den Hasse als Gastprofessor nach Göttingen geholt hatte, und auch von Ahlfors’ Arbeiten zur Werteverteilungstheorie für Abbildungen zwischen Riemannschen Flächen. Er wurde schnell ein Experte in geometrischer Funktionentheorie. Letztendlich stand er hier in der Göttinger Tradition, holomorphe Abbildungen nicht, wie es der Berliner Tradition entsprach, analytisch als Potenzreihen zu untersuchen, sondern sie geometrisch zu interpretieren.
Bernhard Riemann hatte im 19. Jahrhundert behauptet, dass der Modulraum komplexer Strukturen auf einer geschlossenen, orientierbaren Fläche vom Geschlecht g die komplexe Dimension 3g-3 haben sollte. Teichmüller betrachtete eine Überlagerung des Modulraums, bestehend aus allen Paaren (X,f), wobei X eine Riemannsche Fläche und f:S–>X ein quasikonformer Homöomorphismus ist. Man setzt (X,f)=(X,g), falls f und g homotop sind. Punkte im Teichmüller-Raum sind also Äquivalenzklassen quasikonformer Abbildungen.
Um den Teichmüller-Raum zu verstehen, würde man gerne in jeder Äquivalenzklasse einen „extremalen“ Vertreter haben. Teichmüller verfolgte den geometrischen Ansatz, extremale Abbildungen zu definieren als die Abbildungen minimaler Dilatation (d.h. minimale Verzerrung der Winkel) in der jeweiligen Homotopieklasse.
Herbert Grötzsch, hatte zehn Jahre zuvor das Problem gelöst, welches die “beste” quasikonforme Abbildung ist, die ein Rechteck eckenerhaltend auf ein gegebenes zweites Rechteck abbildet: hier sind (nur) die naheliegenden affinen Abbildungen extremal. (Grötzsch war in Gießen inzwischen entlassen worden, weil er sich der Übernahme vom Jungstahlhelm in die SA verweigert hatte.) Teichmüllers Verallgemeinerung des Satzes von Grötzsch auf Flächen höheren Geschlechts besagt, dass es zwischen zwei Riemannschen Flächen stets eine eindeutige die minimale Dilatation realisierende quasikonforme Abbildung zwischen gibt.
Der Satz von Teichmüller benötigte neue Ideen und Verbindungen zu anderen Gebieten wie der Theorie quadratischer Differentiale. Daneben unterschied sich seine Arbeit auch stilistisch durch einen „warmen“, direkten Stil von der kurzen und analytisch formulierten Arbeit des unter dem Einfluß Paul Koebes stehenden Grötzsch. Die technischen Einzelheiten seines Beweises wurden aber erst in den 50er Jahren von Ahlfors und Bers ausgearbeitet. (Ahlfors stammte aus Finnland, war 1944 nach Zürich berufen worden, wo er sich als Ausländer aber nicht willkommen gefühlt hatte und 1946 nach Harvard wechselte. Bers stammte aus Lettland, hatte in den 30er Jahren in Prag gearbeitet und nach Kriegsausbruch als Jude und aktiver Sozialdemokrat in die USA immigrieren müssen.)

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Kommentare (6)

  1. #1 Echt?
    15. August 2020

    Man kann eben auch ein guter Mathematiker und gleichzeitig ein schlechter Mensch sein.

  2. #2 Quanteder
    15. August 2020

    Echt? Mathematik kennt keine Zuordnung von „schlecht“. Die Mengenlehre ordnet einfach nur zu. Dann können Polarisationen erkannt werden und du kannst beschreiben, warum Mengen sich verringern oder vergrössern. Es ist immer noch nicht „schlecht“ durch Mathematik seinen Erkenntnissprozess zu fördern.

    Vielleicht entsteht ein Übergewicht (im Sinne eines Ungleichgewichts), wenn 1Mensch seine Erkenntnisse in seine Entscheidungen einbringt und eine Menge von Menschen in Bewegung bringt. Mathematisch und physikalisch kann dies noch nicht mit „schlecht“ beurteilt werden. Die Krux liegt in [1:∑1] !!! => 1Mensch und die ∑von Menschen bilden einen Zustand. Einen sozialen Zustand und gleichzeitig eine Quantenzustand (einen physikalischen Zustand).

    Bei der Beurteilung des sozialen Zustands beginnt das „schlecht“ eine Bedeutung zu entwickeln. Einen Quantenzustand beurteile/beschreibe ich mit Hilfe der Mathematik. Die kennt kein „schlecht“. Ob ich das darf, eine Quantenzustand mit [1:∑1] zu beschreiben, entscheidet die Politik. Ist das „schlecht“? Für meinen Erkenntnisprozess nicht, für die Gesellschaft vielleicht schon. Aber das ist eine subjektive Meinung. Und subjektive Zustände bilden ja keine objektive Realität, oder?

    Herr Gauk hat zur Erstürmung der Stasi-Büros in der Normannenstr. gesagt, das dort das Herrschaftswissen der Eliten liegt und Herrschaftswissen der Eliten gehört in die Hände des Volkes. Das war 1989. Heute geht es immer noch um diesen sozialen Zustand: Herrschaftswissen von Eliten gehört in die Hände des Volkes.

    Mathematiker sind Geisteswissenschaftler und stellen eine Form von Elite dar. Deren Wissen gehört in die Hände des Volkes. Mag sein das der obige Mathematiker ein schlechter Mensch ist. Im Sinne des Fortschritts von Geschichte der Menschheit (Änderung von sozialen Zuständen) kann dieser Mensch sich bestätigt fühlen . . . ..

  3. #3 Echt?
    16. August 2020

    Elite? Har har!

  4. #4 Quanteder
    18. August 2020

    . . . ..
    . . . .. genau darum geht es. Stell dir eine Gesellschaft ohne Eliten vor.
    . . . .. ich vermute, dir fehlt es hier an „grundsätzlicher“ hPantasie . . . .. .

  5. #5 Quanteder
    18. August 2020

    Was meine ich mit „grundsätzlich“ ?

    „Der Satz von Bell zeigt, dass Lokalität und Realismus für ein Quantensystem nicht zutreffen können. … „
    Kommentar von Lawrence Crowell3: 18 Uhr, 15. August 2020 in
    http://backreaction.blogspot.com/2020/08/understanding-quantum-mechanics-5.html

    . . . .. denn hier liegt für dich, für mich die Crux begraben!

  6. #6 NichtsendeNichts
    16. September 2020

    WIKIPEDIA
    Teichmüller-Rassen-Mathematik wird in der deutschen Wikipedia gelehrt.
    Im Kapitel „Katzenzustand in der Quantenoptik“ des Artikels Schrödingers_Katze wird 1 Beobachter 1 Rasse postuliert und diese 1 wurde von nicht gemeinnützigen Ideologen genichtZt, damit kein Leser auf die Idee kommt, mit der Zahl 1 unsymmetrisch rumzuspielen.
    Natürlich hat keine von mir (fast abhörsicher) kontaktierte Frau, die Zahl 1 unsymmetrisch gebrochen. Muss wohl am fehlendem Hormon (De*)Testosteron bzw. an FOXL2 und aufoktroyierten Idealen liegen (mission submission accomplished).
    Natürlich gibt es in einer reinen Wikipedia, die durchdrungen ist von Reinheits-Ideologie, kein Flip-Flop-Gedankenexperiment, welches auf ein Basenpaar einwirkende Meta-Kräfte entscheiden lässt, ob ein Katzen-Embryo weiblich (clitdoubleslit) oder männlich wird. Superfeminismus bzw. 100% FOXL2 ist eine Meta-Kraft und so wurde und wird jedes von Miss Backreaction erzeugte Kind weiblich.
    Natürlich kann SETI, usw. keine andere Rasse im Universum finden, wenn Anhänger einer Teichmüller-Ideologie SETI und Wikipedia und Medien kontrollieren, um den Existenz-Zustand jeder anderen Rasse nichtZen können.

    MISS BACKREACTION
    Sie hat sich nie die Hände schmutzig gemacht und überprüfte niemals experimentell ob ein hochreines radioaktives Doppelspaltmaterial die perfekte superreine supersymmetrische Teichmüller-Katzen-Mathematik bricht, so wie Polonium die relativistische (mathematische) Lebensverlängerung eines relativistisch reisenden Zwillings physikalisch bricht.
    Sie hat niemals ihre Linsen in das Interferenzmuster hinter dem Double Slit gehalten und verschiedene Einfallswinkel ausprobiert.
    Sie hat keine hochreinen Selten-Erd-Metalle für Double Slits benutzt und diese auf fast 0 K abgekühlt; ein Temperaturreich, in dem neue Physik gefunden wurde, die wie üblich nicht mit Mathematik deduziert wurde; ein physikalischer Temperaturreich, der die mathematische Konstante der mathematischen Relativitätstheorie bricht, wenn Materie im Spiel ist.

    GOTT IST LEIDEN
    Meiner Meinung nach hat etwas ähnliches wie Radioaktivität Miss Backreaction davor bewahrt, nach ihrem gravitonischen Versagen als physicist (filthy mathematician) reale Räume pflegen zu müssen.

    DEVS
    Die Aussage von Miss Backreaction, dass es keinen freien Willen gibt, ist absolut richtig, weil verborgene Parameter bzw. zukünftige Parameter wie Kind, Geldnot, Hunger, … mitwirken 🙂
    Supermathematiker Lyndon wollte den Multi-Billionen-Jackpot (49-Prozent-Firmenanteil) und benutzte Hugh Everetts Kindergarten-Mathematik, um klare Bilder zu erzeugen, anstatt die Radioaktiviät-Mathematik und die präkausale Zukunft-Mathematik zu entschlüsseln, die verrauschte Bilder verursacht.
    Lyndons Coming Out als Anhänger der Teichmann-Ideologie, die unerwünschtes einfach nichtZt, um Reinheit zu erreichen, führte unvermeidbar zu seiner fristlosen Entlassung, die immerhin mit dem 2ten Preis (10.000.000 Dollar = Der Zweite ist der erste Verlierer) mager abgefunden wurde 🙂