Bernhard Riemann hat die später nach ihm benannten Riemannschen Flächen 1851 in seiner Dissertation als natürliche Definitionsbereiche mehrwertiger holomorpher Funktionen eingeführt. Er veranschaulichte sie als verzweigte Überlagerungen über der projektiven Gerade CP1. In seiner Arbeit über abelsche Funktionen 1857 fragte er nach der birationalen Klassifikation komplexer Kurven – das ist äquivalent zur Klassifikation Riemannscher Flächen – und er zählte die Moduli Riemannscher Flächen mittels ihrer Verzweigungspunkte: für (geschlossene, orientierbare) Flächen vom Geschlecht g≥2 sollte es 3g-3 komplexe Moduli geben. Man findet in seiner Arbeit aber keine präzise Definition der Moduli.
Auch Felix Klein, der später Riemanns Werk popularisierte, hatte keine formale Definition der Moduli. Henri Poincaré verwandte Riemanns Behauptung in seinen Arbeiten zur Uniformisierung, wo er (in Konkurrenz zu Felix Klein) beweisen wollte, dass die injektive Abbildung vom Raum der Fuchsschen Gruppen in den Modulraum Riemannscher Flächen – welche der Gruppe Γ die Fläche Γ\H2 zuordnet – eine Bijektion ist. Die Dimension des Raums der Fuchsschen Gruppen läßt sich berechnen als Anzahl der Parameter der zugehörigen Fundamentalpolygone. Riemanns Behauptung über die Dimension des Modulraums verwandte Poincaré für seine “Kontinuitätsmethode”, mit der er die gewünschte Bijektivität beweisen wollte.

Oswald Teichmüller promovierte 1935 bei Hasse über ein Thema aus der Funktionalanalysis und schrieb danach einige algebraische Arbeiten über wohl von Hasse vorgegebene Themen. Nachdem er 1936 in Göttingen Vorlesungen Nevanlinnas über Werteverteilungstheorie gehört hatte, wechselte er 1937 nach Berlin zur dort von Ludwig Bieberbach vertretenen Funktionentheorie. Seine Habilitationsschrift “Untersuchungen über konforme und quasikonforme Abbildungen” war stark beeinflußt von Nevanlinna und von Ahlfors’ Arbeiten zur Werteverteilungstheorie für Abbildungen zwischen Riemannschen Flächen. Er wurde schnell ein Experte in geometrischer Funktionentheorie. Letztendlich stand er dort in der Göttinger Tradition, holomorphe Abbildungen nicht, wie es der Berliner Tradition entsprach, analytisch als Potenzreihen zu untersuchen, sondern sie geometrisch zu interpretieren: zumindest lokal sind die biholomorphen Abbildungen – d.h. die holomorphen Abbildungen mit holomorpher Umkehrabbildung – genau die konformen – d.h. winkelerhaltenden – Abbildungen. Als Satz von Teichmüller bezeichnet man sein Resultat über die Existenz und Eindeutigkeit extremster quasikonformer Abbildungen, mit dessen Hilfe er dann die Dimension des Modulraums bestimmen konnte.

Für Riemanns Modulraum werden komplexe Strukturen auf einer Fläche identifiziert, wenn sie durch eine Selbstabbildung der Fläche auseinander hervorgehen. Dieser Modulraum hat eine nichttriviale Topologie und lokale Orbifaltigkeits-Singularitäten. Teichmüllers Ansatz war stattdessen, zunächst nur diejenigen Strukturen zu identifizieren, die durch eine zur Identität homotope Abbildung auseinander hervorgehen, und diesen „Teichmüller-Raum“ mittels quasikonformer Abbildungen zu parametrisieren.
Der Modulraum ergibt sich als Quotient des Teichmüller-Raums modulo der Wirkung der Abbildugsklassengruppe, der Teichmüller-Raum ist die universelle Überlagerung des Modulraums. Beispielsweise ist der Modulraum des Torus die durch die j-Funktion parametrisierte Modulkurve SL(2,Z)/H2, während der Teichmüller-Raum des Torus einfach die hyperbolische Ebene H2 ist.

Weil biholomorphe Abbildungen konform sind, entsprechen komplexe Strukturen auf einer Fläche den konformen Strukturen – zwei Flächen definieren genau dann dieselbe komplexe Struktur, wenn es eine konforme Abbildung zwischen ihnen gibt.
Andererseits gibt es zwischen Riemannschen Flächen desselben Geschlechts immer eine quasi-konforme Abbildung. Das verwendete Teichmüller für eine formale Definition des Teichmüller-Raums Teich(S) einer fixierten Riemannsche Fläche S: Teich(S) besteht aus allen Paaren (X,f), wobei X eine Riemannsche Fläche und f:S–>X ein quasikonformer Homöomorphismus ist. Er setzt (X,f)=(X,g), falls f und g homotop sind. Punkte im Teichmüller-Raum sind also Äquivalenzklassen quasikonformer Abbildungen.

Es gibt verschiedene Definitionen für quasikonforme Abbildungen. Die gebräuchlichste ist, daß eine Abbildung K-quasikonform (für eine Konstante K>1) heißt, wenn das Maximum des sogenannten Dilatationsquotienten höchstens K ist. (Für differenzierbare Abbildungen kann man den Dilatationsquotienten als K_f=\frac{\frac{\partial f}{\partial z}+\frac{\partial f}{\partial\overline{z}}} {\frac{\partial f}{\partial z}-\frac{\partial f}{\partial\overline{z}}} definieren. In der Teichmüller-Theorie betrachtet man aber auch Homöomorphismen, die nicht differenzierbar sein müssen.) Anschaulicher ist die Definition, daß die Abbildung quasikonform ist, wenn sie (infinitesimal) alle Kreise in Ellipsen mit beschränkter Exzentrität abbildet.
Quasikonforme Abbildungen wurden zuerst von Grötzsch definiert, dann von Ahlfors bei der Lösung analytischer Probleme angewandt. Teichmüller interessierte sich für quasikonforme Abbildungen aber nicht als eine Verallgemeinerung konformer Abbildungen, sondern als Hilfsmittel zur Untersuchung konformer Strukturen. Seine Idee war es, die Dilatation quasikonformer Abbildungen zur Definition eines ‘Abstandes’ zwischen Riemannschen Flächen zu benutzen: wenn man zwei Riemannsche Flächen F1,F2 hat, dann gibt es – was Teichmüller zunächst bewies – quasikonforme Abbildungen zwischen ihnen und Teichmüller definierte den Abstand d(F1,F2)=inf log(K)/2, wobei K die maximale Dilatation einer quasikonformen Abbildung bezeichnet und das Infimum über alle quasikonformen Abbildungen zwischen F1 und F2 genommen wird. (Wenn es eine konforme Abbildung gibt, also eine Abbildung mit K=1, dann ist d=0, die Flächen sind gleich.) Dieser Abstand definiert die Teichmüller-Metrik auf dem Teichmüller-Raum, die eine Finsler-Metrik ist und die Teichmüller dann benutzte, um letztlich zu beweisen, dass der Teichmüller-Raum zur 6g-6-dimensionalen Kugel homöomorph ist.

Um den Teichmüller-Raum zu verstehen, würde man gerne in jeder Äquivalenzklasse quasikonformer Abbildungen einen „extremalen“ Vertreter haben. Teichmüller verfolgte den geometrischen Ansatz, extremale Abbildungen zu definieren als die Abbildungen minimaler Dilatation (d.h. minimale Verzerrung der Winkel) in der jeweiligen Homotopieklasse.
Herbert Grötzsch, hatte zehn Jahre zuvor das Problem gelöst, welches die “beste” quasikonforme Abbildung ist, die ein Rechteck eckenerhaltend auf ein gegebenes zweites Rechteck abbildet: hier sind (nur) die naheliegenden affinen Abbildungen extremal. Der Satz von Teichmüller als Verallgemeinerung des Satzes von Grötzsch auf Flächen höheren Geschlechts besagt, dass es zwischen zwei Riemannschen Flächen gleichen Geschlechts stets eine eindeutige, die minimale Dilatation realisierende quasikonforme Abbildung gibt.

Der Satz von Teichmüller benötigte neue Ideen und Verbindungen zu anderen Gebieten wie der Theorie quadratischer Differentiale. Daneben unterschied sich seine Arbeit auch stilistisch durch einen „warmen“, direkten Stil von der kurzen und analytisch formulierten Arbeit des unter dem Einfluß Paul Koebes stehenden Grötzsch. Die technischen Einzelheiten seines Beweises wurden aber erst in den 50er Jahren von Ahlfors und Bers ausgearbeitet.

Teichmüllers Beschreibung der extremalen Abbildungen f sieht i.W. so aus, daß es einige Singularitäten gibt (wo die Abbildung f nicht differenzierbar ist) und daß man zwei singuläre Blätterungen (mit singulären Punkten in den Singularitäten von f) hat, so daß die Blätter der einen Blätterung von f gestreckt und die Blätter der anderen Blätterung von f gestaucht werden.
Die extremalen Abildungen sind gerade diejenigen, die man mit solchen singulären Blätterungen konstruieren kann. Insbesondere bekam Teichmüller mit dieser Konstruktion die Geodäten im Teichmüller-Raum: wenn man die singuläre Blätterung festläßt, aber den Streckungs- bzw. Stauchungsfaktor variiert, bekommt man eine Kurve im Teichmüller-Raum, und diese Kurve ist eine Geodäte bzgl. der Teichmüller-Metrik.
Aus technischen Gründen arbeitet man statt mit den singulären Blätterungen lieber mit holomorphen quadratischen Differentialen, also Differentialen der Form h(z)dz⊗dz für eine holomorphe Funktion h (deren Nullstellen in den Singularitäten von f liegen). Die beiden Blätterungen bestehen dann aus Kurven, deren Tangentialvektoren nach Einsetzen in h(z)dz⊗dz positive bzw. negative reelle Werte geben. (Quadratische Differentiale sind formal definierte Ausdrücke. Die Bedingung ist, dass sich die holomorphe Funktion h(z) unter Koordinatenwechsel gemäß h‘(z‘)=h(z)(dz/dz‘)2 transformiert.)

Also: die Punkte im Teichmüller-Raum entsprechen den extremalen Abbildungen, und diese wiederum entsprechen den holomorphen quadratischen Differentialen. Die Dimension des “Raumes der holomorphen quadratischen Differentiale” auf einer Fläche vom Geschlecht g berechnete Teichmüller mit dem Satz von Riemann-Roch, sie ist 6g-6. Damit bewies Teichmüller also Riemanns Vermutung, daß der Modulraum durch 3g-3 komplexe Parameter beschrieben wird. Er konnte den Teichmüller-Raum mit einer Vollkugel im C3g-3 identifizieren, und seinen Tangentialraum in einem Punkt mit dem Raum der holomorphen quadratischen Differentiale der dem Punkt entsprechenden komplexen Struktur. (Letzteres wird ebenfalls manchmal als Satz von Teichmüller bezeichnet.)

Etwa gleichzeitig mit Teichmüller hatten Fenchel und Nielsen eine ganz andere Parametrisierung eines äquivalenten Modulraumes gefunden. Komplexe Strukturen entsprechen nicht nur konformen Strukturen, sondern auch eindeutigen hyperbolischen Metriken. (Aus dem Abbildungssatz folgt, dass die universelle Überlagerung einer Riemannschen Fläche vom Geschlecht g≥2 die offene Kreisscheibe ist und deren biholomorphe Automorphismen entsprechen genau den Isometrien der hyperbolischen Metrik.) Man kann den Teichmüller-Raum also auch auffassen als Modulraum hyperbolischer Metriken. Werner Fenchel, ein ehemaliger Student Bieberbachs und Assistent Landaus, war nach der Machtergreifung nach Kopenhagen geflohen. Dort arbeitete er mit Jakob Nielsen, einem Spezialist für Abbildungsklassengruppen und Automorphismen freier Gruppen, der vor dem ersten Weltkrieg bei Max Dehn in Kiel promoviert hatte. (Sein Heimatort in Nordschleswig gehörte damals zum Deutschen Reich.) In einer 1938/39 ausgearbeiteten Vorlesung fanden die beiden eine Parametrisierung der hyperbolischen Metriken durch die Längen von 3g-3 geschlossenen Geodäten und durch je einen diesen Geodäten zugeordnete Twistparameter. Man bekommt also eine andere Parametrisierung des Modulraums durch 6g-6 reelle Parameter.
Andererseits gehört zu einer hyperbolischen Metrik auf einer orientierbaren Fläche eine Monodromiedarstellung der Fundamentalgruppe in PSL(2,R), der Gruppe orientierungserhaltender Isometrien der hyperbolischen Ebene. Damit kann man den Modulraum hyperbolischer Metriken auch identifizieren mit der Varietät der (irreduziblen und diskreten) Darstellungen der Fundamentalgruppe nach PSL(2,R) und die war schon vor einem halben Jahrhundert von Fricke mittels elementarer Matrizenrechnung parametrisiert worden. Man hat auch dort 6g-6 reelle Parameter.

Eigentlich hatte auch die von Poincaré (und Klein) in ihren Arbeiten zu automorphen Funktionen benutzte Kontinuitätsmethode schon vorausgesetzt, dass man die Topologie des Modulraums kennt. Die für ihre Beweise benötigten Stetigkeitsargumente bekam Teichmüller jetzt aus Abschätzungen für die Verzerrung der Länge von Kurven unter quasikonformen Abbildungen. Für die meisten Anwendungen in der komplexen Geometrie war seine Beschreibung des Modulraums besser geeignet als die aus der hyperbolischen Geometrie kommenden Ansätze. Besonders nützlich war seine Beschreibung des Tangentialraums an den Modulraum als Raum der holomorphen quadratischen Differentiale.

Teichmüllers Werk erschien zum großen Teil in der Zeitschrift „Deutsche Mathematik“, es wurde erst ab den 50er Jahren durch die Arbeiten von Ahlfors und Bers populär. Seine Ergebnisse zum Teichmüller-Raum veröffentlichte er 1939 in einer fast 200 Seiten langen Arbeit Extremfall quasikonforme Abbildungen und quadratische Differentiale“ in den Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Der Stil der Arbeit war äußerst unorthodox. Für den Leser war oft nicht zu erkennen, was ein heuristisches Argument und was ein Beweis war. Er selbst wußte das aber immer genau und sah seine Arbeit wohl eher als ein Forschungsprogramm, zu dessen Verwirklichung es durch den Krieg dann aber nicht mehr kam. (Einen Beweis seines Existenzsatzes veröffentlichte er immerhin noch 1943.) Vollständige Beweise wurden erst viel später von Ahlfors und Bers ausgearbeitet.

Bild: https://en.wikipedia.org/wiki/File:Teichmuller.jpeg

Kommentare (1)

  1. #1 Theorema Magnum – Mathlog
    9. September 2021

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