Für elliptische Kurven konnte Hasse unter Verwendung vieler neuerer algebraischer Methoden die Vermutung beweisen. Der Beweis benutzte die Theorie der komplexen Multiplikation auf elliptischen Kurven, letztlich also deren Additionsgesetz, und ließ sich also nicht auf andere Kurven verallgemeinern. Im Austausch mit Noethers früherem Studenten Max Deuring versuchte er, Ideen für den allgemeinen Fall von Kurven vom Geschlecht g zu entwickeln. Deurings Idee war es, algebraische Korrespondenzen zu benutzen, wie sie von Hurwitz und dann der italienischen Schule untersucht worden waren. Genauer wollte er die Theorie der Korrespondenzen in der Sprache der Divisoren von Funktionenkörpern rekonstruieren.
Im Vorwort des 1936 schließlich veröffentlichten Beweises für elliptische Kurven schrieb Hasse dann auch: “Mit Hinblick auf die Verallgemeinerung der ganzen Theorie auf beliebiges Geschlecht g vermeide ich es absichtlich, soweit nur irgend möglich, spezielle explizite Formeln oder Kenntnisse über elliptische Körper auszunutzen, selbst wenn dadurch die Beweise für den nur am elliptischen Fall Interessierten reichlich abstrakt erscheinen. Als vorläufig ausreichender Prüfstein für die anzustrebende Verallgemeinerungsfähigkeit hat mir die durchgängige zwanglose Einbeziehung des Falles der Charakteristik p=2 gedient, den ich früher wegen der Abweichungen in der Erzeugung durch eine Normalform ausschließen mußte. Insbesondere brauche ich nirgends auf die expliziten Formeln der Additionstheoreme zurückzugreifen, sondern komme mit dessen impliziter Darstellung durch eine Determinantenrelation sowie mit seiner Verankerung in der Multiplikation der Divisorenklassen aus. Der ganze Aufbau der Theorie hat jetzt rein strukturellen Charakter. Es werden keinerlei sogenannte Abschätzungen mehr vorgenommen.”
1940 saß André Weil als Deserteur im Militärgefängnis von Rouen. Seine Schwester bat ihn, ihr über seine Arbeit zu schreiben – er habe ja ohnehin nichts besseres zu tun. Er meinte zunächst, das sei wie einem Tauben eine Sinfonie erklären zu wollen, schrieb den Brief dann aber doch.
Im ersten Teil des Briefes erklärte er die Geschichte der Zahlentheorie und wie diese vom Reziprozitätsgesetz dominiert sei. Im zweiten Teil ging es um die Rolle der Analogien in mathematischen Entdeckungen, an einem speziellen Beispiel.
Die Funktionentheorie einer Variablen gelte als abgeschlossen durch Riemann (sowie Arbeiten zur Uniformisierung und zu Korrespondenzen). “Ich bin sicher eine der kenntnisreichsten Personen zu diesem Thema; hauptsächlich, weil ich das Glück hatte, es direkt aus dem Werk des Meisters zu lernen, einer der größten mathematischen Arbeiten, die jemals geschrieben wurde; es ist kein einziges Wort darin, das nicht von Bedeutung ist.”
Mit den (ursprünglich für die algebraische Zahlentheorie eingeführten) Idealen könne man mit elementaren algebraischen Methoden die wichtigsten einst mit “transzendenten” (analytischen) Methoden hergeleiteten Resultate über algebraische Kurven beweisen, für beliebige Körper statt nur für Kurven über den komplexen Zahlen. In der Analogie zwischen algebraischer Zahlentheorie und Riemannschen Flächen entsprechen die ganzen Zahlen den Polynomen, und die algebraischen Zahlen den algebraischen Funktionen. “Sobald es möglich ist, einen bestimmten Beweis aus einer Theorie in eine andere zu übersetzen, hat die Analogie aufgehört zu diesem Zweck produktiv sein; sie würde aufhören überhaupt produktiv zu sein, wenn wir irgendwann eine sinnvolle und natürliche Art hätten, beide Theorien aus einer einzigen abzuleiten.”
Es folgen Ausführungen zur Rolle des Punktes im Unendlichen in der algebraischen Zahlentheorie, also der Theorie der Bewertungen. Die Vervollständigungen spielten die Rolle der Potenzreihen in Umgebungen eines Punktes, deshalb der Name “lokaler Körper”.
“Mit alldem haben wir viele Fortschritte gemacht, aber es ist nicht genug. Die rein algebraische Theorie algebraischer Funktionen über beliebigen Körpern ist nicht reichhhaltig genug, um nützliche Lektionen zu lernen. Die klassische Theorie über komplexen Zahlen ist es um so mehr und in der Masse der Fakten gehen die nützlichen Analogien verloren. Sie ist zu weit entfernt von der Zahlentheorie. Man würde nicht weiterkommen, hätte man nicht eine Brücke zwischen beiden.” Diese Brücke sollte die Theorie algebraischer Funktionen über endlichen Körpern sein.
Ein junger Student in Göttingen, der schon bald nach Beginn des ersten Krieges gefallen war, habe in seiner nach dem Krieg erschienen Dissertation Zetafunktionen für Funktionenkörper über endlichen Körpern untersucht und gezeigt, dass man dort die gewöhnlichen Methoden der algebraischen Zahlentheorie anwenden kann. Das sei dann von Artin und Schmidt aufgenommen worden und in den letzten Jahren seien die Funktionenkörper das Lieblingsthema der Hasse-Schule mit einer Reihe schöner Ergebnisse gewesen.
Kaum ein Ergebnis für Zahlkörper könne nicht übertragen werden. Ob die L-Funktionen Polynome sind, daran arbeite er gerade. Andererseits sei die Distanz zwischen Funktionen über endlichen Körpern und dem klassischen Fall nicht so groß, dass man es nicht mit Geduld lernen könne, zwischen beiden zu wandern. Das sei nicht leicht und Intuition mache viel aus. Seine Arbeit bestehe darin, diesen Rosettastein zu entziffern, von dessen drei Säulen er nur einzelne Fragmente habe.
“Glaube aber nicht, dass solche Arbeit an mehreren Säulen in der Mathematik häufig vorkommt; in einer so reinen Form ist das fast ein einmaliger Fall. Diese Art von Arbeit passt zu mir besonders; es ist unglaublich, dass bisher solch hervausragende Leute wie Hasse und seine Studenten, die über dieses Thema über Jahre am ernsthaftesten nachgedacht haben, den klassischen funktionentheoretischen Standpunkt nicht nur vernachlässigt, sondern verachtet haben: sie wissen heute nicht mehr, wie man das Werk des Meisters liest. Siegel hat sich mal über Hasse lustiggemacht, der nicht in der Lage sei, meinen Artikel über eine Arbeit eines französischen Funktionentheoretikers aus dem vergangenen Jahrhundert zu lesen. Manchmal entdecken sie wichtige Resultate mit großer Anstrengung in ihrer Sprache wieder, die schon bekannt waren, so wie Severis Ideen über den Korrespondenzenring von Deuring wiederentdeckt wurden.”
Kommentare (1)