Die Riemannsche Zetafunktion ist die analytische Fortsetzung der für Re(s)>1 durch \zeta(s)=\Sigma_n\frac{1}{n^s} definierten Funktion. Sie kodiert die Verteilung der Primzahlen: der Primzahlsatz folgt aus der für alle Nullstellen gültigen Ungleichung Re(s)<1 und die bestmögliche Abschätzung für den Fehler der Approximation bekäme man, wenn man für alle Nullstellen (mit Ausnahme der „trivialen“ Nullstellen -2,-4,-6,...) die Gleichung Re(s)=1/2 beweisen könnte. Letztere Behauptung ist als Riemann-Vermutung bekannt, sie ist ein Spezialfall der Verallgemeinerten Riemann-Vermutung, derzufolge Re(s)=1/2 für alle nichttrivialen Nullstellen der L-Funktionen von Dirichlet-Charakteren gelten soll. Die Riemannsche Zetafunktion und die Riemann-Vermutung haben zahlreiche weitere Verallgemeinerungen. Für einen Zahlkörper K definiert man die Dedekindsche Zetafunktion durch \zeta_K(s)=\Sigma_{\mathfrak{a}}\frac{1}{N(\mathfrak{a})^s}, wobei \mathfrak{a} die Ideale des Ganzheitsrings OK durchläuft und N(\mathfrak{a}) die Norm des Ideals (d.h. die Anzahl der Elemente im Quotientenring) bezeichnet. Für K=Q bekommt man die Riemannsche Zetafunktion. Auch hier wird vermutet, dass alle im „kritischen Streifen“ 0\lneq Re(s)\lneq 1 befindlichen Nullstellen auf der „kritischen Geraden“ Re(s)=1/2 liegen.

Eine Zetafunktion für Funktionenkörper über endlichen Körpern Fq und die zugehörige Riemann-Vermutung kamen erstmals 1921 in der Dissertation von Emil Artin vor, mit einer idealtheoretischen Definition analog zur Dedekindschen Zetafunktion und nur für Fq[[t]], den Funktionenkörper der affinen Geraden. F. K. Schmidt modifizierte Artins Definition, um triviale Nullstellen zu vermeiden und um sie auf Funktionenkörper beliebiger Kurven über Fq anwenden zu können. Mit seiner Definition ist \zeta(s)=\Sigma_{\mathfrak{g}}\frac{1}{N(\mathfrak{g})^s}=\Pi_{\mathfrak {p}}\frac{1}{1-N(\mathfrak{p})^{-s}}, wobei \mathfrak{g} die ganzen Divisoren der Kurve durchläuft und die Norm N(\mathfrak{g}) so erklärt wird, dass die Norm multiplikativ ist und für Primdivisoren \mathfrak{p} die Norm N(\mathfrak{p}) die Anzahl der Elemente des Quotientenkörpers sein soll. Schmidt bewies 1931 ein Analogon des Riemann-Roch-Theorems für Kurven über Fq, aus dem er insbesondere erhielt, dass ζ(s) eine rationale Funktion in q-s ist.

Mit Kurven über endlichen Körpern Fq und der Anzahl ihrer Lösungen hatten sich in den 20er Jahren vor allem Mordell und Davenport mit den klassischen Methoden der algebraischen Zahlentheorie beschäftigt. Für elliptische Kurven E, also durch eine Gleichung y2=x3+ax+b ohne mehrfache Nullstellen der rechten Seite gegebene Kurven, hatte Mordell im Fall, dass q=p eine Primzahl ist, die Abschätzung \vert \sharp E(F_p)-(p+1)\vert\le p^\frac{2}{3} bewiesen. (Statt p+1 stand bei ihm eigentlich p, weil er nur die Lösungen der Gleichung zählte und nicht den Punkt im Unendlichen als Punkt der elliptischen Kurve mitzählte.) Davenport ebenso wie Mordell hatte vermutet, dass der Exponent 2/3 zu 1/2 verbessert werden könne und er hatte Hasse 1931 herausgefordert, die Kraft der neuen algebraischen Methoden an wenigstens einem konkreten Problem, beispielsweise diesem, zu zeigen.
Als Antwort auf diese Herausforderung bewies Hasse zunächst für etwa 40 elliptische Kurven die erhoffte Ungleichung, in einer ersten Skizze unter Benutzung analytischer Methoden der Theorie der komplexen Multiplikation, ein Jahr später in einer algebraischen Version. Einige Monate später kündigte er in einem Brief an Mordell dann den allgemeinen Beweis der Vermutung \vert E(F_p)-(p+1)\vert\le 2\sqrt{p} an. Tatsächlich benötigte er dann aber noch drei weitere Jahre für den Beweis.

Nach einem Vortrag in Hamburg wies ihn Artin darauf hin, dass seine Ungleichung und deren vermutete Verallgemeinerung \vert C(F_q)-(q+1)\vert\le 2g\sqrt{q} für Kurven vom Geschlecht g über Fq, äquivalent zur Riemann-Vermutung für Funktionenkörper sein sollte.
Schmidt hatte damals nämlich gerade – als Folgerung des von ihm bewiesenen Riemann-Roch-Theorems für Kurven über Fq – ζ(s)=Z(p-s) gezeigt für eine rationale Funktion Z(T)=\frac{P(T)}{(1-T)(1-pT)} mit einem Polynom P(T)=\Pi_{i=1}^{2g}(1-a_iT). (Bei einer Kurve vom Geschlecht g hat die Zeta-Funktion des Funktionenkörpers 2g Nullstellen.) Damit haben insbesondere die Nullstellen von ζ(s) genau dann Realteil 1/2, wenn die Nullstellen von Z den Betrag p-1/2 haben, wenn also \vert a_i\vert =\sqrt{p} für alle i gilt.
Man hat andererseits \log Z(T) =\Sigma_n \frac{N_nT^n}{n}, wobei Nn die Anzahl der Punkte der Kurve über dem Körper mit q=pn Elementen ist. Vergleich der beiden Formeln liefert N_n=1+p^n-(a_1^n+\ldots+a_{2g}^n). Damit bekommt man, dass die Vermutung \vert a_i\vert =\sqrt{p} äquivalent zur Abschätzung \vert N_n-(p^n+1)\vert \le 2g\sqrt{p^n} für die Anzahl Nn der rationalen Punkte einer glatten projektiven Kurve vom Geschlecht g über F_{p^n} (oder in algebraischer Sprache die Anzahl Nn der Primdivisoren ersten Grades eines algebraischen Funktionenkörpers einer Variablen) ist. (Formal aufgeschrieben hat Hasse den Beweis der Äquivalenz der beiden Behauptungen erst 1934.)

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