Eine der Möglichkeiten in der Klassifikation der Komponenten von Fatou-Mengen waren topologische Kreisscheiben, auf denen die Abbildung konjugiert zu einer Drehung ist. Das wäre also der Fall, wo und die durch Schröders Funktionalgleichung definierte Potenzreihe φ konvergiert und dementsprechend eine Linearisierung in der Kreisscheibe möglich ist. Es war aber unklar, ob es solche Komponenten überhaupt gibt.
George Pfeiffer hatte 1917 erstmals ein Beispiel angegeben, wo die Potenzreihe φ nicht konvergiert. Hubert Cremer hatte 1938 gezeigt, dass dies (für geeignete f) immer der Fall sein kann, sobald .
Diese a1 bilden auf dem Einheitskreis eine Nullmenge, man glaubte aber nun, dass dieses Verhalten das durchaus typische sein könne. (Julia hatte fehlerhaft versucht zu beweisen, dass für die Potenzreihe φ stets divergiert, während Fatou davon überzeugt war, dass sie für viele Werte konvergieren sollte.) Es war deshalb eine Überraschung, als Carl Ludwig Siegel 1942 bewies, dass Cremers Beispiele die einzigen Ausnahmen sind.
Siegels Arbeit “Iteration of analytic functions” war ein großer Durchbruch, dabei besteht sie aus nur sechs Seiten in den damals noch nicht sehr etablierten Annals of Mathematics.
Sie beginnt nicht mit der Ankündigung eines großen Resultats, sondern mit mehr als einer Seite an Definitionen. Für eine Potenzreihe ohne konstanten Term – also a0=0 – bezeichnet er den Fixpunkt z=0 als stabilen Fixpunkt, wenn es (innerhalb des Konvergenzkreises) zu jedem r ein r0 gibt, so dass die Iterierten aller Punkte des Kreises vom Radius r0 im Kreis vom Radius r liegen. Diese Stabilitätsbedingung ist – wie er beweist – äquivalent dazu, dass die Lösung φ der Gleichung f(φ(z))=φ(a1z) in eine Potenzreihe entwickelt werden kann.
Mit diesem Kriterium bekommt er dann seinen Satz, dass unter der Annahme die Reihe φ konvergiert. Diese Annahme ist wiederum äquivalent zu der diophantischen Bedingung, dass man positive Konstanten C und ν findet, so dass
für alle rationalen Zahlen
gilt. (Man weiß heute, dass diese Bedingung genau dann erfüllt ist, wenn α eine sogenannte Brjuno-Zahl ist.)
Für die Beweise benötigte er delikate Abschätzungen, besonders half ihm seine Vertrautheit mit den Methoden der Approximation irrationaler Zahlen. Anders als in den Arbeiten der französischen Funktionentheoretiker, in denen der Satz von Montel stets zentral gewesen war, benutzt er keine normalen Familien holomorpher Funktionen.
Mit seinem Resultat hatte man nun ein überraschendes Erscheinen der Zahlentheorie in der Stabilitätstheorie. Wenn in einem Fixpunkt z0 die Ableitung f‘(z0) Siegels Bedingung erfüllt, dann ist die Dynamik von f in einer Umgebung des Fixpunktes linearisierbar, d.h. auf der entsprechenden Komponente der Fatou-Menge ist f konjugiert zu einer Drehung. Solche Komponenten heißen heute Siegel-Scheiben, das Bild zeigt die Siegel-Scheiben von .
Siegels Arbeit war vor allem deshalb von Bedeutung, weil sie die erste erfolgreiche Lösung eines Problems kleiner Nenner war.
Im 19. Jahrhundert hatte man versucht, Differentialgleichungen zu lösen, indem man ihre Lösungen als Potenzreihen ansetzt. Dabei hat man häufig das Problem, dass bei der Berechnung der Koeffizienten kleine Nenner auftreten, die dann ein Problem für die Konvergenz der Potenzreihe sind.
Ein elementares Beispiel hierfür wäre die lineare Differentialgleichung . Deren formale Lösung ist die Potenzreihe
. Damit diese Reihe konvergiert, dürfen die Nenner nicht zu klein sein: aus dem Wurzelkriterium folgt die Konvergenz der Reihe falls
. Siegel bewies ein ähnliches Kriterium für nichtlineare Differentialgleichungen
. Damit diese in der Umgebung des Fixpunktes x=0 linearisiert werden können, genügt das Kriterium
. (Das Kriterium wurde später noch verbessert.)
Probleme kleiner Nenner (für andere Differentialgleichungen) steckten beispielsweise hinter dem Problem der Suche nach analytischen Lösungen des Mehrkörperproblems und Siegels Arbeit zeigte nun erstmals, dass solche Probleme angegangen werden können.
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