Die Arbeit von Neumann-Goldstine war auch dadurch motiviert, dass unter angewandten Mathematikern divergierende Meinungen herrschten über die Zuverlässigkeit numerischer Verfahren zur Lösung linearer Gleichungssysteme, insbesondere auch des Gaußschen Eliminationsverfahrens für das numerische Invertieren von Matrizen der Ordnung mindestens 10. (Für Matrizen kleinerer Ordnung lohne sich die Analyse nicht, meinten sie.) Als wichtigste Motivation nennen sie aber, dass bisher nur Stabilitätsfragen untersucht worden seien und sie erstmals, und zwar an einem möglichst schwierigen Beispiel mit sehr vielen elementaren Operationen, die Konditionierung untersuchen wollten.
In der Einleitung ihrer Arbeit fassen sie ihre Ergebnisse so zusammen, dass zum Beispiel Matrizen der Ordnung 10, 15 oder 20 „meistens“ mit einer Genauigkeit von 8, 10 oder 12 weniger Ziffern als die Anzahl der Ziffern der Eingabe invertiert werden können. Mit „meistens“ meinen sie, dass unter Annahme einer plausiblen Wahrscheinlichkeitsverteilung auf den Matrizen diese Abschätzungen für alle Matrizen mit Ausnahme einer Minderheit geringer Wahrscheinlichkeit erfüllt sind. Diese Berechnungen fußten auf rigorosen individuellen Abschätzungen, die für alle Matrizen gültig sind. Mit einer wahrscheinlichkeitstheoretischen Behandlung der individuellen Matrizen hätten sie die Abschätzungen noch um einige Dezimalstellen verbessern können. (Sie erwähnen noch, dass sie keine Anstrengungen unternommen hätten, um optimale Abschätzungen zu beweisen, dass sie ihre Ansätze und die Abschätzungen für praktisch anwendbare Größenordnungen aber für optimal hielten.)
Eine allgemeinere Definition von Konditionszahlen gab kurz danach Alan Turing. Die Konditionszahl von Goldstine-Neumann entspricht in seiner Definition der L2-Konditionszahl.
Von Neumann galt damals allgemein als der kosmopolitischste, vielseitigste und intelligenteste Mathematiker des Jahrhunderts. Dass die Mathematik bei der intellektuellen Elite der USA an Interesse gewann, wurde ihm zugeschrieben. Neben seiner Tätigkeit in Princeton hatte er zahlreiche Beraterposten inne. Später würde er seine Forschungstätigkeit aufgeben um Mitglied der Atomenergiekomission zu werden. Er befürwortete einen Erstschlag gegen die Sowjetunion und verteidigte Atomtests. Er liebte teure Kleidung, hochprozentige Getränke, schnelle Autos und schmutzige Witze. Ein Außerirdischer, der gelernt hatte, einen Menschen perfekt nachzumachen, so beschrieb ihn mal jemand.
In der Nachkriegszeit gab es dann auch zeitweilig Computer am Institute for Advanced Study, obwohl man dort sonst keine experimentellen oder Ingenieurwissenschaften förderte. Es wurden vier Arbeitsgruppen gegründet: die Gruppe „Computer architecture und science“ sollte sich Gedanken über den grundsätzlichen Aufbau von Computern machen, eine weitere Gruppe beschäftigte sich mit numerischer Mathematik, eine andere, deren Arbeit schnell obsolet wurde, mit dem Entwurf und der Herstellung von Computern. Die vierte Gruppe bekam die Aufgabe, ein Problem mit Computern zu bearbeiten, das man auch dem Laien erklären konnte. So sollte die öffentliche Meinung für die Bereitstellung von Mitteln eingenommen werden. Von Neumann wählte als Problem für diese Gruppe die Meteorologie, 1950 entstand die erste im Computer berechnete Wettervorhersage.
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