Ob eine partielle Differentialgleichung lösbar ist und welche Dimension der Lösungsraum hat, hängt oft von topologischen Bedingungen ab. Klassisches Beispiel ist der Satz von Riemann-Roch, der zum Beispiel die Dimension des Raums der Lösungen von \overline{\partial}f=0 mit vorgegebenen Nullstellen aus dem Geschlecht der zugrundeliegenden Riemannschen Fläche berechnet. Der Satz von de Rham setzt die Dimension des Raums der „nichttrivialen“ Lösungen von dω=0 mit der Dimension der Homologiegruppen der zugrundeliegenden Mannigfaltigkeit gleich; der Satz von Hodge besagt, dass die Dimension der Homologiegruppen auch die Dimension des Lösungsraums von Δω=0 ist.

Elliptische Operatoren auf kompakten Mannigfaltigkeiten sind Fredholmsch: sie haben einen endlich-dimensionalen Kern und Kokern und man kann ihren Index definieren als dim(ker)-dim(koker). Israel Gelfand, dessen Seminar lange das Zentrum des mathematischen Lebens in Moskau war, stellte Ende der 50er Jahre in einer Reihe von Beispielen mit seinen Mitarbeitern fest, dass dieser Index für elliptische Operatoren homotopieinvariant ist. Er sollte sich also durch topologische Größen ausdrücken lassen. Analytiker begannen dann, mit neuen Methoden aus der Theorie der Pseudodifferentialoperatoren das Indexproblem anzugehen. Sie hatten zwar die analytischen Techniken, aber wußten nicht, welche topologische Formel sie eigentlich beweisen wollten. Ein eher elementares Beispiel, das auch schon Fritz Noether bekannt gewesen war, hatten Gochberg und Krein ausgearbeitet: L2(S1) hat einen Unterraum H0 aufgespannt von 1,z,z2,… Multiplikation mit einer stetigen Funktion f:S1——>S1 gefolgt von Projektion auf H0 definert einen Operator H0——->H0, der endlichdimensionalen Kern und Kokern hat. Sein Index ist minus die Umlaufzahl von f, also eine topologische Invariante. Aber für weniger elementare Beispiele hatte man keine plausiblen Vermutungen.

Durch Stephen Smale, der in Moskau Gelfands Seminar besucht hatte, wurde diese Fragestellung auch im Westen bekannt, insbesondere auch in Oxford, wo Atiyah und Singer bereits am Beweis ihres Indextheorems arbeiteten.
Hirzebruchs Signatursatz hatte die Konsequenz, dass eine gewisse Kombination von Pontrjagin-Klassen, die L-Klasse – ausgewertet auf der Fundamentalklasse einer 4n-dimensionalen Mannigfaltigkeit – immer eine ganze Zahl ergab, nämlich die Signatur (des Cupprodukts als quadratische Form auf der Homologie in Grad 2n). Hirzebruch und Atiyah war auch aufgefallen, dass es noch eine andere Kombination von Pontrjagin-Klassen, die Â-Klasse, gab, die diese Eigenschaft zumindest für Spin-Mannigfaltigkeiten hatte. (Und im allgemeinen nur für diese, das Â-Geschlecht von CP2 ist -1/8.) Hirzebruch hatte die Ganzzahligkeit des Â-Geschlechts schon 1954 vermutet und 1960 in einer Arbeit mit Borel mit formalen Argumenten – unter Verwendung einer neuen von Milnor entwickelten Theorie komplexer Kobordismusgruppen – bewiesen, die neu entwickelte K-Theorie gab eine natürliche Interpretation dieser ganzen Zahl. Atiyah meinte aber, dass es für diese Ganzzahligkeit einen tieferen Grund geben müsse, was ihn letztlich mit Singer zur Konstruktion des Dirac-Operators auf Spin-Mannigfaltigkeiten führte.

Spin-Strukturen interessierten die Physiker, weil man in der relativistischen Version der Quantenmechanik die Quadratwurzel aus dem Laplace-Operator auf der Raum-Zeit ziehen will. Das kann man machen, weil man eine gewisse Struktur auf dem Tangentialraum hat, nämlich die von den Basisvektoren ei mit den Relation eiej+ejei=-2δij erzeugte „Clifford-Algebra“ Cl(n). Dann kann man den Dirac-Operator D=e0.d/dt+e1.d/dx1+e2.d/dx2+e3.d/dx3 betrachten und erhält die gewünschte Quadratwurzel des Laplace-Operators Δ. Auf Mannigfaltigkeiten hat man eine solche Wirkung der Clifford-Algebra, wenn sie eine Spin-Struktur haben. Man definiert dann genauso einen Dirac-Operator D, allerdings unterscheiden sich D2 und Δ dann noch um einen Krümmungsterm.

Die Clifford-Algebren ermöglichten auch eine neue Interpretation der K-Theorie und der Bott-Periodizität. Moduln über Cl(n) entsprechen stabilen Vektorbündeln über Sphären, also Elementen in reeller K-Theorie des Punktes, und vermittels der Verklammerungs-Konstruktion dann Elementen der stabilen Homotopiegruppe der orthogonalen Gruppe O, analog im komplexen Fall. Bott-Periodizität folgte dann in einer Arbeit von Atiyah-Bott-Shapiro daraus, dass man Cl(n+8) bzw. im komplexen Fall Cl(n+2) aus Cl(n) bzw. Cl(n) durch Tensorieren mit Cl(8) bzw. Cl(2) erhält und man Moduln über Cl(n+8) bzw. Cl(n+2) aus Moduln über Cl(n) bzw. Cl(n) durch Tensorieren mit einem Cl(8)- bzw. Cl(2)-Modul bekommen kann.
Die Algebra Cl(n) enthält eine Gruppe Spin(n), die eine 2-fache Überlagerung der SO(n) ist; eine Spin-Struktur auf einer Mannigfaltigkeit ist eine Hebung des Rahmenbündels als SO(n)-Bündel zu einem Spin(n)-Bündel. Den irreduziblen Darstellungen der Clifford-Algebra entsprechen assoziierte Vektorbündel, die sogenannten Spinorbündel. Auf den Schnitten dieser Vektorbündel über Spin-Mannigfaltigkeiten kann man den Dirac-Operator in lokalen Koordinaten durch \Sigma_ie_i.\nabla_{e_i} (für einen gegebenen kompatiblen Zusammenhang ∇) definieren. Obwohl Dirac, der diese Operatoren in der Physik verwendet hatte, und Atiyahs Doktorvater Hodge, auf den die als Erweiterung des elektromagnetischen Formalismus entwickelte Theorie harmonischer Formen mit ihren zahlreichen Anwendungen in der algebraischen Geometrie zurückging, Kollegen in Cambridge waren, war es Hodge nie eingefallen, den Dirac-Operator in der Geometrie zu verwenden. Das lag sicher auch daran, dass Spinoren (die Schnitte des Spinor-Bündels) keine so naheliegende geometrische Interpretation wie die Differentialformen haben.

Die Dirac-Operatoren D sind selbstadjungiert und haben deshalb Index 0. Um einen nichttrivialen Index zu bekommen, braucht man noch eine Z/2Z-Wirkung auf dem Vektorbündel, die mit D antikommutiert. Dann bildet D den +1-Eigenraum auf den -1-Eigenraum ab (und umgekehrt) und man betrachtet den Index für diesen eingeschränkten Operator.

Viele klassische elliptische Differentialoperatoren erster Ordnung auf Vektorbündeln lassen sich als Dirac-Operator D zu einer Wirkung der Clifford-Algeba Cl(n) und einem geeigneten Zusammenhang ∇ interpretieren:
– für das äußere Bündel (das Bündel der Differentialformen) hat man die Cl(n)-Wirkung c(a)=e(a)-e(a)*, wobei e(a) die äußere Multiplikation meint. Der Operator ist dann d+d*. Sein Kern sind die harmonischen Formen, nach dem Satz von Hodge isomorph zur Kohomologie. Als Index (für die offensichtliche Z/2Z-Wirkung durch Multiplikation mit (-1)grad) bekommt man also die Euler-Charakteristik χ(M).
– ähnlich funktioniert es für die Kohomologie der Garbe holomorpher Differentialformen, die sich nach dem Satz von Dolbeault berechnen läßt als Kohomologie des Dolbeault-Operators auf komplexen Differentialformen. Man bekommt die holomorphe Euler-Charakteristik und damit den Satz von Hirzebruch-Riemann-Roch.
– auf einer 4n-dimensionalen Mannigfaltigkeit bekommt man mit demselben Operator d+d*, aber einer anderen Z/2Z-Wirkung, nämlich Multiplikation mit (-1)ne1…e4n, als Index des Dirac-Operators die Differenz der Dimensionen der +1- und -1-Eigenräume dieser Wirkung; das ist die Signatur von M, die nach dem Signatursatz von Hirzebruch durch Anwendung einer gewissen Kombination charakteristischer Klassen auf die Fundamentalklasse berechnet werden kann.

Aus der K-Theorie folgt, dass solche Operatoren in gewisser Weise alle elliptischen Operatoren erzeugen. Warum waren Dirac-Operatoren vorher kaum studiert worden? Es war wohl, weil Spinoren keine natürliche geometrische Interpretation haben, anders als Differentialformen. Und in der für die Physik eigentlich interessanten Raum-Zeit waren Dirac-Operatoren hyperbolisch, gehörten also nicht in die Theorie elliptischer Operatoren. Insofern war die Physik beim Atiyah-Singer-Indexsatz weit weg.

Der Satz, den Atiyah und Singer mit kräftiger Hilfe der Analytiker, besonders Nirenberg, bewiesen, besagte dann, dass der Index des Dirac-Operators gerade das Â-Geschlecht ist, die Auswertung der Â-Klasse auf der Fundamentalklasse (bzw. in der Version für verallgemeinerte Dirac-Operatoren einer kompliziertere charakteristische Klasse). Das hatte Hirzebruch mit einer Charakterformel für Spinordarstellungen nahegelegt und das erklärte jetzt, warum das Â-Geschlecht für Spinmannigfaltigkeiten immer eine ganze Zahl war, und auch warum – nach einem geometrisch bewiesenen Satz von Rochlin – die Signatur von 4-dimensionalen Spinmannigfaltigkeiten immer durch 16 teilbar ist.

André Lichnerowicz, Professor für Relativitätstheorie am Pariser Collège de France, hatte eine Formel bewiesen, die die Wirkung von D2 auf Spinoren als Summe aus einem positiv definiten Operator – dem Analogon von Δ – und einem skalaren Vielfachen der Identität (nämlich 1/4 der Skalarkrümmung) darstellte. (Der Beweis dieser Formel war eine naheliegende Rechnung und sie war schon Weitzenböck bekannt gewesen.) Eine offensichtliche Anwendung der Formel betraf Metriken positiver Krümmung: weil es bei positiver Skalarkrümmung wegen positiver Definitheit keine Lösungen von Du=0 geben kann, war als Anwendung des Indexsatzes das Â-Geschlecht bei Spinmannigfaltigkeiten also ein Hindernis für positive Krümmung. Lichnerowiczs Formel folgte einem Ansatz von Bochner, der ähnliche Formeln hergeleitet hatte um beispielsweise das Verschwinden gewisser Homologiegruppen unter gewissen Krümmungsschranken zu beweisen. Mit diesem Ansatz hatten Bochner und Yano bewiesen, dass Mannigfaltigkeiten negativer Krümmung nur endlich viele Isometrien haben können: andernfalls würde man durch Anwenden der Formel auf das Tangentialfeld der Wirkung einer differenzierbaren Gruppenwirkung einen Widerspruch erhalten. In den 60er Jahren nutzten Earle und Eells die Formel um die Existenz eindeutiger harmonischer Abbildungen in jeder Homotopieklasse von Abbildungen zwischen negativ gekrümmten Mannigfaltigkeiten zu beweisen. Aus der Lichnerowicz-Weitzenböck-Formel entwickelte sich später eine elaborierte Theorie von Hindernissen für Metriken positiver Skalarkrümmung.

Allgemein definieren die höchsten homogenen Terme eines Operators ein Symbol, mit dem man Elliptizität definieren kann, und das ein Element in topologischer K-Theorie bestimmt. Der Chern-Charakter von der K-Theorie in die Kohomologie gibt dann ein Element, das man noch mit Td multiplizieren kann um eine Kohomologieklasse zu erhalten, deren Auswertung auf der Fundamentalklasse eine rationale Zahl ist. Diese Zahl nannten Atiyah und Singer den topologischen Index und sie bewiesen dann ihren Indexsatz für elliptische Differentialoperatoren auf kompakten Mannigfaltigkeiten, demzufolge der topologische Index mit dem Index ind(D)=dim(ker D)-dim(koker D) übereinstimmt. Damit bekamen sie neue Beweise sowohl für Hirzebruchs allgemeines Riemann-Roch-Theorem als auch für den Signatursatz. Numerisch bedeutete ihr allgemeines Resultat, dass der Index des mit dem Bündel E getwisteten Operators DE sich durch Anwendung von ch(E).Â(M) auf die Fundamentalklasse von M ergibt, wobei ch(M) der Chern-Charakter, eine gewisse Kombination von Chern-Klassen, ist.

Den Beweis konnten sie mit Thoms Berechnung des Kobordismusrings darauf reduzieren, die Gleichheit für die erzeugenden Bordismusklassen nachzurechnen und die Änderung unter Kobordismen zu beschreiben. Letzteres benötigte die Erweiterung der elliptischen Randwerttechniken auf singuläre Integraloperatoren, also den Ausbau der von Calderón und Zygmund entwickelten Theorie. Kontakte mit Nirenberg und Hörmander waren dabei eine wichtige Hilfe. Auch die Analytiker anerkannten die Bedeutung ihrer Arbeit. Später fanden sie dann noch einen mehr am Beweis des Satzes von Grothendieck-Riemann-Roch ausgerichteten, K-theoretischen Beweis. Er benutzte eine Einbettung der Mannigfaltigkeit in einen Rn und die Konstruktion eines direkten Bildes. Dieser Beweis funktionierte in einem rein K-theoretischen Kontext und vermied rationale Kohomologie. Der Indexsatz für Familien war eine einfache Konsequenz des neuen Beweises.

Einen „lokalen“ Beweis des Indexsatzes mittels des Wärmeleitungsflusses fand zwanzig Jahre später Ezra Getzler. Er benutzte, dass sich die Superspur von e-tDD* mit t nicht ändert und für t gegen unendlich gegen den Index von D konvergiert. Für t gegen 0 konnte Getzler die Superspur aber durch Rechnungen in lokalen Koordinaten bestimmen und erhielt die lokalen Ausdrücke der Pontrjagin-Klassen, die in der Definition des Â-Geschlechts verwendet werden.

Bild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Atiyah-Hirzebruch_crop.jpegund

Kommentare (3)

  1. #1 kausus
    Regensburg
    31. Januar 2021

    Die Clifford-Algebra wird von den Relationen e_ie_j + e_je_i + 2 \delta_{ij} =0 erzeugt.

  2. #2 Thilo
    31. Januar 2021

    Pardon, ist korrigiert.

  3. #3 Theorema Magnum – Mathlog
    2. September 2021

    […] Der meßbare Riemannsche Abbildungssatz Der h-Kobordismus-Satz Der Satz von Feit-Thompson Der Atiyah-Singer-Indexsatz Auflösung der Singularitäten Das Prinzip der großen Abweichungen Lusins Vermutung Strukturelle […]