Newton als Begründer der klassischen Mechanik hatte im 17. Jahrhundert geglaubt, dass sein mathematisches Modell des Sonnensystems keine stabilen Lösungen habe. (Er hatte gemeint, dass das Sonnensystem gelegentliche göttliche Einflußnahme brauche, um stabil zu bleiben. Solche Fragen wurden damals von Theologen sehr ernst genommen.) Poincaré überzeugte die Mathematiker im späten 19. Jahrhundert, dass das Sonnensytem intrinisch instabil sei und eine beliebig kleine Unsicherheit über die Position der Planeten alle Vorhersagen unmöglich machten. Die weitere Entwicklung der Ergodentheorie wurde eher als Bestätigung seiner Sichtweise gesehen. Erst Kolmogorows Vortrag “Harnessing probabilities and the deterministic equations of mechanics” auf dem Internationalen Mathematikerkrongreß 1954 zeigte dem verblüfften Publikum, dass das Sonnensystem “wahrscheinlich” stabil ist – Instabilität ist möglich, kommt aber nur selten vor; es gibt ein Problem mit kleinen Divisoren, die gewisse Trajektorien eliminieren, aber selbst so erhält man probabilistisch gesehen Langzeitstabilität. Das widersprach der Intuition vieler Mathematiker, die meinten dass generische in der Physik vorkommende Systeme ergodisch sein sollten. Etwa gleichzeitig wurde diese Überzeugung aber auch durch numerische Computerexperimente von Fermi, Pasta, Ulam und Tsingou erschüttert. Diese hatten in Los Alamos den MANIAC I mit ihrem Modell gekoppelter Oszillatoren gefüttert, um numerisch seine Ergodizität zu beweisen, hatten aber überraschend ein quasiperiodisches Verhalten und häufiger Integrabilität als Nichtintegrabilität gefunden. Kolmogorows Behauptungen waren zunächst kaum akzeptiert worden, wegen der Komplexität des Problems und auch wegen Kolmogorows elliptischem Vortragsstil. Es dauerte fast zehn Jahre, bis Arnolds und Mosers unterschiedliche Beweise dann die Mathematiker überzeugten.
Die Stabilität in der Kolmogorow-Arnold-Moser-Theorie bedeutet, dass eine kleine Störung fast immer zu quasiperiodischen Lösungen führt, die zwar nicht unbedingt periodisch sein müssen, aber jedenfalls auf einem invarianten Torus liegen. (Wo sie eventuell dicht liegen können, wenn die Anstieg irrational sind.)
Das ist natürlich ein recht schwacher Stabilitätsbegriff. Ein stärkerer Begriff ist die „strukturelle Stabilität“: ein dynamisches System heisst strukturell stabil, wenn kleine Störungen stets zum ursprünglichen System konjugiert sind. (D.h. es gibt einen Homöomorphismus des Phasenraums, der das gestörte System in das ursprüngliche überführt.)
Andronov und Pontrjagins hatten 1937 präzise Bedingungen angegeben, wann ein dynamisches System aus dem R2 strukturell stabil ist. (Die Bezeichnung „strukturell stabil“ findet sich erst in Lefschetzs Übersetzung.) Insbesondere hatten sie für ebene Syteme gezeigt, dass strukturelle Stabilität generisch ist. (Peixoto verallgemeinerte das später für dynamische Systeme auf beliebigen Flächen.) Pontrjagin war aber davon ausgegangen, dass es strukturelle Stabilität in höheren Dimensionen nicht geben würde.
Stephen Smale kannte Thoms Arbeiten zu Transversalität und schlug vor, dass Flüsse dann und nur dann strukturell stabil sein sollten, wenn sich die stabilen und instabilen Mannigfaltigkeiten der Gleichgewichte oder periodischen Bahnen transversal schneiden. (Solche Flüsse werden heute als Morse-Smale-Flüsse bezeichnet.) Er war überzeugt, dass generische Differentialgleichungssysteme diese Eigenschaft haben sollten – wie es ja bei zwei-dimensionalen Systemen der Fall war nach dem Kriterium von Andronow und Pontrjagin (und allgemeiner für Flüsse auf Flächen nach einem Satz von Peixoto). Wenn er mit der klassischen Literatur, angefangen mit Poincaré, vertraut gewesen wäre, hätte er gesehen, wie abwegig dieses Vermutung war. (Immerhin fanden Flüsse mit dieser Eigenschaft eine Anwendung im Beweis verallgemeinerter Morse-Ungleichungen.)
Jedenfalls brachten ihm diese Ideen eine Einladung nach Brasilien, wo er aber über Topologie arbeitete und (nach eigener Aussage an den Stränden von Rio) den h-Kobordismussatz und die höher-dimensionale Poincaré-Vermutung bewies.
Verschiedene Mathematiker wiesen ihn bald auf Gegenbeispiele zur Generizität der Morse-Smale-Systeme hin. Smale wollte dies zunächst nicht glauben, fand bei der Beschäftigung mit den Gegenbeispielen dann aber die Hufeisen-Abbildung als Beispiel einer „chaotischen“ strukturell stabilen Abbildung mit unendlich vielen periodischen Bahnen.
Der richtige Ansatz zur strukturellen Stabilität war dann der Begriff der Hyperbolizität. Nach einigen falschen Ideen vermutete Smale, dass hyperbolische Systeme strukturell stabil sein sollten. Er hatte keine Ansätze, wie man das beweisen könnte. Die wesentlichen Ergebnisse dazu kamen dann von der Moskauer Schule bald nachdem Smale 1961 auf einer Konferenz in Kiew den sowjetischen Mathematikern seine Vermutungen präsentiert hatte.
Hyperbolische Geometrie war in der Theorie dynamischer Systeme erstmals von dem Zahlentheoretiker Emil Artin genutzt worden, der 1924 bewies, dass der geodätische Fluss auf der Modulkurve SL(2,Z)\H2 ergodisch ist. In den 30er Jahren hatten dann Gustav Hedlund und Eberhard Hopf die Ergodizität des geodätischen und horozyklischen Flusses auf hyperbolischen Flächen bewiesen und dabei wesentlich benutzt, dass sich in negativer Krümmung Geodäten mit exponentieller Geschwindigkeit voneinander wegbewegen, was zu sensitiver Abhängigkeit von den Anfangsbedingungen führt. Diese Eigenschaft wurde auch in anderen Ergodizitätsbeweisen wesentlich und man formalisierte sie später im Begriff der Hyperbolizität: ein Diffeomorphismus heißt hyperbolisch, wenn die Eigenwerte der Linearisierungen größer oder kleiner (und nicht gleich) 1 sind. Ein Fluss heißt hyperbolisch, wenn die Poincaré-Rückkehrabbildung hyperbolisch ist.
In Poincarés ursprünglichem Ansatz zur Himmelsmechanik hatte er Querschnitte zu periodischen Bahnen betrachtet und die auf diesen von der Rückkehrabbildung induzierten Diffeomorphismen (Poincaré-Abbildung). Diffeomorphismen waren also ein Hilfsmittel zum Verständnis von Flüssen. Beispielsweise bewies er, dass transitive Diffeomorphismen des Kreises genau dann topologisch konjugiert sind, wenn sie dieselbe Rotationszahl haben. Bei Smale wurden Diffeomorphismen zu einem eigenen Forschungsgebiet: er war überzeugt, dass dieselben Phänomene und Probleme wie in der Theorie der gewöhnlichen Differentialgleichungen in ihrer einfachsten Form auch im Diffeomorphismenproblem – der Frage nach der topologischen Konjugierbarkeit von Diffeomorphismen – vorhanden sind und dass, wenn ein Problem dort gelöst wird, die Rückübertragung auf Flüße ein sekundäres Problem ist.
Gleichmäßig hyperbolische Diffeomorphismen (heute bekannt als Anosov-Diffeomorphismen) sind per Definition solche, wo sich der Tangentialraum als direkte Summe zweier Bündel zerlegen läßt, so dass Vektoren des einen Summanden (mindestens um einen bestimmten Faktor) kontrahiert und Vektoren des anderen Summanden (mindestens um einen bestimmten Faktor) expandiert werden. Das einfachste Beispiel ist die Katzenabbildung, das ist die durch die Matrix auf dem Torus T2=R2/Z2 induzierte Abbildung. Diese hat zwei Eigenwerte, deren einer größer als 1 und der andere kleiner als 1 ist. Vektoren parallel zum Eigenvektor des ersten Eigenwertes werden expandiert, während Vektoren parallel zum Eigenwert des zweiten Eigenwertes kontrahiert werden.
Für Flüsse hat man einen analogen Begriff von Hyperbolizität – hier wird nur das Komplement der Flußrichtung in kontrahierende und expandierende Richtungen zerlegt. Die beiden Bündel sind im allgemeinen nur Hölder-stetig, für zahlreiche Anosov-Flüsse auch C1, aber selten C2. Sie integrieren zu Blätterungen durch stabile und instabile Mannigfaltigkeiten, was, wie Anosov betonte, schon aus Arbeiten von Hadamard und Perron folgt. Smale und Anosov befaßten sich motiviert durch Hopfs Arbeit mit solchen Systemen und Anosov bewies, dass sie stets ergodisch sind. (Dafür mußte er voraussetzen, dass der Fluss C2 ist. Ob Ergodizität auch für C1-Anosov-Flüsse gilt, ist bis heute offen.) Hopf hatte für Flächen benutzt, dass die stabilen und instabilen Blätterungen C1 sind, was in höheren Dimensionen aber nur bei zwischen -1 und -4 beschränkter Krümmung stimmt. Anosov bewies jedoch, dass die schwach-instabilen Blätterungen absolutstetig sind, womit Hopfs Argument weiterhin funktioniert.
Anosov entwickelte die wesentlichen technischen Werkzeuge der hyperbolischen Dynamik, neben der Theorie stabiler und instabiler Blätterungen vor allem einen Zugang mittels ε-Orbiten (Pseudo-Bahnen) und ihren Familien. Er bewies das Beschattungslemma, demzufolge jeder ε-Orbit von einem echten Orbit beschattet wird. Dieses Beschattungslemma wurde das wohl wichtigste organisierende Prinzip der hyperbolischen Dynamik. Aus ihm folgen direkt Anosovs Schließungslemma, die strukturelle Stabilität, die Existenz von Markow-Zerlegungen (eine symbolische Beschreibung im Stile des Hufeisens) und vieles mehr. Es war implizit in Anosovs Arbeit von 1967, explizit formuliert in einem Artikel 1970 und wurde dann in den 70er Jahren das Thema einer Reihe grundlegender Arbeiten von Rufus Bowen, in denen es für die symbolische Beschreibung von Diffeomorphismen mittels Markow-Zerlegung ging.
Der Wiederkehrsatz von Poincaré besagt für volumenerhaltende Flüsse die Existenz von fast-periodischen Bahnen. Mit Anosovs Beschattungslemma erhält man im hyperbolischen Fall dann sogar periodische Bahnen. Die Skizze veranschaulicht, wie Anosovs Beweis die Hyperbolizität verwendet: zu einem Punkt x(0) mit fast-periodischer Bahn, also x(t) in der Nähe von x(0), betrachtet er den Schnittpunkt y der stabilen Mannigfaltigkeit von x(0) mit der instabilen Mannigfaltigkeit von x(t). Die Bahn durch y verläuft fast durch x(0) und x(t) und aus den Stabilitätseigenschaften folgt, dass die beiden entsprechenden Punkte auf der Bahn von y sehr viel näher beieinander liegen als x(0) und x(t). Durch Iteration dieses Verfahrens erhält man im Grenzwert eine periodische Bahn.
Für die weitere Untersuchung von Anosov-Diffeomorphismen nützlich war vor allem die Markov-Zerlegung der zugrundeliegenden Mannigfaltigkeit, mit der die Untersuchung der hyperbolischen Dynamik auf das Studium einer symbolischen Dynamik zurückgeführt werden kann – analog zu Smales symbolischer Dynamik der Hufeisenabbildung – und damit die Methoden der statistischen Mechanik nutzbar werden. Die symbolische Dynamik hängt dabei in jedem Zeitpunkt nur von der gegenwärtigen Situation und nicht von der Vergangenheit des Systems ab, man bekommt also einen Markow-Prozeß.
Einen Beweis der von Smale letztlich 1961 vermuteten strukturelle Stabilität gleichmäßig hyperbolischer Systeme (von Smale als Anosov-Flüsse bezeichnet) hatte Anosov schon 1962 angekündigt und 1965 zum Thema seiner Habilitation gemacht, einen ausführlichen Beweis veröffentlichte er aber erst 1967 in einer 235 Seiten langen Arbeit in den Proceedings des Steklow-Instituts („Geodesic flows on compact Riemannian manifolds of negative curvature“).
Im Diffeomorphismen-Fall gab Moser einen anderen, analytischen Beweis der strukturellen Stabilität. Er übersetzte die topologische Konjugierbarkeit in eine Funktionalgleichung zwischen Operatoren auf dem Raum der Vektorfelder und zeigte, dass diese mit dem beim Beweis des Banachschen Fixpunktsatzes benutzten Kontraktionsprinzip gelöst werden kann – dafür benötigt man die Hyperbolizität.
In seinem Überblicksartikel “Differentiable Dynamical Systems” stellte Smale 1967 die mutmaßlich ultimative Bedingung für strukturelle Stabilität vor: Axiom A zusammen mit Transversalität der stabilen und instabilen Mannigfaltigkeiten. Axiom A – motiviert von Mosers Beweis der strukturellen Stabilität im hyperbolischen Fall – sollte bedeuten, dass man auf der Menge der nichtwandernden Punkte eine hyperbolische Struktur hat und dass die periodischen Punkte dicht in der Menge der nichtwandernden Punkte liegen. Dies umfaßt die Anosov-Diffeomorphismen, denn für diese liegen periodische Punkte dicht in den nichtwandernden Punkte (während es eine offene Frage ist, ob die nichtwandernden Punkte die ganze Mannigfaltigkeit bilden). Smales Überblicksartikel wurde auch wegen seines Schreibstils sehr populär und führte dazu, dass die Theorie hyperbolischer Systeme und struktureller Stabilität vor allem mit seinem Namen assoziiert wurde.
Verallgemeinerungen der Theorie gleichmäßig hyperbolischer Systeme entwickelten in den 70er Jahren Anosovs Studenten Michail Brin (partiell hyperbolische Dynamik) und Yakov Pesin (nicht-gleichmäßig hyperbolische Dynamik). Wegen der inzwischen in Moskau praktizierenden Benachteiligung jüdischer Studenten mußten sie ihre Dissertationen an Provinzuniversitäten verteidigen, Brin in Charkow und Pesin in Gorki.
Bild: https://www.bookofproofs.org/history/dmitrii-viktorovich-anosov/
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