In Halle hat in den letzten Wochen ein politisches Drama stattgefunden, das vermutlich diesen Montag seinen Abschluß finden wird und in dem es um Impfungen und einen Zufallsgenerator ging.
Anfang Januar hatte der in “Katastrophenschutzstab” umbenannte Pandemiestab der Stadt Halle beschlossen, wie mit übriggebliebenen Resten bei Impfungen zu verfahren sei. Diese sollten an per Zufallsgenerator aus einer Gruppe aus Rettungssanitätern, aerosolbelasteten Ärzten, Mitgliedern des Stadtrats und des Katastrophenschutzstabes ausgewählten Zufallsimpflingen verimpft werden. (Die letzten beiden Gruppen gehören eigentlich nicht zu denen, die laut Priorisierung schon an der Reihe wären.)
Zufällig wurde dann von diesem Zufallsgenerator am 17. Januar zunächst der Oberbürgermeister für eine außerplanmäßige Impfung ausgewählt, in den folgenden Tagen dann seine Beigeordneten und die Fraktionsvorsitzenden der Stadtratsfraktionen, obwohl diese sich überhaupt nicht in Listen eingetragen hatten. (Angeblich sollen auch die Mitarbeiter des OB-Büros alle geimpft worden sein.) Der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei wurde gleich an drei Tagen vom Zufallsgenerator ausgewählt nachdem er bei den ersten beiden zufällig angebotenen Terminen keine Zeit gehabt hatte – ein bemerkenswert unwahrscheinlicher Zufall.
Bekannt wurden diese Impfungen erst am 5. Februar. Seitdem wurden die eigentlich wegen der Pandemielage täglich einberufenen Pressekonferenzen des Oberbürgermeisters zu wahren Medienereignissen, in denen der OB sehr geschickt und wortreich alle Fragen umging und insbesondere an der Behauptung einer zufälligen Auswahl festhielt. (Immer wieder fiel dabei das Schlagwort “Letzter Anruf vor Entsorgung”.) Man kann die Pressekonferenzen auf dem YouTube-Kanal StadtHalleSaale anschauen, es ist wirklich bemerkenswert, wie dort immer wieder mit allen möglichen Tricks Fragen erfolgreich ausgewichen wird.
Letztlich mußte in der öffentlichen Stadtratssitzung am 12. Februar der zuständige Beamte dann doch die Funktionsweise des angeblichen Zufallszahlengenerators erklären.
Wenn wir mit vor Ort verfügbaren Nachimpflingen immer noch Impfdosen zur Verfügung haben, dann versuchen wir dienstfreies Personal zu aktivieren, und wenn auch das nicht gelingt, kommen wir zum achten Punkt, das ist der Kernpunkt, die Aktivierung des Ad-hoc-Verfahrens. Wir haben in der Impfplanung verschiedene Personen identifiziert, die wir in dieses Ad-hoc-Verfahren einbeziehen, das sind über 800 Personen, in der Regel Ärzte, besonders aerosolbelastete Ärzte, Zahnärzte, Augenärzte und Anästhesisten, das sind Pflegende im ambulanten Pflegebereich, und in diesem Topf sind auch drin gewesen Stadträte, die sich zur Impfung bereiterklärt haben und Mitglieder des Katastrophenschutzstabes. … Der Zufallsgenerator: wir nehmen einfach im Internet, Sie können bei Google oder jedem anderen Provider “Zufallsgenerator” eingeben, und da kommen Sie auf ein Computerprogramm und können dann eingeben, ich möchte in den Zahlen von 1 bis 100, von 1 bis 150 eine zufällige Zahl zugewiesen bekommen … und dann kriegt man die 128, und dann kuckt man in die Liste, wer die 128 ist und der kommt dann dran.
Es stellte sich dann heraus, dass im Pool des Zufallsgenerators 855 Personen befunden hätten, davon 826 in der höchsten Priorisierungsstufe und 29 andere (also Stadträte und Mitglieder des Katastrophenstabes). Die 29 aus der letzten Gruppe hätten aber fast alle ein Impfangebot bekommen, der Fraktionsvorsitzende sogar dreimal. “Wie kann denn das sein nach dem Zufallsgenerator, das ist doch sehr unwahrscheinlich” fragte ein Stadtrat. (Der Beamte bestritt zunächst die drei Aufrufe und behauptete, es sei nur zweimal die Verbindung zusammengebrochen. Es handelte sich dann aber doch um drei Anrufe an drei Tagen.)
So die Erläuterungen am 12.2. In der nächsten Stadtratssitzung am 17.2. wird dann vom OB eingeräumt, dass bei der Impfung von 29 Personen aus dem Katastrophenschutz und dem Stadtrat kein Zufallsgenerator eingesetzt wurde, sondern nur ein Sechs-Augen-Prinzip. (Wobei zwei der Augen wohl seine eigenen und die anderen vier unbekannt sind.) Fünf Tage später gab es dann eine Durchsuchung wegen des Verdachts der “veruntreuenden Unterschlagung” des Corona-Impfstoffs, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
Der Wikipedia-Artikel Zufallszahlengenerator unterscheidet zwei Arten von Zufalksgeneratoren:
Man unterscheidet grundsätzlich zwischen nicht-deterministischen und deterministischen Zufallszahlengeneratoren. Nicht-deterministisch ist ein Zufallszahlengenerator, wenn er auch bei gleichen Ausgangsbedingungen unterschiedliche Werte liefert. Da die Implementierung einer Software-Prozedur in der Regel deterministisch arbeitet, muss zur Realisierung eines nicht-deterministischen Zufallszahlengenerators ein externer (beispielsweise physikalischer) Vorgang einbezogen werden. Ein deterministischer Zufallszahlengenerator liefert bei gleichen Ausgangsbedingungen dagegen immer die gleiche Folge von Zahlen.
In Halle dürfte es sich wohl um einen deterministischen Zufallsgenerator gehandelt haben.
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