Bekanntlich divergiert die harmonische Reihe \sum_{n=1}^\infty\frac{1}{n}, während man leicht zeigen kann, dass \sum_{n=1}^\infty\frac{1}{n^2} kleiner als 2 bleibt und deshalb konvergieren muß. Die Suche nach dem genauen Wert dieser Reihe wurde im 17. Jahrhundert als “Basler Problem” bekannt, gelöst wurde die Frage 1735 von Euler: \sum_{n=1}^\infty \frac{1}{n^2}=\frac{\pi^2}{6}.
Heute gibt es hierfür einen einfachen Beweis, der die Fourier-Entwicklung der (auf dem Intervall [-π, π] definierten und dann 2π-periodisch fortgesetzten) Funktion f(x)=x2 benutzt. (Die Fourier-Koeffizienten sind (-1)ni/n, woraus mit der Parsevalschen Gleichung \sum_{n\in{\bf Z}-0}\frac{1}{n^2}=\frac{1}{2\pi}\int_{-\pi}^\pi x^2dx folgt.) Mit diesem Ansatz, angewandt auf f(x)=x2k kann man auch die Werte der Reihen \sum_{n=1}^\infty\frac{1}{n^{2k}} berechnen: sie sind rationale Vielfache von π2k.

Die für Re(s)>1 durch \zeta(s)= \sum_{n=1}^\infty\frac{1}{n^s} definierte (und dann auf C-{1} analytisch fortgesetzte) Riemannsche Zeta-Funktion ist vor allem wegen ihrer Anwendung auf den Primzahlsatz berühmt, an geraden Stellen nimmt sie wie gesagt rationale Vielfache von Potenzen von π als Werte an, über die zahlentheoretischen Eigenschaften ihrer Werte an ungeraden Stellen ist aber wenig bekannt. Selbst die Irrationalität von ζ(3) war lange nicht bekannt.
Irrationalität und vor allem Transzendenz von Zahlen ist oft eine sehr schwierige Frage. In den 30er Jahren bewiesen Gelfond und Schneider, dass für algebraische Zahlen α,β die Potenz αβ transzendent ist, wenn β irrational und α≠0,1. Damit bekommt man die Transzendenz von eπ=(-1)-i . Es ist aber zum Beispiel nicht bekannt, ob e+π transzendent ist und selbst die Irrationalität dieser Summe ist ein offenes Problem. Allgemeiner haben Gelfond und Schneider bewiesen, dass das Produkt solcher Potenzen αi βi transzendent ist, wenn zusätzlich die βi linear unabhängig über Q sind.
Die wichtigsten weiteren Fortschritte in diesem Gebiet der Zahlentheorie wurden von Alan Baker erzielt. Für irreduzible quadratische Formen f vom Grad mindestens 3 (z.B. elliptische und hyperelliptische Gleichungen) und Gleichungen f(x,y)=m mit ganzzahliger rechter Seite bewies er 1968 eine (zumindest im Prinzip) effektive obere Schranke für die Norm der ganzzahligen Lösungen. Zum Beispiel sind die ganzzahligen Lösungen von y2=x3+k alle kleiner als exp(1010k10000). Man kann also für diese Gleichungen alle Lösungen explizit bestimmen. Er bewies eine Reihe weiterer Sätze wie eine effektive Version von Siegels Endlichkeitssatz für ganzzahlige Punkte elliptischer Kurven oder eine effektive untere Schranke für die Approximierbarkeit algebraischer durch rationale Zahlen.
Ferdinand Lindemann hatte 1882 die Transzendenz von π als Spezialfall – angewandt auf 0 und π – des allgemeinen Satzes gezeigt, dass die Anwendung der Exponentialfunktion auf algebraische Zahlen zu über dem Körper der algebraischen Zahlen linear unabhängigen Zahlen führt. Den Satz von Gelfond-Schneider kann man so interpretieren, dass für die Logarithmen algebraischer Zahlen α1, α2 aus der linearen Unabhängigkeit über Q auch die lineare Unabhängigkeit über dem Körper der algebraischen Zahlen folgt. Baker bewies diese lineare Unabhängigkeit auch für 1,log α1,…,log αk, also die Logarithmen beliebig vieler algebraischer Zahlen. Tatsächlich bewies er sogar untere Schranken (in Abhängigkeit der Höhen der αi, βi ) für Linearformen \beta_0+\beta_1\log\alpha_1+\ldots+\beta_k\log\alpha_k. Für dieses Resultat erhielt er 1970 die Fields-Medaille. Die Methoden waren harte Analysis, in einem Nachruf wurde es später so beschrieben, dass Bakers wichtigste Leistung daran bestand, mehrere komplexe Variablen ohne Furcht vor Hartogs-artigen Komplikationen eingeführt und dann auf eine Variable reduziert zu haben, um die fehlenden Nullstellenabschätzungen zu bekommen.

Bakers Methoden hatten zahlreiche Anwendungen, beispielsweise auf das Klassenzahlproblem und verschiedene Klassen diophantischer Gleichungen. Die Werte der Zetafunktion ließen sich mit diesen Methoden jedoch nicht angehen. Apérys Idee war, dass die früher in der Funktionentheorie verwendeten Methoden zur Summation divergenter Reihen als Konvergenzbeschleuniger wirken. Er wandte das auf Folgen rationaler Zahlen an, für die aus der Geschwindigkeit der Konvergenz die Irrationalität des Grenzwerts folgt. Genauer betrachtete er Folgen von Folgen rationaler Approximationen, wobei jede Folge schneller konvergiert als die vorhergehende. Wenn man das Wachstum der Terme in diesen Approximationen kontrollieren kann, kann man „wenn man Glück hat“ die Irrationalität beweisen. Das funktionierte für die Logarithmen rationaler Zahlen und für ζ(2), für die Irrationalität natürlich schon bekannt war. Es funktionierte aber auch für ζ(3).

Die Zetafunktion an der Stelle 3 läßt sich als Reihe \zeta(3) = \frac{5}{2} \sum_{n=1}^\infty \frac{(-1)^{n-1}}{n^3 \binom{2n}{n}} darstellen. Das war seit mehr als hundert Jahren bekannt. Andrei Markow, der später durch seine Arbeiten zur Wahrscheinlichkeitstheorie bekannt geworden war, hatte als erster diese Darstellung benutzt und sie war dann immer mal wiederentdeckt worden, war aber trotzdem den meisten Mathematikern unbekannt. Apéry benutzte diese Reihendarstellung, um die Irrationalität von ζ(3) bewiesen. Das kam völlig überraschend, denn das Problem galt als unzugänglich. Apéry trug den Beweis erstmals 1978 vor und kaum jemand glaubte an die Korrektheit. Der dann in zweimonatiger Arbeit mit Cohen, Lenstra, van der Porten und Unterstützung von Zagier aufgeschriebene und 1979 in Astérisque erschienene, keine 3 Seiten lange Beweis war aber korrekt. “Man kann den Beweis nur wie einen Juwel vor sich her tragen” soll C. L. Siegel gesagt haben.
Die Methode ließ sich – zehn Jahre später in einer Arbeit von André-Jeannine – auch auf die Summe der Reziproken der Fibonacci-Zahlen anwenden, ein 1899 von Edmund Landau gestelltes Problem.

Mathematiker untersuchten dann die Struktur des Beweises und suchten alternative Beweise, die sich vielleicht auf andere ungerade Zahlen übertragen lassen. Beukers, Doktorand in Leiden, gab zwei erhellendere Beweise, von denen vor allem der erste auf dem Begriff der Perioden aufbaute.

Als Periode bezeichnet man das Ergebnis der Auswertung einer geschlossenen Differentialform auf einem Zykel. In der Zahlentheorie interessiert man sich dabei für Werte, die man als Integrale algebraischer Differentialformen über Gebiete, die durch algebraische Gleichungen oder Ungleichungen mit rationalen Koeffizienten gegeben sind, erhält, und bezeichnet nur diese als “Perioden”.
Alle algebraischen Zahlen und noch viele andere interessante Zahlen sind Perioden. Die Logarithmen natürlicher Zahlen bekommt man als Integral von dx/x über Intervalle in R. Die Kreiszahl π bekommt man durch Integration von dxdy über die abgeschlossene Einheitskreisfläche. 2πi bekommt man durch Integration der komplexen Differentialform dz/z über den Einheitskreis. Man vermutet, dass e keine Periode ist. Dagegen hatte Siegel 1932 bewiesen, dass Perioden gewisser elliptischer Integrale transzendent sind und auch Bakers Sätze lassen sich als Resultate über die Transzendenz und algebraische Unabhängigkeit von Perioden interpretieren. Auch ζ(3) ist eine Periode, denn man bekommt es als Integral \zeta(3)=\int_{0\le x\le y\le z\le 1}\frac{1}{(1-x)yz}dxdydz.

Allgemeiner bekommt man alle Werte der Zetafunktion und auch von Mehrfachzetafunktionen an ganzzahligen Stellen. Es ist schwer, Relationen zwischen Perioden zu verstehen und tatsächlich kennt man bis heute keine „nicht-offensichtlichen“ (d.h. sich nicht aus den Regeln der Integralrechnung ergebenden) Relationen zwischen Perioden. Es gibt eine Vermutung Grothendiecks, dass für eine Varietät X der Transzendenzgrad der durch die Perioden von X definierten Körpererweiterung von Q mit der Dimension der motivischen Galois-Gruppe von X übereinstimmt. Beispielsweise hat man für die projektive Gerade X=P1 die Gruppe Gm und die Periodenalgebra Q(π), hier ist die Vermutung also korrekt. Grothendieck stellte diese Vermutung 1966 auf, der einzige weitere bekannte Fall – bewiesen 1979 von G.V.Chudnovsky – sind elliptische Kurven mit komplexer Multiplikation.

Bild: https://mathshistory.st-andrews.ac.uk/Biographies/Apery/pictdisplay/

Kommentare (5)

  1. #1 Haju Reck
    Nürnberg
    24. Mai 2021

    In der Uni habe ich mit Differiantgleichungen und Untergruppen aufgehört.Ich würde das alles hier gerne verstehen, aber höre nur weißes Rauschen. Gibt es Online-Kurse für Mathe nach dem Vordiplom? Wikipedia erklärt sich nur selbst im Kreis rum.

  2. #2 Joachim
    25. Mai 2021

    Christian Spannagel auf youtube hat einige sehr gute Videos. Allerdings oftmals mit ehr “einfachem” Stoff vor dem Vordiplom. Lohnt trotzdem.

    Mit der Periode hörte es hier bei mir spätestens auch auf. Doch das Thema Zahlentheorie und die ζ-Funktion(en) finde ich (trotzdem!) spannend.

  3. #3 Thilo
    25. Mai 2021

    Pandemiebedingt wird ja aktuell sehr viel online unterrichtet. Aber die meisten Professoren machen ihre Vorlesungsvideos dann doch lieber nur den eigenen Studenten zugänglich und stellen sie nicht auf YouTube ein. Ich habe auch schon mal überlegt, meine Vorlesungen über Differentialgleichungen auf YouTube zu stellen. Aber irgendwie ist dann doch alles immer nicht so perfekt, dass man es wirklich ganz öffentlich machen möchte.

  4. #4 Joachim
    25. Mai 2021

    Nun das war ja jetzt eine Vorlage 😉

    Bitte, bitte. (Differentialgleichungen zu lösen ist keine Mathematik. Das ist Kunst, jedenfalls manchmal)

  5. […] Der Vier-Farben-Satz Die Calabi-Vermutung Thurstons Satz über hyperbolische Dehn-Chirurgie Irrationalität von Zeta(3) Shelahs Main Gap Die Kazhdan-Lusztig-Vermutungen Exotische vierdimensionale Räume Die […]