Die dann als Apfelmännchen bezeichnete Menge M wurde durch den ästhetischen Wert der mit ihr verbundenen Computergrafiken und die Möglichkeit des Hineinzoomens in immer kleinere Bildbereiche populär. Obwohl unbestritten Douady und Hubbard die wesentlichen mathematischen Beiträge geleistet hatten, blieb sie mit Mandelbrots Namen verbunden und der verteidigte seine Urheberschaft auch sehr aggressiv. In seinen Büchern findet man keine Hinweise darauf, auf den Schultern von Riesen zu stehen: er war größer und hatte deswegen weiter gesehen als andere. In einer Zeit, wo abstrakte Methoden Konjunktur hatten, hatte er auf Bilder geschaut und daraus Schlußfolgerungen gezogen. Seine Bilder und dann auch sein Buch über die fraktale Geometrie der Natur popularisierten die Mathematik, gleichzeitig spielten Fraktale aber auch in der mathematischen Forschung eine Rolle, etwa als Limesmengen in der Theorie der Kleinschen Gruppen oder in der mathematischen Untersuchung der Brownschen Bewegung.

Mit den Fraktalen rückten auch die seltsamen Attraktoren und das Chaos stärker ins öffentliche Bewußtsein, obwohl diese eigentlich wenig mit Fraktalen zu tun hatten. In den Medien wurde das Chaos nun als eine Revolution und eine neue Wissenschaft, ein Paradigmenshift, dargestellt, obwohl die Sensitivität von Differentialgleichungen gegenüber Anfangsbedingungen seit fast hundert Jahren ein Thema der mathematischen Forschung gewesen war. Auch wenn Poincaré oder Birkhoff das schon gewußt hatten, wurde erst durch jetzt mit der Entwicklung preiswerter, leicht zu benutzender Computer möglich gewordenen Computerberechnungen von Approximationen der Lösungen nichtlinearer Differentialgleichungen allgemein akzeptiert, dass scheinbar zufälliges Verhalten eine inhärente Eigenschaft nichtlinearer Systeme und nicht nur ein Rauschen durch Fehler im Experiment ist. Besonders populär wurde die Metapher vom Schmetterlingseffekt, mit der Edward Lorenz die Sensitivität gegenüber Anfangsbedingungen beschrieb. Lorenz‘ 1963 geschriebene Arbeit über ein 3-dimensionales Wettermodell wurde von Guckenheimer und Williams mathematisch unterlegt. Sie zeigten, dass Lorenz’ seltsamer Attraktor strukturell stabil war und durch ein 1-dimensionales dynamisches System beschrieben werden konnte, womit man die gemachten Beobachtungen nun auch mathematisch erklären konnte.

Neue Ideen in der komplexen Dynamik kamen durch Dennis Sullivan, der zuvor über Limesmengen Kleinscher Gruppen gearbeitet hatte und durch das Seminar von Douady und Hubbard zur Beschäftigung mit Julia-Mengen kam. Er benutzte zum ersten Mal quasikonforme Abbildungen als Hilfsmittel in der komplexen Dynamik.
Ahlfors, Bers und ihre Schule hatten ebene quasikonforme Abbildungen erfolgreich auf eine Reihe von Problemen der komplexen Analysis, einschließlich diskreter Gruppen von Isometrien des hyperbolischen Raumes und der Geometrie von Flächen angewandt. Man kann mit quasikonformen Abbildungen aber auch komplexe dynamische Systeme in andere komplexe dynamische Systeme deformieren. Mit der Lösung eines auf Fatou und Julia zurückgehenden klassischen Problems zeigte Sullivan nun, dass dieser Ansatz sehr effektiv für Probleme der Iteration rationaler Funktionen angewandt werden können.

Beim Problem der nichtwandernden Gebiete geht es um die Frage, ob man in der Fatou-Menge wandernde Gebiete haben kann, wie es beispielsweise für f(z)=z+2πsin(z) der Fall ist.
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Im Bild sind die Fatou-Mengen von f(z)=z+2\pi sin(z) weiß gezeichnet. Für dieses Beispiel weiss man, dass die Fatou-Komponenten wandern: wenn man f auf eine Fatou-Komponente anwendet, bekommt man die jeweils nächste und man kehrt nie zurück.
Dagegen können beispielsweise kubische Polynome unendlich viele Fatou-Komponenten haben, aber die Bahn einer Komponente trifft immer nur endlich viele andere Fatou-Komponenten, die Fatou-Komponente wandert nicht beliebig weit. Im Bild unten ist die Julia-Menge von z-\frac{z^3-1}{3z^2} weiß gezeichnet, die Fatou-Menge besteht aus den verschiedenen roten, blauen und grünen Komponenten. (Diese Iteration verwendet man beim Newton-Verfahren zur Bestimmung der Nullstellen von z3-1.) Die Punkte in den verschiedenfarbigen Fatou-Komponenten konvergieren jeweils gegen eine Nullstelle von z3-1 – also einen Fixpunkt der Iteration – und verlassen insbesondere letztlich die Komponente des Fixpunkts nicht mehr.

Solche periodischen oder präperiodischen Fatou-Komponenten sind dank eines Klassifikationssatzes gut verstanden, während die wandernden Fatou-Komponenten sich der Klassifikation entziehen.
Sullivan bewies, dass es für (nichtlineare) rationale Abbildungen keine wandernden Gebiete in der Fatou-Menge gibt. Anders als für transzendente Abbildungen kann man die Dynamik der Fatou-Mengen für rationale Abbildungen also gut verstehen. Dieser Satz über wandernde Gebiete galt als die spektakulärste Anwendung von Sullivans Verwendung quasikonformer Abbildungen.

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Kommentare (1)

  1. […] Main Gap Die Kazhdan-Lusztig-Vermutungen Exotische vierdimensionale Räume Die Mordell-Vermutung Der Satz über wandernde Gebiete Lösung des Wortproblems für hyperbolische Gruppen Das Gaußsche Klassenzahlproblem Die […]