Mathematisch geht es in der Signalverarbeitung darum, eine Hilbert-Basis im (unendlich-dimensionalen) Vektorraum L2(R) aller quadratisch-integrierbaren Funktionen zu finden, so dass eine Funktion also durch ihre Koeffizienten in dieser Basis bestimmt ist und möglichst schon endlich viele der Koeffizienten die Funktion recht genau bestimmen. Die naheliegende durch Abschneiden von 1,x,x2,x3,…,xn,… gebildete Basis ist dafür aus verschiedenen Gründen wenig geeignet. Besser geeignet ist schon die Basis 1,sin(x),cos(x),…,sin(nx),cos(nx),… oder, wenn man mit komplexen Zahlen rechnet, die Basis exp(inx). Periodische Funktionen lassen sich (unter milden Voraussetzungen) als Summe f(x)=\sum_{n=-\infty}^\infty c_n\, e^{2\pi i\left(\frac{n}{T}\right) x} zerlegen, wobei T die Periode ist und sich die cn mit einer Integralformel berechnen lassen. Für beliebige (nicht notwendig periodische) Funktionen hat man eine Zerlegung f(x) = \int_{-\infty}^{\infty} \hat f(\xi)\ e^{2 \pi i x \xi}\,d\xi,, wobei die kontinuierlichen „Koeffizienten“ durch die Integralformel \hat{f}(\xi) = \int_{-\infty}^{\infty} f(x)\ e^{-2\pi i x \xi}\,dx berechnet werden, die sogenannte Fourier-Transformation.
Tatsächlich verwendete man für die Analyse von Signalen lange Zeit diese Zerlegung in trigonometrische Reihen, wofür man die sogenannte Kurzzeit-Fourier-Transformation – mittels Zerlegung des Signals in Kurzzeit-Fenster – hatte. (Mathematisch: man hat einen „Fensteroperator“, der die Funktion auf ein kleines Zeitfenster konzentriert. Auf jede der so erhaltenen auf einem Zeitfenster konzentrierten Funktionen wendet man jeweils einzeln die Fourier-Transformation an.) Die (diskrete) Fourier-Transformation berechnet die Koeffizienten der Fourier-Zerlegung einer Funktion. Insbesondere nachdem Cooley und Tukey 1965 ein (schon von Gauß bei Planetenberechnungen und später auch von Runge verwendetes) Verfahren zur schnellen Fourier-Transformation entwickelten, wurde die Fourier-Analyse zur meistverwendeten Methode der Elektrotechnik. Das Problem blieb aber, dass bei der Kurzzeittransformation das gesamte Signal in Fenster gleicher Größe zerlegt wird, während eigentlich für Zeiten höherer Frequenz ein kürzeres Zeitfenster besser wäre. Man hätte deshalb gern Basisfunktionen kleiner Streuung, die dann natürlich nicht periodisch sein können. (Der Slogan ist, dass man Lokalisierung in der Zeit statt Lokalisierung im Frequenzspektrum will.)

In den 70er Jahren Jahren hatte Jean Morlet, ein als Forschungsingenieur bei einem großen französischen Mineralölunternehmen tätiger Geophysiker, eine neue Art der Darstellung geophysikalischer Signale entdeckt. Ausgehend von einer gewissen Funktion \Psi(x) bildeten die Funktionen \psi_{j,k}(x):=2^{j/2}\,\psi(2^j\,x-k) eine Hilbert-Basis von L2(R). In seinem Ansatz waren die Hochfrequenzfunktionen sehr eng, die Niedrigfrequenzfunktionen aber nicht: er definierte \Psi_{\sigma}(t)=c_{\sigma}\pi^{-\frac{1}{4}}e^{-\frac{1}{2}t^{2}}(e^{i\sigma t}-\kappa_{\sigma}) für von \sigma abhängende Konstanten c_\sigma,\kappa_\sigma.

Er nannte seine Funktionen “Wavelets konstanter Form”. Zunächst hatte er es aber schwer, andere Geophysiker zu überzeugen. Er erzählte später, seine Kollegen hätten gemeint, eine solche Funktionenfamilie müßte in Mathematikbüchern zu finden sein. Da sie das nicht war, müßte etwas falsch sein. Er fand schließlich einen Physiker, Alex Grossmann, der für seine quantenmechanischen Berechnungen ähnliche Probleme zu lösen hatte und der eine exakte Umkehrfunktion der Integraltransformation konstruierte. Sie erarbeiteten zusammen einige Anwendungen. 

Yves Meyer hatte sich als Mathematiker ursprünglich mit Anwendungen der harmonischen Analyse in der Zahlentheorie beschäftigt und war von der harmonischen Analyse zur Beschäftigung mit singulären Integralen gekommen. Als er die Arbeiten über Wavelets las, erkannte er dass ihre Rekonstruktionsformel eine Wiederentdeckung einer mehr als zwanzig Jahre alten Formel Calderóns war, die in der Analyse gewisser singulärer Integraloperatoren auf eine ähnliche Weise unterschiedliche Skalen benutzte. Er begann darauf, nach Wavelets mit besseren Lokalisierungseigenschaften zu suchen, also nach anderen Funktionen \Psi(x), für die man wieder die von den \psi_{j,k}(x):=2^{j/2}\,\psi(2^j\,x-k) gebildete Hilbert-Basis von L2(R) verwenden kann. Innerhalb einiger Wochen fand er eine orthonormale Waveletbasis mit exzellenten Zeit- und Frequenz-Lokalisierungseigenschaften, nämlich \Psi(\omega) := \begin{array}{cc}  \frac {1}{\sqrt{2\pi}} \sin\left(\frac {\pi}{2} \nu \left(\frac{3\vert \omega\vert}{2\pi} -1\right)\right) e^{j\omega/2} & \mbox{wenn } 2 \pi /3\le \vert \omega\vert \le 4 \pi /3, \\  \frac {1}{\sqrt{2\pi}} \cos\left(\frac {\pi}{2} \nu \left(\frac{3\vert \omega\vert}{4 \pi}-1\right)\right) e^{j \omega/2} & \mbox{wenn } 4 \pi /3\le \vert \omega\vert \le 8 \pi /3, \\  0 & \mbox{sonst}\end{array}
mit \nu (x) =x für 0 ≤x ≤1 (sowie 0 für x ≤0 und 1 für 1 ≤ x). Die gewünschten Eigenschaften resultieren aus einer wundervollen Kürzung.

Andere Mathematiker fanden dann weitere Konstruktionen solcher Wavelets. Tatsächlich kannte man schon seit fast achtzig Jahren eine Waveletbasis, die auf Alfréd Haar, den späteren Entdecker des invarianten Maßes auf lokalkompakten Gruppen, zurückging. Er hatte die unten abgebildete Treppenfunktion φ genutzt und daraus eine Basis φjk als Basis von L2(R) konstruiert. Das war das erste und einfachste Wavelet, aber wegen seiner schlechten Frequenzlokalisierung nicht von großem praktischen Nutzen.

Bei den soweit gefundenen Wavelets mußten die Funktionen für die direkte Implementierung abgeschnitten werden und man fragte sich, ob es Wavelets gäbe, für die das nicht notwendig ist. Ingrid Daubechies konstruierte 1988 Wavelets mit kompakten Trägern, was zu vielen wichtigen Anwendungen führte. 

Alle diese Konstruktionen waren ein wenig ad hoc, man verstand sie noch nicht wirklich. Gemeinsam mit Stéphane Mallat, einem Doktoranden der Elektrotechnik in Pennsylvania entwickelte Meyer dann die mathematischen Einzelheiten der Multiresolutionsanalyse, mit der alle bisher konstruierten Waveletbasen auf eine gemeinsame Grundlage gestellt wurden. Diese Analyse führte auch zu einem einfachen und rekursiven Filterungsalgorithmus, mit dem die Waveletzerlegung einer Funktion von ihrer feinstskaligen Approximation berechnet werden konnte. 

Mathematisch betrachtet man in der Multiresolutionsanalyse eine Folge Vj von Unterräumen von L2(R). Sie sollen aus denjenigen Funktionen bestehen, die man bei Auflösung der Ordnung 2j von Funktionen in L2(R) bekommt – man hat also einen Operator Aj mit Bild in Vj, der jeder Funktion die bestmögliche Auflösung der Ordnung 2j zuordnet. Dieser habe die Skalierungseigenschaft f(x)\in V_j\Longrightarrow f(2x)\in V_{j+1} und Ajf soll durch 2j Werte pro Längeneinheit charakterisiert werden können. Aus seinen Axiomen für Vj konnte Mallat beweisen, dass es eine Funktion \Psi gibt, für die für jedes j die Funktionen \psi_{j,k}(x):=2^{j/2}\,\psi(2^j\,x-k),k\in{\bf Z} eine Basis von Vj bilden. Man erhält also alle Wavelets mit dem Ansatz der Multiresolutionsanalyse.

Neben ihrer ursprünglichen Verwendung zur Analyse nichtstationärer Signale wurden Wavelets vor allem in Bildverarbeitung und Datenkompression wichtig, neben vielen anderen Anwendungen.

Bild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stephane_Mallat.jpg

Kommentare (1)

  1. #1 Theorema Magnum – Mathlog
    24. Februar 2022

    […] Gaußsche Klassenzahlproblem Die Arnold-Vermutung für monotone symplektische Mannigfaltigkeiten Multiresolutionsanalyse von Wavelets Der Maßstarrheitssatz Die Witten-Vermutung Das eingeschränkte Burnside-Problem Monströser […]