In der algebraischen Zahlentheorie befaßt man sich hauptsächlich mit Zahlkörpern und eine zentrale Frage ist, ob man dort eindeutige Primfaktorzerlegungen hat. Dies ist genau dann der Fall, wenn jedes Ideal im Ganzheitsring des Zahlkörpers ein Hauptideal ist, also wenn der Zahlkörper die Klassenzahl 1 hat. (Die Klassenzahl ist die Anzahl der Elemente der Idealklassengruppe, diese ist definiert als die Gruppe der Ideale modulo der Hauptideale.) Zum Beispiel hat man für den Zahlkörper K=Q(i√5) die Klassenzahl hK=2. Die Nichteindeutigkeit der Primzerlegung im Ganzheitsring OK=Z[i√5] sieht man zum Beispiel an 2.3=(1+i√5).(1-i√5).
Eine Formel zur Berechnung der Klassenzahl fand bereits 1839 Dirichlet. (Damals kannte man noch keine Zahlkörper, seine Formel berechnete die Klassenzahl quadratischer Formen, was aber äquivalent ist, jedenfalls für quadratische Zahlkörper. Gauß soll die Formel auch schon gekannt haben. Dirichlet verwendete diese Formel um die Existenz unendlich vieler Primzahlen in arithmetischen Folgen zu beweisen.) In Dirichlets Klassenzahlformel steht auf der linken Seite das Residuum der Riemannschen Zetafunktion (bzw. in Dirichlets Formulierung einer gewissen L-Reihe) in s=1. Dieses Residuum kann man berechnen, indem man die Residuen der zu den verschiedenen Primzahlen gehörenden Euler-Faktoren berechnet, es handelt sich also um eine „lokale“ (für jede Primzahl leicht zu bestimmende) Größe. Auf der rechten Seite der Klassenzahlformel kommen neben der Klassenzahl noch weitere (berechenbare) Invarianten des Zahlkörpers vor, darunter der Dirichlet-Regulator. Mit dieser Formel wird von heutigen Computeralgebrasystemen die Klassenzahl von Zahlkörpern berechnet.
Der in der Klassenzahlformel vorkommende Dirichlet-Regulator ist ein Nebenprodukt des Dirichletschen Einheitssatzes. Dieser besagt, dass die Einheitengruppe im Ganzheitsring eines Zahlkörpers ein Gitter in Rr+s ist. Dabei sind r die Anzahl der Einbettungen K—>R und s die Anzahl der Paare komplex-konjugierter Einbettungen K—>C. Für einen quadratischen Zahlkörper K=Q(√D) ist zum Beispiel r=2,s=0 falls D>0 und r=0,s=1 falls D<0. Man kann dann eine „Regulatorabbildung“ von OK nach Rr+s definieren, indem man für die r reellen und s komplexe Einbettungen jeweils den Logarithmus des Betrags des Bildes eines Elements betrachtet.
Das Bild unten zeigt den Fall K=Q(√2), wo die beiden reellen Einbettungen x+y√2 auf x+y√2 bzw. x-y√2 abbilden und der Regulator dementsprechend x+y√2 auf abbildet. Die Punkte sind also das Bild von OK unter der Regulatorabbildung. Die Einheitengruppe von OK liegt auf der blau gezeichnete Gerade, man sieht die durch Dirichlets Einheitensatz gegebene Einbettung der Einheitengruppe als Gitter in R1. Der Erzeuger der Einheitengruppe ist 1+√2, was auf
abgebildet wird. Der Dirichletsche Einheitensatz besagt in diesem Fall, dass die Einheitengruppe ein Gitter in R1 und ihr Rang also 1 ist.
Allgemein ist die Einheitengruppe OK* ein Gitter in Rr+s-1 und das Kovolumen des Gitters ist der in der Klassenzahlformel vorkommende Dirichlet-Regulator.
Die Anfang der 70er Jahre von Quillen entwickelte algebraische K-Theorie sollte zahlreiche Verbindungen zu Algebra und Zahlentheorie haben. Ein Beispiel dafür ist die Verallgemeinerung der Klassenzahlformel. Die im Dirichletschen Einheitensatz vorkommende Einheitengruppe OK* ist dasselbe wie K1(OK) und dies brachte Borel auf die Idee, für beliebige i einen ebenfalls als Regulator bezeichneten Homomorphismus r:K2i-1(OK)—>Rd (mit d=r+s für ungerade i und d=s für gerade i) zu definieren, deren Bild ein Gitter in Rd sein soll.
Borel gelang es die stabile Kohomologie arithmetischer Gruppen Γ zu berechnen, indem er zeigte, dass bis zu einem gewissen Grad die Kohomologie von Γ isomorph zu den Γ-invarianten Differentialformen auf dem zugehörigen symmetrischen Raum G/K ist, die man berechnen kann. Für SL(OK) bekam er so, dass die Dimension der (2i-1)-ten Kohomologiegruppe gerade obiges d (also r+s für ungerade i, s für gerade i) ergibt.
Die K-Theorie eines Ganzheitsrings OK stimmt (modulo Torsion) mit der Kohomologie von SL(OK) (im stabilen Rang) überein. Der Rang von K2i-1(OK) ist also d und der Borel-Regulator bildet K2i-1(OK) auf ein Gitter in Rd ab. (Dagegen sind die Gruppen K2j(OK) endlich, haben also Rang Null.)
Stephen Lichtenbaum stellte 1973 die Vermutung auf, dass das Kovolumen Ri dieses Gitters (relativ zu einem geeignet gewählten „Einheitsgitter“) ist, man also einen Zusammenhang zwischen den Werten der Zetafunktion des Körpers und der algebraischen K-Theorie des Ganzheitenrings herstellen kann. Für i=1 entspricht das der Klassenzahlformel.
In der Zahlentheorie interessiert man sich für sogenannte „Perioden“, die man als Integrale algebraischer Differentialformen über Gebiete, die durch algebraische Gleichungen oder Ungleichungen mit rationalen Koeffizienten gegeben sind, erhält. Alle algebraischen Zahlen und viele andere interessante Zahlen wie π, 2πi oder die Logarithmen natürlicher Zahlen sind Perioden, ebenso wie auch die Werte der Riemannschen Zeta-Funktion an ganzzahligen Stellen.
Pierre Deligne stellte 1979 die Vermutung auf, dass die Werte motivischer L-Funktionen an sogenannten kritischen Werten algebraische Vielfache der Determinante einer Matrix seien, deren Einträge Perioden sind. Tatsächlich hatte er die genaue Form dieser Periodenmatrix postuliert in Termen der Filtrierung der Kohomologiegruppen. Nicht alle speziellen Werte von L-Funktionen fielen unter diesen Begriff der kritischen Werte, zum Beispiel war das nicht der Fall für die Klassenzahlformel oder die Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung, die den Rang einer elliptischen Kurve mit der Ordnung ihrer L-Funktion in s=1 gleichsetzt. In diesen Fällen involvierte die vermutete Formel einen “Regulator”, der die Determinante einer gewissen Matrix ist. (Bei der Klassenzahlformel sind die Einträge die Logarithmen der Einheiten, bei der Birch-Swinnerton-Dyer-Vermutung die Höhen rationaler Punkte.) Scholl zeigte später, dass dieser Regulator ebenfalls aus Perioden berechenbar ist.
Sowohl Delignes Vermutung als auch die Vermutungen über Regulatoren verallgemeinerte Alexander Beilinson 1985, indem er sogenannte höhere Regulatoren definierte und Vermutungen über sie formulierte. Beilinsons Vermutung setzt den Rang motivischer Kohomologiegruppen von Varietäten X/Q mit der Verschwindungs- oder Pol-Ordnung von L-Funktionen in Beziehung und drückt den Wert der L-Funktion in ganzen Zahlen (bis auf einen Q*-Faktor) mittels motivische Kohomologie und einer von Deligne entwickelten Kohomologie aus. Die L-Funktionen sind hier die L-Funktionen L(M,s) eines reinen Motivs M über Q, z.B. die L-Funktion L(hi(X),s) zur i-ten Kohomologiegruppe einer singularitätenfreien projektiven Varietät X/Q.
Beilinson betrachtete rationale motivische Kohomologie als einen Bestandteil in der Gradierung der algebraischen K-Theorie von X und definierte „Chern-Klassen“ mit Werten in der (leichter zu verstehenden) Deligne-Kohomologie. Er vermutete, dass dieser Chern-Charakter nach Tensorieren mit R ein Isomorphismus ist und die Dimension des Bildes der Verschwindungsordnung der L-Funktion in i+1-n entsprechen soll. (Die vermutete Funktionalgleichung der L-Funktion setzt die Werte in i+1-n und n in Beziehung.) Weiter definiert er eine Q-Struktur auf der Deligne-Kohomologie und konnte dann also das Bild der Abbildung als Q-Gitter betrachten und dessen Kovolumen als „Regulator“ definieren. Er vermutete, dass dieser Wert dem führenden Term der L-Funktion in s=i+1-n entspricht (außer für n=i/2+1, wo er eine komplizierteres Vermutung aufstellte).
Dieser Beilinson-Regulator nutzt also charakteristische Klassen als Abbildung von algebraischer K-Theorie in die von Deligne entwickelte Kohomologie. Im Fall von Ganzheitsringen in Zahlkörpern skizzierte Beilinson einen Beweis, dass sein Regulator mit dem Borel-Regulator übereinstimme. (Dadurch würden in diesem Fall die Beilinson-Vermutungen auf Borels Berechnungen zurückgeführt werden, was als starke Evidenz für die Gültigkeit der allgemeinen Vermutungen gesehen wurde). Michael Rapoport, ein früherer Student Delignes, organisierte 1986 eine Arbeitsgemeinschaft in Oberwolfach mit später als Buch herausgebrachten Vorträgen über Beilinsons Arbeit, wo er einen Großteil von Beilinsons Beweis vervollständigte und insbesondere bewies, dass die beiden Regulatoren jedenfalls bis auf einen rationalen Faktor übereinstimmen. Dupont, Hain und Zucker schlugen eine ganz andere Beweisstrategie vor und vermuteten, dass der Beilinson-Regulator das Doppelte des Borel-Regulators sei. Das bewies dann José Burgos Gil mit Beilinsons ursprünglichen Argumenten in einem Buch, das auch alle Grundlagen verständlich darstellte. Beilinson und sein Umfeld waren wenig beeindruckt: es handele sich um keinen neuen Beweis, sondern um dieselben Argumente wie bei Beilinson, und da 2 ja eine rationale Zahl sei (und es ohnehin nur um Werte bis auf Multiplikation mit rationalen Zahlen ginge) sei Beilinsons Resultat ja auch völlig richtig gewesen.
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