Auf der mathematischen Seite war der Fortschritt viel langsamer. Eine der Hürden war die unbewiesene Existenz des Skalierungslimits. Selbst das Finden passender Definitionen für das Skalierungslimit war eine nichttriviale Aufgabe. Verschiedene Analytiker arbeiteten an Ansätzen mittels stochastischer Prozesse. Der von Gregory Lawler “erfundene” LERW-Prozess – schleifenbereinigte Irrfahrten (loop erased random walks), d.h. Irrfahrten, bei denen durch Selbstschnitte entstehende Schleifen entfernt werden – gab den Mathematikern einen stochastischen Prozeß, der einiges mit selbstmeidenden Irrfahrten – d.h. Irrfahrten, die nie zu einem Punkt zurückkehren – gemeinsam hatte, mit dem man aber besser arbeiten konnte. Insbesondere hatte der LERW-Prozeß die Markov-Eigenschaft, d.h. seine Zukunft ist durch Kenntnis der Gegenwart (ohne Kenntnis der Vergangenheit) bestimmt. Arbeiten von Kenyon kombinierten kombinatorische Methoden mit komplexer Analysis und zeigte eine schwächere Form von konformer Invarianz für LERW-Prozesse. Damit konnte er den kritischen Exponenten (für die Wahrscheinlichkeit des sich Schneidens zweier Irrfahrten) berechnen. Oded Schramm hatte dann eine Idee, wie man LERW-Prozesse (schleifenbereinigte Irrfahrten) unter der Annahme konformer Invarianz des Skalierungslimits untersuchen konnte.
Karel Löwner hatte 1923 eine gewisse Differentialgleichung benutzt, um die Bieberbachsche Vermutung für die Taylor-Koeffizienten injektiver, analytischer Abbildungen der Einheitskreisscheibe in die komplexen Zahlen zu bearbeiten und für den Koeffizienten von z3 zu beweisen, nachdem Bieberbach die Ungleichung 1916 für den Koeffizienten von z2 bewiesen hatte. Löwner hatte seine Arbeit damals bei Bieberbach zur Veröffentlichung eingereicht und der hatte eine I hinter den Titel gesetzt, weil er überzeugt war, dass sich mit den Methoden auch der allgemeine Fall erledigen ließe, der dann im Teil II veröffentlicht werden sollte.
Die Bieberbach-Vermutung hatte zwar eigentlich keine große Bedeutung, als ungelöstes Problem blieb sie aber sechzig Jahre lang die dominierende Frage der Funktionentheorie bis sie nach vielen im Laufe der Zeit bewiesenen Teilergebnissen schließlich 1985 von de Branges, einem schon 52-jährigen Professor der Purdue University bewiesen wurde.
Löwners Ansatz, der dann auch grundlegend für de Branges’ Beweis wurde, bestand in der Einführung einer bestimmten Differentialgleichung. Er betrachtete einen einfachen Weg γ in der abgeschlossenen Einheitskreisscheibe mit Startpunkt γ(0) auf deren Rand und Endpunkt γ(τ)=0. Für jedes t kann man – dank des Riemannschen Abbildungssatzes – das Komplement des Bildes des Intervalls [0,t] in der offenen Einheitskreisscheibe konform auf die gesamte offene Einheitskreisscheibe abbilden mit einer Abbildung gt, die man auf eindeutige Weise so normieren kann, dass gt(0)=0 und gt‘(0)>0. Die Kurve γ wird dabei in den Rand der Einheitskreisscheibe abgebildet. Man kann so reparametrisieren, dass τ unendlich groß wird und gt‘(0)=et ist. Löwner bewies, dass dann folgende Differentialgleichung gilt:
Insbesondere hat man einen „Antriebsterm“ ζt:=gt(γ(t)) mit Werten im Rand des Einheitskreises und man fragt sich, welche solcher Abbildungen ζt von Kurven γ erzeugt sind. Als Hülle Kt des Antriebterms bezeichnet man diejenigen Punkte, für die sich die Lösung der Löwner-Gleichung nicht bis zum Zeitpunkt t fortsetzen läßt.
Schramm betrachtete eine stochastische Version dieses Ansatzes, wo er also von einer Zufallskurve ausgeht und dann eine stochastische Version der Löwner-Gleichung bekommt. Das Hauptresultat seiner 2000 im Israel Journal of Mathematics veröffentlichten Arbeit „Scaling Limits of loop-erased random walks and Uniform spanning trees“ war – unter der Annahme, dass das Skalierungslimit von schleifenbereinigten Irrfahrten existiert und konform invariant ist – dass für die sich im Skalierungslimit ergebene Zufallskurve der Antriebsterm eine Brownsche Bewegung (eine unregelmäßige und ruckartige Wärmebewegung, wie sie kleine Teilchen in Flüssigkeiten und Gasen vollführen) auf dem Kreis wird.
Formal definierte er das Skalierungslimit als Maß mit kompaktem Träger, wobei er den Weg der schleifenbereinigten Irrfahrt als Zufallskurve, also als Maß auf den kompakten Teilmengen der Sphäre auffaßte. Das Grenzmaß hat seinen Träger auf den einfachen Wegen, d.h. den Wegen ohne Selbstschnitte. Das Hauptresultat besagte dann, dass die (von ihm als präzise Vermutung formulierte) Existenz und konforme Invarianz des Skalierungslimits impliziert, dass das Skalierungslimit wie die Hülle zum Antriebsterm für eine (von einem gleichmäßig verteilten Startpunkt ausgehende) Brownsche Bewegung Bt verteilt ist. Hinter dem Beweis steckte eine (laut Schramm) „einfache kombinatorische Beobachtung“.
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