Allgemein definierte er die stochastische Löwner-Gleichung (abgekürzt SLEκ), später oft Schramm-Löwner-Gleichung genannt) als den Zufallsprozeß mit konformen Abbildungen gt entsprechend der Löwner-Gleichung mit Antriebsterm \xi_t=e^{i\sqrt{\kappa}B_t}. Das (bis dahin unbewiesene) Prinzip der konformen Invarianz und die Theorie der Lévy-Prozesse implizieren eine Verteilung κ1/2Bt mit zu bestimmendem κ. Man betrachtet also den Zufallsprozess der konformen Abbildungen gt mit Antriebsterm ζt=exp(iκ1/2Bt) betrachten. Mit Itōs Integraldarstellung stochastischer Prozesse bewies er, dass man für κ>4 fast sicher keine einfachen Wege bekommt, vermutete aber, dass dies für kleinere κ dennoch der Fall sein sollte. (Und er glaubte immer noch, dass das Leuten mit dem richtigen Hintergrund wohl bekannt sein sollte.)

Soweit konnte er Kurven untersuchen, die einen inneren Punkt mit einem Randpunkt verbinden wie bei LERW. Bei Perkolation geht es um eine andere Frage, nämlich zwei Randpunkte zu verbinden. Schramm fand die richtigen Normalisierungen der konformen Abbildungen und kam dort letztlich auf die Differentialgleichung \frac{\partial}{\partial t}g_t(z)=\frac{2}{g_t(z)-\sqrt{\kappa}B_t}
mit der Brownschen Bewegung Bt und κ=6. (Das ist der einzige Wert von κ, für den man Cardys Formel erhält.) Unter der Annahme, dass das Skalierungslimit der Perkolation existiert und konform invariant ist, muß es also die Lösung von SLE6 sein.

Währenddessen hatten Lawler und Werner gewisse Einschränkungsbedingungen für Brownsche Bewegungen entdeckt, ein Durchbruch im mathematischen Verständnis der kritischen Phänomene zweidimensionaler Modelle der statistischen Mechanik. Sie konnten aber die kritischen Exponenten nicht berechnen. Gemeinsam mit Lawler und Werner bewies Schramm die Einschränkungseigenschaft für SLE6. Dieser Fall schien sehr speziell zu sein. SLE6 war ein rein lokaler Prozeß. Zum Beispiel war es in der Kreisscheibe (mit der Loewner-Gleichung) dasselbe wie in der Halbebene (mit Schramms modifizierter Gleichung). Das war nicht so überraschend, da ja Perkolation ein lokaler Prozeß ist und man SLE6 als Skalierungslimit der Perkolation erhalten sollte.

Lawler, Schramm und Werner berechneten auch verschiedene Größen und zeigten auf diese Weise die Nützlichkeit sowohl von Schramms Differentialgleichung als auch der Universalitätsargumente von Lawler und Werner, mit denen man hier von SLE6 zur Brownschen Bewegung übergehen konnte. Daneben erarbeiteten Rohde und Schramm die allgemeinen Grundlagen der stochastischen Löwner-Gleichungen.

Den Beweis, dass das Skalierungslimit der kritischen Perkolation konform invariant und damit nach dem bisher Bewiesenen also SLE6 ist, hielten die drei für noch nicht machbar. So kam es sehr überraschend, dass Stanislaw Smirnow das schon ein Jahr später für das Dreiecksgitter beweisen konnte, veröffentlicht in einer Kurzfassung 2001 in den C. R. Acad. Sci., Paris (und in der Langversion 2009 auf dem ArXiv). Es war das erste Beispiel eines Modells der statistischen Physik, das gegen eine stochastische Löwner-Gleichung konvergiert. Ein wesentlicher Punkt im Beweis war eine von Carleson geometrisch gefundene Vereinfachung der Cardy-Formel.

Mit diesem Resultat konnten Lawler, Schramm und Werner berechnen, dass die fraktale Dimension des Randes ebener Brownscher Bewegung 4/3 ist – das hatte Mandelbrot vermutet. Danach bewiesen sie weitere Konvergenzen, so die von Schramm vermutete Konvergenz von LERW gegen SLE2 und dual die Konvergenz des UST-Prozesses (aufspannende Bäume) gegen SLE8. Weitere solcher Resultate wurden von ihnen und anderen Autoren gefunden. Für κ ≤ 8 haben die SLE-Kurven fraktale Dimension 1+κ/8 mit Wahrscheinlichkeit 1. Für κ ≥ 8 füllen sie die Ebene, sind also Peano-Kurven. Für κ ≤ 4 haben sie keine Selbstberührung, für κ > 4 aber doch. Zahlreiche andere Resultate für Konvergenz physikalischer Modelle gegen Schramm-Löwner-Gleichungen konnten bewiesen werden.

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Kommentare (2)

  1. #1 schorsch
    14. Oktober 2021

    Ich habe ein Problem mit dem Sprung von der ursprünglichen Fragestellung der Mathematical Monthly zum Kolmogorowschen Quadratgitter. Kugeln in einer Schachtel bilden kein Quadratgitter, sondern ein Sechseckgitter. Und für das Sechseckgitter lässt sich die ursprüngliche Frage mittels einer einfachen Überlegung anhand der beiden Bilder mit den gelben und blauen Sechsecken beantworten.

    Dafür frage ich zunächst: Unter welchen Umständen kann eine horizontale zusammenhängende Kette blauer Elemente entstehen? Die Antwort ist einfach: Es gibt immer dann eine horizontale zusammenhängende Kette blauer Elemente, wenn es keine vertikale zusammenhängende Kette gelber Elemente gibt.

    Oder, anders formuliert: Wenn es keine horizontale Kette blauer Elemente gibt, gibt es mindestens eine vertikale Kette gelber Elemente.

    Das sagt nichts über die Wahrscheinlichkeit aus. Idealisiere ich die Fläche aber, so dass sie nicht mehr einfach rechteckig ist, sondern quadratisch, gilt für beide Ketten – die gelbe senkrechte und die blaue horizontale – die gleiche Wahrscheinlichkeit, nämlich 1/2. Und da diese Verteilung unabhängig von der Größe des Quadrats ist, gilt diese Wahrscheinlichkeit auch für jedes unendlich große Gitter.

    Oder habe ich die Fragestellung grundsätzlich falsch verstanden?

  2. #2 Thilo
    14. Oktober 2021

    Der Punkt ist, dass die beiden Farben unterschiedlich oft vorkommen können. Wenn die eine Farbe deutlich häufiger vorkommt, wird man mit hoher Wahrscheinlichkeit nur von dieser Farbe eine durchgehende Kette haben.

    Beim Quadratgitter ist diese kritische Wahrscheinlichkeit tatsächlich genau 1/2. Wenn man mehr als die Hälfte blaue Kugeln hat, wird man mit Wahrscheinlichkeit 1 eine unendlich lange blaue Kette bekommen.

    Beim Sechseckgitter ist die kritische Wahrscheinlichkeit 1-2sin(pi/18)=0,6527… Man muß mindestens diesen Anteil von 65,27… % blauer Kugeln haben, um mit Wahrscheinlichkeit 1 eine unendlich lange blaue Kette zu bekommen.