Zentrale Frage der Topologie 3-dimensionaler Mannigfaltigkeiten war lange die Poincaré-Vermutung, seit den 70er Jahren dann die Geometrisierungsvermutung, die 2003 von Perelman mit Hilfe des Ricci-Flusses bewiesen wurde. Das löste einerseits einen Boom an Arbeiten über Krümmungsflüsse aus, andererseits wurden in den folgenden Jahren auch jenseits von Krümmungsflüssen verschiedene zentrale Fragen der 3-dimensionalen Topologie gelöst. Calegari und Gabai, sowie unabhängig Agol, bewiesen 2005, dass hyperbolische Mannigfaltigkeiten mit endlich erzeugter Fundamentalgruppe das Innere einer kompakten Mannigfaltigkeit sein müssen. Das war die seit Jahrzehnten offene Marden-Vermutung, die bemerkenswerterweise nicht für beliebige 3-Mannigfaltigkeiten gilt, man benötigt die hyperbolische Struktur, was noch einmal den Nutzen der Betrachtung hyperbolischer 3-Mannigfaltigkeiten zeigt. (Mit Arbeiten Canarys erhielt man aus der Marden-Vermutung die Ahlfors-Vermutung, dass Limesmengen endlich erzeugter Kleinscher Gruppen wie im Bild unten entweder Maß 0 haben oder die gesamte Sphäre im Unendlichen sind.)
Galt der Beweis der Marden-Vermutung eher dem Ausschluß potentieller Pathologien, konnte ebenfalls 2005 durch Brock-Canary-Minsky ein wichtiges Klassifikationsresultat bewiesen werden: mit ihren Arbeiten schlossen sie die Klassifikation geometrisch unendlicher Enden hyperbolischer 3-Mannigfaltgkeiten ab, diese werden, wie schon Thurston vermutet hatte, durch ihre Endelaminierungen klassifiziert. Daneben war bereits seit den Arbeiten von Ahlfors und Bers zu Beginn der 60er Jahre bekannt, dass geometrisch endliche Enden durch ihre konformen Strukturen im Unendlichen klassifiziert werden, womit man eine vollständige Klassifikation von Enden hyperbolischer Mannigfaltigkeiten hatte.
Kompakte hyperbolische Mannigfaltigkeiten oder allgemeiner hyperbolische Mannigfaltigkeiten endlichen Volumens können (nach dem Satz von Jørgensen-Thurston) durch ihre Volumina wohlgeordnet werden und dort gelang Gabai-Meyerhoff-Milley 2007 eine Klassifikation der Mannigfaltigkeiten kleinen Volumens bis 2.848. Insbesondere bestätigte ihre Arbeit die Vermutung, dass die Weeks-Mannigfaltigkeit die hyperbolische Mannigfaltigkeit kleinsten Volumens ist.
Die einzige noch offene große Frage war dann eine in den 60er Jahren von Waldhausen aufgestellte Vermutung: zu jeder irreduziblen 3-Mannigfaltigkeit soll es eine endliche Überlagerung geben, die eine Haken-Mannigfaltigkeit ist, also eine inkompressible Fläche enthält. (Die Mannigfaltigkeit soll also “virtuell Haken” sein, im englischen wurde die Vermutung oft als “virtual Haken conjecture” bezeichnet.) Thurston hatte darauf aufbauend gefragt, ob man sogar eine endliche Überlagerung findet, die ein Flächenbündel über dem Kreis ist. (In diesem Fall spricht man von einer “virtuellen Faserung”.)
Diese Fragen waren ursprünglich von Interesse gewesen, weil sie einen Zugang zur Geometrisierung versprachen. Für Haken-Mannigfaltigkeiten und dann auch für Flächenbündel hatte Thurston die Geometrisierung Anfang der 80er Jahre bereits bewiesen. Gabai und Meyerhoff zeigten 1997 in einer gemeinsamen Arbeit mit Thurstons Sohn Nathaniel – der als Programmierer beteiligt war, weil der Beweis umfangreiche computeralgebraische Berechnungen für die Mannigfaltigkeit Vol3, die hyperbolische 3-Mannigfaltigkeit drittkleinsten Volumens, benötigte – bewiesen, dass aus der Geometrisierung einer endlichen Überlagerung die Geometrisierung der Mannigfaltigkeit selbst folgt. Aus der von Thurston bewiesenen Geometrisierung von Haken-Mannigfaltigkeiten folgt also auch die Geometrisierung von virtuellen Haken-Mannigfaltigkeiten, womit aus der Waldhausen-Vermutung die Geometrisierung von 3-Mannigfaltigkeiten folgen würde. Auch unabhängig von der Waldhausen-Vermutung war dieses Resultat als substanzieller Schritt zur Geometrisierung betrachtet worden, weil in einem statistischen Sinne nur sehr wenige 3-Mannigfaltigkeiten eine inkompressible Fläche enthalten, und der Übergang zu Mannigfaltigkeiten, die diese Eigenschaft nur “virtuell” haben, auf jeden Fall sehr viel mehr Mannigfaltigkeiten einschließt.
Einige weitere damals bereits bekannte Konsequenzen der Waldhausen-Vermutung für eine irreduzible 3-Mannigfaltigkeit M waren: die Fundamentalgruppe von M ist linear über Z, d.h. erlaubt einen injektiven Homomorphismus nach GL(n,Z), sie hat Untergruppen mit endlichem Index, die einen surjektiven Homomorphismus auf eine freie Gruppe mit 2 Erzeugern erlauben, insbesondere hat M endliche Überlagerungen mit beliebig großer Betti-Zahl b1(M), die Fundamentalgruppe hat eine links -und rechts-invariante Anordnung, und noch weitere komplizierter zu formulierende Folgerungen.
Nachdem Perelmans Beweis der Geometrisierung durch den Ricci-Fluss Mitte der Nuller Jahre schließlich allgemein akzeptiert war, entfiel einerseits diese Motivation für den Beweis der Waldhausen-Vermutung, andererseits konte man aber nun mittels Geometrisierung die Waldhausen-Vermutung auf den hyperbolischen Fall zurückführen und brauchte sich jetzt also nur noch auf hyperbolische Mannigfaltigkeiten zu konzentrieren.
2008 führte Agol die Existenz einer virtuellen Faserung auf eine technisch zu formulierende Residualitätsbedingung „RFRS“ der Fundamentalgruppe zurück und er bewies, dass die Existenz inkompressibler Flächen in einer endlichen Überlagerung äquivalent dazu ist, eine virtuelle Faserung zu sein. Die Frage, ob eine Mannigfaltigkeit eine virtuelle Faserung sei, ist also nicht schwieriger als Waldhausens ursprüngliche Vermutung. Das war insofern überraschend, dass die Waldhausen-Vermutung damals eine allgemein akzeptierte Vermutung war, während auf die Frage nach virtuellen Faserungen im Allgemeinen eher eine negative Antwort erwartet worden war.
2009 hatten Kahn und Markovic dann eine schwächere Version von Waldhausens Vermutung bewiesen: die Fundamentalgruppe jeder irreduziblen, geschlossenen 3-Mannigfaltigkeit enthält eine Flächengruppe, d.h. die Fundamentalgruppe einer geschlossenen Fläche. Sie beweisen sogar, daß man in einer hyperbolischen 3-Mannigfaltigkeit für jedes ε>0 eine ε-quasigeodätische Fläche (mit Selbstschnitten) findet. Es ist klar, daß man dann eine Fläche (ohne Selbstschnitte) in der universellen Überlagerung bekommt, aber es folgt noch nicht automatisch, daß es eine Fläche ohne Selbstschnitte schon in einer endlichen Überlagerung gibt. Um aus der Arbeit von Kahn und Markovic die Waldhausen-Vermutung für hyperbolische 3-Mannigfaltigkeiten herzuleiten, müßte man wissen, dass die Fundamentalgruppen hyperbolischer 3-Mannigfaltigkeiten LERF (oder “trennbar”) sind, d.h. es zu jeder Untergruppe H und jedem g nicht in H eine Untergruppe von endlichem Index gibt, die H und nicht g enthält.
Einige Teilresultate zur Lerfness von Fundamentalgruppen hyperbolischer 3-Mannigfaltigkeiten waren zu dieser Zeit schon von Bergeron und Wise bewiesen worden. Ein Plan zur Lösung dieser Frage wurde dann von Wise in einem monumentalen, 180 Seiten langen Preprint vorgestellt. Es ging in dieser Arbeit um die Struktur von Gruppen mit einer quasikonvexen Hierarchie. Wise formulierte die Vermutung, dass wenn eine hyperbolische Gruppe G die Fundamentalgruppe eines kompakten Würfelkomplexes X nichtpositiver Krümmung sei, dann solle X eine endliche Überlagerung Y haben, die “speziell” ist. Letzterer von Haglund und Wise eingeführter Begriff ist im Wesentlichen äquivalent dazu, dass π1Y Untergruppe einer RAAG (rechtwinkligen Artin-Gruppe) ist, d.h. einer endlich erzeugten Gruppe, bei der einige der Erzeuger kommutieren und es darüber hinaus keine weiteren Relationen gibt. (RAAGs haben sehr gute Eigenschaften – sie sind linear über Z, anordbar, usw. -, die sich auf ihre quasikonvexen Untergruppen vererben. Insbesondere sind die quasikonvexen Untergruppen trennbar, womit man Agols Resultat von 2008 anwenden kann.)
Die Fundamentalgruppe einer hyperbolischen Mannigfaltigkeit ist hyperbolisch und es folgt aus der Arbeit von Kahn und Markovic, dass die Fundamentalgruppe einer hyperbolischen 3-Mannigfaltigkeit gleichzeitig auch Fundamentalgruppe eines kompakten Würfelkomplexes X nichtpositiver Krümmung ist. Die Vermutung von Wise läßt sich also auf hyperbolische 3-Mannigfaltigkeiten anwenden und man kann aus ihr die Richtigkeit der Waldhausen-Vermutung herleiten.
Wises Vermutung, dass hyperbolische kubulierbare Gruppen virtuell speziell seien, wurde dann von Agol – aufbauend auf einem von Agol mit Groves und Manning bewiesen schwachen Trennbarkeitsresultat, das wiederum auf der Arbeit von Wise aufbaute – bewiesen. Agols Beweis benutzte geometrische Gruppentheorie und keine speziellen Techniken für 3-Mannigfaltigkeiten. Damit wurden also quasikonvexe Untergruppen von RAAGs das gruppentheoretische Konzept zum Verständnis der Fundamentalgruppen von (hyperbolischen) 3-Mannigfaltigkeiten, womit zehn Jahre zuvor wohl niemand gerechnet hätte.
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