Heute wäre der 100. Geburtstag der Mathematikerin Olga Ladyschenskaja, bekannt vor allem für spektakuläre Arbeiten über die Gleichungen der Hydrodynamik, also für die Strömung von linear-viskosen Flüssigkeiten und Gasen. Sie arbeitete in Leningrad über die Analysis und Numerik dieser Gleichungen in ständiger Konkurrenz mit ihrer Moskauer Kollegin Olga Oleinik, die sich mit nichtlinearen Problemen der Elastizitätstheorie, etwa Homogenisierungsproblemen befaßte. In Leningrad lebte sie mit ihrer Mutter in einer mit Büchern, Möbeln und Kunst vollgepackten Wohnung, den Überresten einer Vergangenheit, in der die Familie einmal reich gewesen war. Ihr Vater war bei den Säuberungen der 30er Jahre ums Leben gekommen und ihre eigene Laufbahn war wegen des familiären Hintergrunds immer wieder behindert worden. Ihre Mutter führte ihr den Haushalt, so dass sie sich auf ihre Arbeit konzentrieren konnte.
Numerisch bearbeitet man die Navier-Stokes-Gleichungen wie viele andere partielle Differentialgleichungen mit dem Finite-Differenzen-Verfahren. Ladyschenskaja promovierte 1949 über Finite-Differenzen-Verfahren für lineare und quasilineare hyperbolische Systeme partieller Differentialgleichungen und in den Jahren danach benutzte sie die Finite-Differenzen-Methode, um theoretische Existenzsätze für hyperbolische Gleichungen zu beweisen. 1959 gelang es ihr erstmals, die globale eindeutige Lösbarkeit und die Glattheit der Lösungen für die Navier-Stokes-Gleichungen auf dem R2 und dem 2-dimensionalen Torus (und auch für die schwierigeren Euler-Gleichungen) zu beweisen. Dieselbe Frage für die 3-dimensionalen Navier-Stokes-Gleichungen, die ein mathematisches Modell der Strömung von linear-viskosen newtonschen Flüssigkeiten und Gasen sind, ist bis heute offen und ist eines der vom Clay-Institut mit einem Preisgeld von 1 Million Dollar ausgeschriebenen Milleniumprobleme. Der entscheidende Durchbruch für den 2-dimensionalen Existenzbeweis war die Ungleichung für die L4-Norm glatter Funktionen mit kompaktem Träger (Ladyzhenskaya-Ungleichung). 1961 schrieb sie dann ein Buch “Die mathematische Theorie viskoser inkompressibler Flüsse”, das sehr einflußreich wurde.
Ladyzhenskayas Existenzbeweis für Lösungen der 2-dimensionalen Navier-Stokes-Gleichungen von 1959 beruhte auf den Methoden der Funktionalanalysis, dem Rieszschen Darstellungssatz und dem Fixpunktsatz von Leray und Schauder (zunächst zur Konstruktion schwacher Lösungen, deren Regularität dann mit Methoden von Golovkin und Solonnikov bewiesen wird). In der zweiten Hälfte der 60er Jahre entwickelte sie dann eine Reihe von Differenzenschemata für die 2- und 3-dimensionalen Navier-Stokes-Gleichungen, um diese auch numerisch zu lösen. In der Arbeit “Устойчивые разностные схемы для уравнений Навье–Стокса” in Зап. научн. сем. ЛОМИ gelang es ihr 1969 erstmals, die Konvergenz solcher Schemata für Navier-Stokes-Gleichungen rigoros zu beweisen. Bei allen diesen Schemata gab sie den Beweisweg zum Nachweis der starken Konvergenz der Schemata in der Norm an, mit Einschluß der ersten Ableitungen, wodurch sie auch eine Methode zur Gewinnung von Abschätzungen der Konvergenzgeschwindigkeit erhielt.
Nach Ladyzhenskaya (sowie Babuška und Brezzi) benannt ist auch die LBB-Bedingung, die Kriterien für die Stabilität der Diskretisierung eines Sattelpunktproblems gibt. Anders als bei elliptischen Problemen sind bei hyperbolischen Problemen viele Diskretisierungen instabil, was zu Artefakten wie Störschwingungen führt. Die LBB-Bedingung spielt eine grundlegende Rolle in der Formulierung von stabilen numerischen Diskretisierungen von den inkompressiblen Navier-Stokes-Gleichungen über die stationäre Stokes-Gleichung bis hin zum Darcy-Gesetz für Strömungen in Sedimentgestein.
Mehr Informationen findet man bei MacTutor History oder in dem Artikel „Olga Ladyzhenskaya A Life-Long Devotion to Mathematics“ von Michael Struwe.
Bild: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/36/Ladyshenskaya.jpg
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