we found a statistically significant relationship between the rise in average global temperature and the declining Pirate population.
Bobby Henderson
Sommer in Budapest
Für Zitate aus der Vor-Internet-Zeit ist es heute mit Google oft schwierig, den Urheber ausfindig zu machen. So erinnere ich mich, ohne es heute verifizieren zu können, in einem Text für mathematisch interessierte Schüler vor Jahrzehnten mal die Anekdote gelesen zu haben, dass es in Ungarn einst einen Statistik-Professor gab, der die T\”ucken der Regressionsanalyse am Beispiel der durch Budapest fließenden Donau erklärte. Immer wenn diese einen niedrigen Wasserstand habe, seien auch wenige Studenten an der Budapester Universität.
Bringen Störche Kinder?
Auch dass der Weißstorch Anfang der 60er Jahre als vom Aussterben bedrohte Art galt und dementsprechend eigene Kapitel in Büchern über aussterbende Tierarten hatte, läßt sich heute mit Google kaum noch nachvollziehen. Anders ist es mit dem in der zweiten Hälfte der 60er Jahre einsetzenden Geburtenrückgang beim Menschen, zu dem sogar Wikipedia einen eigenen Artikel hat.
Und tatsächlich findet man auch im Netz leicht Erklärungen, warum Regionen mit mehr Störchen auch höhere Geburtenraten haben. Das Stichwort heißt “Drittvariablenkontrolle”. Man nehme die Anzahl der Störche {\em und} den Industrialisierungsgrad als unabhängige Variablen.
Dann bleibt der Industrialisierungsgrad signifikant, während die Anzahl der Störche nicht mehr signifikant ist.
Manipulation und Korrelation
Natürlich ist es oft schwierig, Kausalität und Korrelation auseinanderzuhalten. Noch schwieriger wird es, wenn man gar nicht weiß, was eine Korrelation ist – so wie offenbar Alice Weidel, die Fraktionsvorsitzende der rechtsextremen AfD, in einer Pressekonferenz am 13. April 2021.
Alice Weidel: Wir halten im Übrigen auch den Inzidenzwert für manipulierbar. Durch die Ausweitung oder durch Einschränkungen der Tests läßt sich der Inzidenzwert eben auch hoch oder runter fahren.
[…]
Journalistin: Ich frage mich, warum Sie das Wort Manipulation benutzen. Wenn mehr getestet wird und man mehr Fälle findet, dann ist das doch näher an der Wahrheit dran.
Alice Weidel: Ach, dann nehmen sie einfach Korrelation.
Journalistin: Und dann noch eine …
Alice Weidel: Jetzt bitte fragen Sie nicht was ‘ne Korrelation ist.
Ressourcenfluch
Eine andere gelegentlich behauptete Korrelation ist der sogenannte “Ressourcenfluch”. Reichtum an fossilen und mineralischen Rohstoffen soll zu einem geringeren Wirtschaftswachstum führen, in Ländern mit viel Erdöl, Gas und Kohle sollen sich Diktatur und Korruption, Gewalt und Ignoranz einfacher durchsetzen als in rohstoffarmen Ländern.
Als frühes Beispiel gilt der Silberreichtum spanischer Kolonien, der im Spanien des 16. Jahrhunderts zur Inflation, zum Niedergang des verarbeitenden Gewerbes und zu Massenarmut führte. Der Zusammenhang mit dem Silberreichtum wurde erstmals 1578 vom Staatstheoretiker Jean Bodin hergestellt, woraus John Locke im 17. Jahrhundert die Quantitätstheorie des Geldes entwickelte.
Ob es sich beim Ressourcenfluch um eine Kausalität oder nur eine Korrelation handelt, dafür und dagegen gibt es natürlich viele Argumente. Saudi-Arabien ist eine stabile Autokratie, Nigeria eine instabile, Venezuela wechselt in Abhängigkeit vom Ölpreis zwischen Demokratie und Autokratie, während Norwegens politisches System vom Ölpreis unbeeindruckt bleibt.
Eine Arbeit “Resource Windfalls, Political Regimes, and Political Stability” von Francesco Caselli und Andrea Tesei, veröffentlicht 2016 in {\em The Review of Economics and Statistics}, untersucht den Einfluss von unerwarteten Ressourcenzuwächsen (“ressource windfalls”) und kommt zu dem Schluss, {\em “that windfalls have no effect on democracies, while they have heterogeneous political consequences in autocracies. In deeply entrenched autocracies, the effect of windfalls is virtually nil, while in moderately entrenched autocracies, windfalls significantly exacerbate the autocratic nature of the political system.”} Das wird dann mit einem ausführlich durchgerechneten mathematischen Modell begründet. Hauptergebnis des Modells ist
the larger the pie, the more the incumbent finds it optimal to spend on self-preservation, so the degree of autocracy is increasing in the size of the resource rents.
Pecunia ex oleum non olet?
Wenn Geld aus Öl schon nicht zu mehr Demokratie führt, nützt es dann wenigstens der Entwicklung von Wissenschaft und Technik?
Im Shanghai-Ranking, der weltweiten Forschungsrangliste der Universitäten, sind zwei saudi-arabische Universitäten regelmäßig in den Top 200: die King Abdelaziz University und die King Fahd University of Petroleum & Minerals. In der Mathematik ist die King Abdelaziz University sogar häufig in den Top 50.
Über Sinn und Unsinn solcher Rankings läßt sich natürlich vieles sagen. Etienne Ghys hat sich auf {\em Images des Mathematiques} mal mit den grundsätzlichen Problemen im Shanghai-Ranking auseinandergesetzt, seinen Artikel “Shanghai, Perpignan, et les mathematiques” findet man auf https://images.math.cnrs.fr/Shanghai-Perpignan-et-les-mathematiques?lang=fr. Ein extremes Beispiel für Verzerrungen im Ranking war die Universität Alexandria in Ägypten, die es im Jahr 2011 durch die zweifelhaften Aktivitäten eines einzelnen Professors auf Platz 4 im Citation Index und immerhin noch Platz 147 im Gesamtranking geschafft hatte.
Bei den saudi-arabischen Universitäten liegt die Sache aber anders. Neben der Produktivität einheimischer Forscher spielen die “secondary affiliations” eine Rolle: bekannte internationale Wissenschaftler bekommen einen Zweitjob an einer saudischen Uni, halten dort einige Wochen im Jahr Vorträge oder Sommerschulen und zählen bei den Citation Rankings für ihren Zweitarbeitgeber genauso wie für ihre Heimat-Universität.
Es gab zu dieser Frage 2014 ein Paper auf dem ArXiv: “Which of the world’s institutions employ the most highly cited researchers? An analysis of the data from highlycited.com.” Dessen Autoren sprachen in diesem Zusammenhang sogar von Manipulation, was aber eigentlich doch nur gerechtfertigt wäre, wenn die eingekauften Wissenschaftler den Universitäten nur ihre Namen und Veröffentlichungen zur Verfügung stellten ohne dort aktiv zu sein.
Dem ist aber nicht so, es gibt tatsächlich zahlreiche Aktivitäten ausländischer Wissenschaftler an saudischen Universitäten, die Webseite des Mathe-Departments der KAU berichtete schon 2015 von “more than 500 seminars and crash courses in mathematics by distinguished adjunct professors” und es gibt inzwischen eine sehr hohe Anzahl von Veröffentlichungen saudischer Mathematiker in anerkannten Fachzeitschriften. Die aufgewandten Gelder scheinen also durchaus gut eingesetzt und nicht nur dem Einkauf von Publikationslisten zu dienen. Insoweit kann man diesen Ansatz als funktionierend, wenn auch aus Mangel finanzieller Mittel für andere Entwicklungsländer kaum replizierbar ansehen.
Ist es also egal, ob das Steuergeld für Wissenschaft und Bildung von Intel und Tesla oder nur aus billigem Öl und Gas kommt?
Was in Saudi-Arabien jedenfalls nicht funktioniert, ist jenseits der reinen und angewandten Forschung auch die Gesellschaft als Ganzes zu modernisieren, außerhalb der wissenschaftlich-technischen Institutionen verharrt das Land weitgehend im Mittelalter, wie sich an vielen Beispielen verifizieren läßt.
Gerichte entscheiden auf Todesstrafe durch Enthaupten für Hexerei, verhängen aber oft laxe Strafen in Fällen häuslicher Gewalt. Nicht zuletzt unterstützt das Land den internationalen Terrorismus und führt seit 2015 einen “Bürgerkrieg” im Jemen, der große Teile des Landes verwüstet hat.
“Wandel durch Handel” oder auch “Wandel durch wissenschaftliche Zusammenarbeit” ist offensichtlich kein Selbstläufer.
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