Vroniplag hat einen neuen Plagiatsfall aufgedeckt. Wie der MDR berichtet, gibt es mehrere Plagiats-Verdachtsfälle bei Doktorarbeiten bei immer demselben Doktorvater. In einem besonders schweren Fall habe ein Promovend einen 48-seitigen, gemeinsam mit mehreren Autoren verfassten Artikel vollständig in seine Doktorarbeit kopiert und als seine alleinige Leistung ausgegeben. Es sehe so aus, “als hätten der Betreuer und andere an den Dissertationen massiv mitgewirkt”.
Ich war vor fast zwanzig Jahren mal für zwei Jahre Mitglied im Promotionsausschuß einer kleinen Universität. Die Universität war so klein, dass Mathematik, Physik und Chemie einen gemeinsamen Promotionsausschuß hatten.
Im Fachbereich Chemie gab es einen Professor, der eine Reihe Drittmittelprojekte hatte und sich dafür zahlreiche Doktoranden von indischen Universitäten holte. Diese Doktoranden wurden von seinen Drittmitteln bezahlt und waren also voll von ihm abhängig, schon wegen der Aufenthaltsgenehmigung.
Es war allgemein bekannt, dass er sich von seinen indischen Doktoranden stets als Koautor auf ihre Arbeiten setzen ließ, ohne etwas beigetragen zu haben.
Zufällig war dieser Professor auch Mitglied und stellvertretender Vorsitzender im Promotionsausschuß. (Zwei Jahre später wurde er sogar Vorsitzender.) Als wieder mal die Zulassung einer unter ihm geschriebenen Promotion anstand, fragte der damalige Vorsitzende (ein Physiker), wie es denn sein könne, dass dort eine Doktorarbeit eingereicht wird, bei der wirklich jedes einzelne Kapitel, selbst die Einleitung, auf Veröffentlichungen beruht, bei denen der Doktorand nur der Zweitautor (und der betreuende Professor der Erstautor) gewesen ist.
Bis auf den Angesprochenen verstand natürlich jeder die Stoßrichtung dieser Frage. Der angesprochene Professor dachte allerdings, es ginge wirklich um die Bewertung der Arbeit des Doktoranden, und fing wortreich an zu erklären, dass der Doktorand alle diese Arbeiten wirklich völlig selbständig geschrieben hatte, dass er selbst dort überhaupt nichts beigetragen hatte und auch nicht hatte helfen müssen, und dass der Doktorand also wirklich hervorragende Arbeit geleistet habe und die Bestnote verdiene.
Warum er selbst dann bei allen Arbeiten als Hauptautor aufgeführt wurde, erörterte er natürlich nicht. (Immerhin bemerkte er zum Schluß dann aber doch, dass die anderen Kommissionsmitglieder sich nur schwer ein Lächeln über seine Erläuterungen verkneifen konnten.)
Ich kenne natürlich den vom MDR aufgedeckten Fall nicht, zumal im Bericht ja auch keine Namen genannt werden. Es scheint mir aber doch sehr gut möglich, dass es hier weniger um einen Plagiatsfall als um einen Fall von Ehrenautorschaften gehen könnte. Reine Spekulation, aber erfahrungsgemäß wahrscheinlicher.
Kommentare (20)