Die meisten PCRs werden „nur” mit um die 30 Zyklen betrieben. Dennoch hätte man, selbst wenn man mit nur einem Ausgangsmolekül beginnen würde, nach 30 Zyklen bereits über 1 Milliarde Kopien. Das gilt aber nur, wenn wirklich in jedem Zyklus eine vollständige Verdoppelung erfolgt und das wird in der Realität nicht erreicht. Dennoch ist die PCR effizient genug, um ausreichend Kopien des gewünschten DNA-Abschnitts für jede folgende Untersuchung zu produzieren.
Es ist also kaum möglich, die Bedeutung der PCR zu überschätzen (und meiner unbedeutenden Auffassung nach gehört die PCR genauso zur Allgemeinbildung, wie zu wissen, wer das Penicillin entdeckt hat). Um die PCR aber zu verstehen, muß man begreifen, was in ihren „Zyklen” abläuft. Sehen wir uns also die Phasen eines Zyklus’ im Detail an:
Denaturierungsphase
DNA ist ein doppelsträngiges Molekül. Die Informationen der beiden Stränge liegen im nativen Zustand „aufeinander” und man kann sie in diesem Zustand so wenig „lesen”, wie zwei Buchseiten, die aufeinanderliegen. Erst durch Aufblättern (Buch) bzw. Denaturieren (DNA) kommt man an die Information heran. Um DNA zu denaturieren, also die DNA-Stränge einer Doppelhelix voneinander zu trennen, muß man viel Energie aufwenden, da die Helixstruktur sehr stabil ist. Die vollständige Trennung von genomischer, doppelsträngiger DNA bedarf einer Temperatur von ca. 95°C für ca. 10 Minuten (in späteren Zyklen kann man diese Dauer stark verkürzen, weil dann fast nur noch die viel kürzeren, kopierten DNA-Abschnitte vorliegen).
Annealingphase
In dieser Phase werden die DNA-Abschnitte, die vervielfältigt werden sollen, „markiert” oder „abgesteckt”. Dies geschieht durch einen der wichtigsten Bestandteile jeder PCR, den sog. „Primer”. Ein Primer ist ein sehr kurzes Stückchen DNA, das aus ca. 18-20 DNA-Bausteinen (Nukleotiden) besteht und das man bei Biotechnikfirmen in selbst bestimmter Zusammensetzung für wenig Geld herstellen lassen kann.
Hier machen wir einen kleinen Exkurs: es ist wichtig, sich noch einmal klarmachen, daß jeder der beiden Einzelstränge die gleiche Information enthält, nur eben in komplementärer Form. Man könnte sagen, der eine ist auf englisch, der andere auf deutsch. Sie sind also nicht identisch, aber man kann die Information auf dem einen vollständig aus dem anderen ableiten und umgekehrt. Eine Kopie eines Abschnitts der DNA zu machen, bedeutet also, immer beide Stränge zu kopieren und kopiert wird immer in der „anderen Sprache”. Also an der Vorlage des „deutschen” Strangs (1) wird immer ein kopierter Strang in „Englisch” (2) hergestellt. Die Herstellung selber, also den Vorgang des Kopierens, übernimmt ein Enzym, die sogenannte DNA-abhängige DNA-Polymerase (DNA-Pol.), ein Kopierenzym, das eine DNA-Matrize benötigt, um daran wieder DNA herzustellen. Nun fängt aber eine DNA-Pol. nicht einfach an zu kopieren, sobald sie irgendwo eine einzelsträngige DNA „bemerkt“, sie benötigt eine Art „Lesezeichen”, eine klar markierte Stelle, an der sie anfangen kann.
Und genau hier kommen die Primer, die als solche Lesezeichen fungieren, ins Spiel: ein Primer ist immer komplementär zu einem Ende des DNA-Abschnitts auf einem Strang, den man vervielfältigen möchte. Dabei ist der Primer, der als Startpunkt für die Kopie des „englischen” Strangs dient, auf „deutsch” (entspricht also in seiner Nukleotidabfolge einem kurzen Stück des anderen „deutschen” DNA-Strangs) und vice versa. Und jetzt kommt der Clou: das „Raussuchen” der Stelle, also des DNA-Abschnitts, den man vervielfältigen möchte, übernehmen die Primer. Man bedenke: die DNA besteht aus ca. 3,2 Milliarden Buchstaben (das entspricht einer Bibliothek mit ca. 8000 Büchern zu je 1000 Seiten!) und man sucht einen Abschnitt von z.B. 400 Buchstaben (eine typische Größe für PCR-Produkte). Was einen Menschen Wochen kosten würde, schaffen die Primer in Sekunden. Hieraus ergibt sich auch die Länger der Primer. Ab einer Länge von ca. 16 Nukleotiden kommt diese spezielle Abfolge von Nukleotiden (wenn sie nicht gerade hochredundant ist) statistisch gesehen nur ein einziges Mal im Genom eines Menschen vor. Wäre ein Primer kürzer, wäre die Wahrscheinlichkeit groß, daß er nicht (nur) an der gewünschten Stelle, sondern (auch noch) an anderen „zufällig” passenden Stellen binden würde. Primer sind daher immer mindestens 16 Nukleotide lang, meist etwas länger um sie noch spezifischer zu machen. Sie dürfen aber auch nicht zu lang sein, da sie sonst zu lange brauchen, um vollständig an ihre Zielsequenz zu binden.
In der Annealingphase wird die Temperatur abgesenkt auf einen Wert, der vom Primer (Zusammensetzung und Länge) abhängt, aber meist in etwa um die 55-60°C liegt. Bei dieser Temperatur lagern sich die langen DNA-Stränge (1 und 2) noch nicht wieder zusammen, aber die kurzen Primer (1 und 2) finden die komplementäre Bindestelle in „ihrem” DNA-Strang und binden daran. Jetzt kann das Kopieren beginnen.
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