Das Folgende könnte wie das klassische Lamento der älteren Generationen klingen: “Die heutige Jugend ist auch nicht mehr das, was wir mal waren”; und als angehender Mittfünfziger passe ich vermutlich in die Kategorie “ältere Generation”. Aber offenbar gibt es ernsthaften Grund zu der besorgten Annahme, dass eine Sozialisation in einer digitalen Welt mit Facebook, Twitter und YouTube die Gehirne von Jugendlichen für einen schnellen Aufmerskamkeitswechsel “verdrahten” könnte – mit anderen Worten: Die “instant gratification” (sofortige Belohnung), die sie durch diese sozialen Medien (und die schnelle, aber auch schnell zu wechselnde Verfügbarkeit digitaler “Welten”) erfahren, macht sie unfähig, sich einer längeren Aufgabe – zum Beispiel dem Lesen von Büchern – zu widmen. Die New York Times spendiert dem Thema eine längere Story, in der sie den Harvard-Jugendexperten Michael Rich zu warnenden Worten kommen lässt:

“Their brains are rewarded not for staying on task but for jumping to the next thing. (…) The worry is we’re raising a generation of kids in front of screens whose brains are going to be wired differently.”
Ihre Gehirne werden nicht dafür belohnt, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren, sondern dafür, gleich zum nächsten Ding zu springen. (…) Die Sorge ist, dass wir vor Bildschirmen eine Generation von Kindern großziehen, deren Gehirne anders verdrahtet sein werden.

Vielleicht ist da ja was dran (obwohl ich selbst eine ausgesprochene Leseratte – fast elf Jahre alt – zu Hause habe, die trotz Verfügbarkeit eines Computers Bücher liebt und derzeit mit viel Genuss, gemeinsam mit mir, den Moby Dick von Herman Melville in der Originalfassung liest). Aber ich hatte leider keine Geduld, den Artikel bis zum Ende durchzulesen …

flattr this!

Kommentare (11)

  1. #1 Redfox
    22. November 2010

    Aber ich hatte leider keine Geduld, den Artikel bis zum Ende durchzulesen …

    Oh, the irony! 😉

  2. #2 miesepeter3
    22. November 2010

    @Jürgen Schönstein

    das ist doch genau das, was in Wirtschaft und Wissenschaft von unserer Jugend verlangt wird: schnell wechselnde Verfügbarkeit.
    Diese auf Dauer angelegte Überbelastung des Gehirns nennt man dann modern
    Flexibilität. Damit ist nicht nur gemeint, dass der Proband sich in mehreren unterschiedlichen Sachgebieten andauernd hin- und herbewegen kann, sondern das auch noch in doppelter Schallgeschwindigkeit tut.
    Sollte jetzt wenigstens die Wissenschaft dahintergekommen sein, dass das eventuell nicht die beste Art zu Leben ist?

  3. #3 Jörg
    22. November 2010

    Gehirne werden nicht verdrahtet. Gehirne sind elastisch, und selbst wenn sie sich kulturell anders entwickeln, heißt das weder dass das schlecht sein muss, noch dass das nicht umkehrbar sei.

  4. #4 KommentarAbo
    22. November 2010

  5. #5 Andrea N.D.
    22. November 2010

    Dazu fallen mir zwei Dinge ein:
    Das Lamentieren der archaischen Griechen als die Schrift erfunden wurde und das Geschrei bei Einführung des Buchdrucks.
    Schön, dass endlich dieser unglaublich revolutionären Entwicklung unserer Zeit Aufmerksamkeit geschenkt wird. Noch schöner wäre gewesen, wenn den Leuten einmal etwas anderes eingefallen wäre als vor rund 2700 Jahren.

  6. #6 miesepeter3
    22. November 2010

    ähh, dass mit der Schrift, waren das nicht die Phönizier?

  7. #7 Niels
    22. November 2010

    @miesepeter3
    Nö. Die Phönizische Schrift gilt als Vorläufer der heutigen alphabetischen Schriften.
    Trotzdem ist die sumerische Keilschrift, die ägyptische Hieroglyphen usw. deutlich älter.

    Mit Sicherheit gab es aber jeweils Phönizier, Sumerer und Ägypter, die dagegen waren.
    Schließlich war man bisher auch wunderbar ohne sowas ausgekommen.

  8. #8 miesepeter3
    22. November 2010

    @Niels

    “Nö. Die Phönizische Schrift gilt als Vorläufer der heutigen alphabetischen Schriften.”

    Nö, die phönizische Schrift gilt unter anderem auch als Vorläufer der griechischen Schrift, da sind sich die Gelehrten mal so ziemlich einig. Erste Keilschriften berichten von Holzlieferungen aus Byblos an ägyptische Pharaonen ca. 2.750 v. Chr. .

    Aber das ist nicht mehr so ganz das Thema hier.

  9. #9 Silke
    23. November 2010

    Es stimmt schon, dass alles was wir tun unser Gehirn prägt. Und es gibt schon mehrere Studien darüber, dass Kinder mit Zugang zu Computern schlechtere schulische Leistungen erbringen. Auf Nachfragen stellte sich aber heraus; das lag daran, dass die Kids statt zu lernen Online-Games spielten 😉

  10. #10 miesepeter3
    23. November 2010

    Irgendwo hab ich gelesen, dass Jugendlichge, die viel und ausdauernd die sogenannten “Ballerspiele” spielen, sich wesentlich schneller auf wechselnde Umstände im tatsächlichen Leben einstellen können und auch wesentlich entscheidungsfreudiger sind, ohne die Qualität der Entscheidung zu mindern, als diejenigen, die solche Spiele nicht oder nicht oft spielen. Offensichtlich hat die entsprechende Studie ergeben, dass das Gehirn von diesen Spielern “gelernt” hat, sich schneller und besser zu entscheiden, egal in welchem Zusammenhang.
    Wenn man also dann gewohnt ist, sich in einem sich stetig und schnell ändernden Universum zurechtzufinden, ist die Fähigkeit, sich intensiv um langfristige Unternehmungen zu kümmern, wohl ein wenig eingerostet. Das zeigt doch wohl, das unser Gehirn viel kann, aber nicht alles auf einmal. Diesen Grundsatz hat man schon vor einiger Zeit endeckt, als man feststellte, das Multitasking wohl doch keine sehr weitverbreitete Fähigkeit ist. Im Gegenteil, je mehr multitasking, desto mehr Fehler und desto unglücklicher der Mensch.
    Tja, es scheint, wir haben immer noch die gleichen Gehirne, wie vor 2700 Jahren.

  11. #11 Olli F.
    24. November 2010

    Die mir älteste bekannte Quelle mit Beschwerden über “die Jugend” findet sich auf einem Rollsiegel, ein paar tausend Jährchen alt. Ich muss mal schauen wo ich das gelesen hatte (Im Zweifel in “In Troja ist kein Zimmer frei”).