Nichtorientierbare Barock-Musik, Commerzbank-Logos, die DMV und Pynchon’s Rauchkringel.
“Seltsame Schleifen” nannte es Hofstadter, wenn man sich innerhalb eines Systems nach oben (oder unten) bewegt und letztlich wieder zum Ausgangspunkt kommt wie in Eschers Wasserfall. Als erstes Beispiel dafür führte er Bachs endlos reduplizierten Canon per tonos aus dem “Musikalischen Opfer” an. Jos Leys hat diesen Kanon den Krebskanon [ed.] aus dem “Musikalischen Opfer” jetzt auf einem Möbiusband veranschaulicht:
(Die Geschichte des “Musikalischen Opfers” kann man in der Verfilmung mit Vadim Glowna und Jürgen Vogel ansehen, oder natürlich in Hofstadters “Gödel, Escher, Bach” nachlesen1.)
In der letzten Ausgabe der Mitteilungen der DMV gibt es einen Artikel “Möbiusbänder liegen im Trend” von G.M. Ziegler, mit Möbiusbändern aus vielen Bereichen.
Zum Beispiel hat die Commerzbank seit Oktober 2009 ein Möbiusband als Logo
wie es vorher schon die (im Januar 2009 von der Commerzbank übernommene) Dresdner Bank hatte
Und im Lufthansa-Worldshop bekommt man für 82.000 Meilen oder 320 Euro die Georg Jensen Möbius Kette:
die im vergangenen Herbst wegen der starken Nachfrage nicht mehr lieferbar war.
Möbiusbänder liegen im Trend. Möbiusbänder liegen so sehr im Trend, dass es aufgrund der immensen Nachfrage zeitweilig Lieferverzögerungen gibt!
schreiben die DMV-Mitteilungen. (Inzwischen gibt es die Kette aber wieder.)
Auch die DMV selbst hat seit letztem Jahr ein Möbiusband als Logo:
Spiegel Online berichtete darüber unter der Überschrift “Mathematiker wollen smarter werden”: “Statt eckiger, dreidimensionaler Buchstaben repräsentiert nun ein fast schon esoterisch geschwungenes Möbiusband in Blau und Orange den DMV.” (Der Satz hat es sogar als Beispielsatz in das deutsch-chinesische Wörterbuch geschafft.)
Eine lebhafte Diskussion (unter Designern?) zum DMV-Logo auf https://www.designtagebuch.de/deutsche-mathematiker-vereinigung-dmv-mit-neuem-logo/ diskutiert das neue und das alte Logo unter allen möglichen Gesichtspunkten.
Dort wird auch noch auf das neue Logo von Grant Thornton verwiesen, das aber m.E. (wegen der geraden Anzahl von Twists) kein Möbiusband darstellt::
Und schließlich noch ein Zitat aus Thomas Pynchon’s “Mason & Dixon”, das neulich bei E.Kowalski erwähnt wurde:
He sets his Lips as for a conventional, or Toroidal, Smoke-Ring, but out instead comes a Ring like a Length of Ribbon clos’d in a Circle, with a single Twist in it, possessing thereby but one Side and one Edge….
Rauchwolken in Form eines Möbiusbandes habe ich auch noch nicht gesehen.
1: Ich kopiere mal die musikalische Erklärung aus “Gödel, Escher, Bach”:
“Von den Kanons im Musikalischen Opfer ist einer ganz besonders ungewöhnlich. Er ist einfach mit ‘Canon per Tonos’ überschrieben und dreistimmig. Die oberste Stimme singt eine Variation des Königlichen Themas, während unter ihr zwei Stimmen eine kanonische Harmonisierung ergeben, die auf einem zweiten Thema basieren. Die untere dieser beiden Stimmen singt ihr Thema in c-Moll (der Tonart des ganzen Kanons), und die obere Stimme dieses Paares singt das gleiche Thema, in der Tonhöhe um ein Intervall einer Quinte nach oben verschoben. Was diesen Kanon jedoch von allen anderen unterscheidet, ist, daß er, wenn er zu Ende ist – oder vielmehr zu Ende sein scheint – nicht mehr in der Tonart c-Moll, sondern nunmehr in d-Moll ist.Irgendwie hat Bach es fertiggebracht, vor den Augen des Hörers zu modulieren, d.h. von einer Tonart zur anderen überzuwechseln. Und der Kanon ist so konstruiert, daß dieses Ende sich reibungslos wieder an den Anfang anschließt; so kann man also den Prozeß wiederholen und nach E-Dur gelangen, um wiederum an den Anfang anzuknüpfen. Sukzessive Modulationen führen das Ohr in immer weiter entfernte Gebiete der Tonalität, so daß man nach einigen Modulationen erwarten würde, sich hoffnungslos weit von der Ausgangstonart entfernt zu befinden. Und doch ist, wie durch Magie, nach genau sechs solchen Modulationen die ursprüngliche Tonart von c-Moll wieder erreicht! Alle Stimmen sind genau eine Oktave höher, als sie zu Beginn waren, und an diesem Punkt kann das Stück auf musikalisch sinnvolle Weise abgebrochen werden. Wie man sich vorstellen kann, war das Bachs Absicht, aber er fand ohne Zweifel auch an der Implikation Gefallen, daß sich dieser Prozeß ad infinitum fortsetzen läßt, und vielleicht hat er deshalb an den Rand geschrieben: ‘Wie die Modulation steigt, so möge es auch der Ruhm des Königs tun.’ Um zu betonen, daß dieser Kanon in die Unendlichkeit verweist, nenne ich [Hofstadter] ihn den ‘Endlos Reduplizierten Canon’.”
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