Seit einigen Tagen liegt ein vorgeblicher Beweis der Collatz-Vermutung auf dem ArXiv, gestern schaffte es ein Artikel über den Beweisversuch sogar in die Top-Meldungen von Spiegel Online.
Bei der Collatz-Vermutung (auch als ‘3n+1’-Vermutung bekannt) geht es um folgende Prozedur:
– man beginnt mit einer natürlichen Zahl n
– wenn sie gerade ist, dividiert man sie durch 2
– wenn sie ungerade ist, bildet man 3n+1.
Die Vermutung ist, daß man mit dieser Prozedur letztlich immer im Zykel 4,2,1 endet.
Als Beispiel, mit Startwert 37:
37, 112, 56, 28, 14, 7, 22, 11, 34, 17, 52, 26, 13, 40, 20, 10, 5, 16, 8, 4, 2, 1.
In der Arbeit An analytical approach to the Collatz 3n+1 Problem (bei Mathematics of Computation eingereicht und seit einigen Tagen auf dem ArXiv) wird nun ein Beweis dieser Vermutung behauptet.
Ich habe die Arbeit kurz überflogen und habe auch kurz gegoogelt, was man im Netz dazu findet.
In der Arbeit wird etwas irreführend der Eindruck erweckt, daß man die Collatz-Vermutung auf ein funktionentheoretisches Problem zurückgeführt und dieses gelöst habe. Tatsächlich haben Berg und Meinardus in zwei 1994 und 1995 veröffentlichten Arbeiten zwei lineare Operatoren U,V:H–>H eingeführt (hier ist H der Vektorraum der holomorphen Funktionen auf der Einheitskreisscheibe), haben gezeigt, daß Δ2 ⊆ ker(U)∩ker(V) (hier ist Δ2⊆H der Unterraum aus allen Linearkombinationen von φ1(z)=1 und φ2=z/(1-z)) und haben gezeigt, daß die Gleichheit Δ2 = ker(U)∩ker(V) dann und nur dann gilt, wenn die Collatz-Vermutung richtig ist.
Diese auf Berg-Meinardus zurückgehende Äquivalenz der Collatz-Vermutung zu einem funktionentheoretischen Problem wird in der neuen Arbeit zwar ausführlich besprochen, geht aber offenbar (auch wenn in der Arbeit der gegenteilige Eindruck erweckt wird) in den eigentlichen Beweisversuch gar nicht ein. Tatsächlich handelt es sich bei dem versuchten Beweis ganz klassisch um eine Analyse des Baumes, den man erhält, wenn man startend von 1 (oder von 4) die möglichen vorhergehenden Zahlenwerte rückwärts verfolgt (wie im unten abgebildeten Baum aus der Wikipedia).
Auf Seite 12 folgt dann der Hauptsatz:
Theorem 4.17. Regardlass [sic] of the start value 2l > 8, the annihilation algorithm will always end with 2l = 8.
Proof. This follows from the properties of the annihilation graph. Every start value 2l > 8 defines a vertex of the graph and because of the tree structure it always ends at 2l = 8.
Das ist, so wie es dort steht, natürlich eine Trivialität: von jedem Punkt des Baumes kommt man bei Anwendung des Algorithmus letzlich zum Zykel 4,2,1 – der Baum war ja gerade so definiert, daß er aus denjenigen Zahlen besteht, die man bei Rückwärtsanwendung des Algorithmus aus 1,2,4 bekommt.
Interessanter wäre die Frage, warum der Baum alle natürlichen Zahlen enthält. Und diese Frage wird in der Arbeit allem Anschein nach nicht beantwortet.
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