Jetzt ist es so weit! Das Event Horizon Telescope (EHT) hat das erste Bild eines schwarzen Lochs veröffentlicht. Das ist eine grandiose Leistung und ein astronomischer Meilenstein. Wir haben einen großen Schritt vorwärts gemacht und können die unverständlichsten Objekte im Universum nun ein klein wenig besser verstehen. Und werden in Zukunft noch viel besser darüber Bescheid wissen wie schwarze Löcher funktionieren! Aber bis dahin gibt es noch jede Menge offene Fragen – und vor allem auch Fragen die die aktuelle Beobachtung betreffen. Da kann man nämlich einiges missverstehen…
Was haben wir gesehen?
Das hier:
Es handelt sich um das supermassereiche schwarze Loch im Zentrum der Galaxie Messier 87 (M87). Das ist eine riesige Galaxie, in der sich 2 bis 3 Billionen Sterne befinden. M87 ist knapp 54 Millionen Lichtjahre von uns entfernt; am Himmel könnte man sie im Sternbild Jungfrau sehen, wenn sie nicht so schwach leuchten würde, dass man dafür ein gutes Teleskop braucht. So wie in allen anderen großen Galaxien hat auch M87 in ihrem Zentrum ein supermassereiches schwarzes Loch. Es hat mehr als die 6,5 Milliardenfache Masse unserer Sonne und das ist auch der Grund, warum man es trotz der großen Entfernung beobachten konnte.
Das Ding hat die Bezeichnung “M87*” und wird in naher Zukunft auch noch einen “schönen” Namen bekommen.
Warum hat man nicht ein näheres schwarzes Loch beobachtet, zum Beispiel das im Zentrum unserer eigenen Galaxie?
Auch unsere Milchstraße hat in ihrem Zentrum ein supermassereiches schwarzes Loch. Es heißt “Sagittarius A*”, ist 26.500 Lichtjahre von der Erde entfernt und hat ungefähr 4 Millionen Sonnenmassen. Und natürlich hat das EHT auch probiert es zu beobachten. Die Daten waren in diesem Fall aber leider nicht so gut wie man sich das erhofft hatte. Zukünftige Beobachtungen werden aber mit Sicherheit auch ein Bild unseres eigenen schwarzen Lochs liefern! M87 ist aber ein mehr als guter Ersatz: Das dortige supermassereiche schwarze Loch ist zwar 2000 mal weiter weg als das im Zentrum der Milchstraße. Es hat aber auch 1500 mal mehr Masse als Sagittarius A* – insgesamt lässt es sich also kaum schlechter beobachten.
Was sieht man da jetzt wirklich und wieso kann man ein schwarzes Loch überhaupt sehen?
Wenn man genau sein will (was man sein sollte!), dann haben wir nicht nur kein schwarzes Loch gesehen sondern es nicht mal im eigentlichen Sinne “gesehen”. Wir haben ein Radiobild des Ereignishorizontes eines schwarzen Lochs beobachtet. Denn natürlich ist ein schwarzes Loch ja genau dadurch definiert, dass es eben kein Licht und auch sonst nichts entkommen lässt. Man kann es also per Definition nicht “sehen”. Aber dafür den Ereignishorizont: So bezeichnet man die Grenze, ab der die Anziehungskraft des schwarzen Lochs so groß wird, dass man schneller als das Licht sein müsste, um sich wieder zu entfernen. Jedes Objekt mit einer Masse hat so eine “Fluchtgeschwindigkeit”. Will man die Anziehungskraft der Erde dauerhaft verlassen, muss man sich schneller als mit 11 Kilometer pro Sekunde von ihr entfernen. Bei der Sonne, die 300.000 mal mehr Masse hat als die Erde sind es schon mehr als 600 Kilometer pro Sekunde. Und wenn die Fluchtgeschwindigkeit in der Nähe eines Objekts die Lichtgeschwindigkeit von 299.792,458 Kilometer pro Sekunde übersteigt, dann kann von dort nichts mehr weg. Genau diese Grenze ist der “Ereignishorizont” und das was dahinter liegt, nennen wir “schwarzes Loch”.
Wir sehen also immer nur quasi den “Schatten” eines schwarzen Lochs, also seinen Ereignishorizont. Und im Fall des aktuellen Bildes “sehen” wir ihn auch nicht im eigentlichen Sinn. Die Teleskope, die die Aufnahme gemacht haben, sind Radioteleskope. Sie registrieren Radiowellen, die für unser Auge nicht sichtbar sind. Diese Daten wurden entsprechend aufbereitet und in Form des Bildes dargestellt, das wir oben sehen. Die Farben sind deswegen natürlich auch komplett künstlich.
Und das, was diese Radiostrahlung erzeugt, ist auch nicht das schwarze Loch selbst beziehungsweise der Ereignishorizont. Der ist ja kein physisches Ding, sondern nur eine Grenze hinter der alles verschwindet. Die Radiowellen werden von dem Material abgestrahlt, dass sich in unmittelbarer Nähe des Ereignishorizontes befindet. Im Zentrum einer Galaxien findet man jede Menge Zeug; Sterne, die hier viel dichter beieinander stehen als in den galaktischen Außenbereichen in denen sich etwa unsere Sonne aufhält. Und natürlich interstellare Gaswolken. Das ganze Material bewegt sich dort um das schwarze Loch herum und kommt es dabei zu nahe, kann es hinter dem Ereignishorizont verschwinden. Das tut es nicht auf gerader Linie; es wirbelt auf spiralförmigen Bahnen um das Loch herum und schließlich hinein. Es bildet sich also eine Scheibe aus Material, die sogenannte “Akkretionsscheibe”. Dort bewegen sich Gas und Staub enorm schnell; dabei wird alles auch enorm stark aufgeheizt. Die Teilchen geben elektromagnetische Strahlung ab und das tun sie unter anderem im Radiobereich. Dieses “Radiolicht” können wir mit entsprechenden Teleskopen detektieren und daraus ein Bild erhalten wie das, das wir erhalten haben.
Bei M87 wird ein Teil der Materia auch in Form eines “Jets” wieder hinaus ins All geschleudert. Nicht das gesamte Material aus der Akkretionsscheibe fällt ins schwarze Loch; manche Teilchen können auch so schnell herum geschleudert werden, dass sie wie bei einer Steinschleuder wieder weg fliegen. Bei M87 hat sich so ein 5000 Lichtjahre langer “Strahl” aus Materie gebildet, der von der Umgebung des zentralen schwarzen Lochs ausgeht. Den kann man sehr gut oben im Bild der gesamten Galaxie sehen; nicht so gut aber im Bild des schwarzen Lochs – da passt die Frequenz der Radiowellen nicht so ganz um es vernünftig zu beobachten. Dazu kommt dass das Loch ja den Raum krümmt und auch das Licht, das sich dort bewegt. Das Licht des Jets wird mit dem Licht der Scheibe vermischt und man erkennt kaum noch was. Aber der helle Bereich den man erkennen kann, ist höchtwahrscheinlich der Ausgangspunkt des Jets.
Wieso hat es so lange gedauert bis man das Bild bekommen hat?
Ich habe das früher schon mal ausführlich erklärt. Es reicht nicht, einfach nur ein Teleskop in die richtige Richtung zu drehen und dann auf “Aufnahme” zu drücken. Das EHT ist kein einzelnes Gerät sondern ein weltweiter Zusammenschluss von Radioteleskopen die über die ganze Erde verteilt sind. Man braucht sie alle, damit man überhaupt eine Chance hat, etwas zu sehen. Es ist wie bei jeder anderen Kamera auch: Je besser die Auflösung, desto schärfer das Bild.
Das schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße hat zum Beispiel einen Durchmesser von nur 44 Millionen Kilometern. Das ist zwar ziemlich gewaltig, aber es ist eben auch 26.500 Lichtjahre weit weg. Damit wir es in so großer Entfernung überhaupt noch als einzelnes Objekt auflösen können, muss das Teleskop groß genug sein. Ein ausreichend großes Einzelteleskop ist in diesem Fall aber nicht zu bauen. Stattdessen benutzt man eine Technik, die man “Interferometrie” nennt. Dazu nimmt man etwa zwei Teleskope, die das gleiche Ding beobachten und steckt die elektromagnetischen Wellen die sie auffangen in einen Computer. Dort lässt man die Wellen “interferieren”, das heißt man legt sie übereinander. An bestimmten Stellen werden sich die Wellen auslöschen, an anderen werden sie sich verstärken. Man kriegt also nicht einfach nur einen unscharfen “Fleck” wie man ihn bei der Beobachtung mit nur einem Teleskop erhalten würde sondern ein komplexes Muster. Dieses Muster verändert sich je nach dem wie weit die beiden Teleskope voneinander entfernt sind. Und aus all diesen Mustern kann man das eigentliche Bild mathematisch am Computer rekonstruieren, nur dass das nun viel schärfer ist als man es mit nur einem Teleskop kriegen würde.
Das EHT besteht also aus mehreren Teleskopen die über fast alle Kontinente verteilt sind. Die ganzen Daten die sie gesammelt haben, müssen zusammengeführt und ausgewertet werden. Das dauert an sich schon ziemlich lange. Es braucht auch für die Radioastronomie halbwegs gutes Wetter und zwar gleichzeitig an allen Orten an denen beobachtet wird! In diesem Fall muss man außerdem berücksichtigen dass auch Teleskope in Grönland und am Südpol beteiligt waren. Und speziell bei letzteren Daten musste man erst mal abwarten, bis dort der 6 Monate dauernde Winter vorbei war, bevor man die Daten ausfliegen konnte (und man musste sie physisch transportieren; übers Internet sind solche Datenmengen nicht verschickbar). Und dann braucht man Unmengen an Supercomputern die all diese Daten verarbeiten können.
Bei der Pressekonferenz wurde das schön zusammengefasst: Die Wissenschaft erteilt der Politik hier gerade eine Lektion. Um dieses grandiose Bild zu machen, mussten Menschen aus der ganzen Welt zusammenarbeiten und die Ergebnisse wurden gleichzeitig auf der ganzen Welt an alle Menschen verkündet. Mit Nationalismus kommt man nicht weit. In der Wissenschaft nicht und auch sonst ist es nie der Weg in eine vernünftige Zukunft!
”
Science ist giving a lesson to politicians. Um das Bild zu machen, braucht es Menschen aus der ganzen Welt!
Sieht man da auch die Hawking-Strahlung?
Nein. Stephen Hawking hat zwar recht spektakulär erkannt, dass auch schwarze Löcher Strahlung produzieren und deswegen nicht völlig schwarz sind. Aber diese Hawking-Strahlung (über die ich hier mehr erzählt habe) ist so enorm schwach, dass sie mit keinem technischen Gerät das wir haben oder uns vorstellen können, gemessen werden kann.
Was haben wir nun eigentlich gelernt?
Vor allem einmal: Das es geht! Dass wir in der Lage sind, schwarze Löcher mit Teleskopen von der Erde aus direkt zu untersuchen! Und für die, die immer noch ein wenig gezweifelt haben, haben wir nun auch wirklich endgültig gezeigt, dass es schwarze Löcher wirklich gibt! Vor allem aber können wir nun die theoretischen Modelle direkt mit Beobachtungsdaten abgleichen! Und das ist wirklich wichtig – schwarze Löcher waren ja bis jetzt vor allem etwas, mit dem sich die Mathematik beschäftigt hat. Man konnte die entsprechenden Gleichung aus Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie analysieren und daraus Computermodelle entwickeln die das Verhalten schwarzer Löcher beschreiben. Man konnte indirekte Beobachtungsdaten nutzen – wie zum Beispiel die Bewegung von Sternen in der Nähe eines schwarzen Lochs – um auf seine Eigenschaften zu schließen. Aber jetzt haben wir erstmals direkte Beobachtungsdaten mit denen wir die Computermodelle und mathematischen Theorien abgleichen können!
Aus dem Bild kann man auch sehen, dass dort etwas rotieren muss. Vermutlich das schwarze Loch. Denn ansonsten wäre die Akkretionsscheibe unten nicht so viel heller als oben. Aber auch das wird man noch genauer analysieren müssen. Was bis jetzt schon analysiert und beobachtet wurde, kann man auch in sechs wissenschaftlichen Fachartikeln nachlesen, die ebenfalls heute veröffentlicht worden sind.
Wir können dann vielleicht auch endlich mal vernünftig verstehen, wie die supermassereichen schwarzen Löcher eigentlich entstehen. Das wissen wir nämlich noch nicht. Wir wissen, wie die “kleine” schwarzen Löcher mit einigen Sonnemassen entstehen; die bilden sich nach Kollaps großer Sterne wenn denen am Ende ihres Lebens der Brennstoff für die Kernfusion ausgeht. Aber Sterne die so groß sind, dass ein supermassereiches Loch entstehen kann, gibt es nicht! Die Daten des EHT werden hier hoffentlich weiter helfen.
Vor allem können wir aber auch schauen, wo sich Theorie und Beobachtung unterscheiden. Es wäre schön zu sehen, wenn sich ein schwarzes Loch so verhält, wie wir es bisher vorhergesagt haben. Noch schöner wäre es, könnten wir Unterschiede zwischen Theorie und Beobachtung finden. Denn schwarze Löcher stehen direkt an der Grenze zu dem, was wir noch nicht wissen: Es sind Objekte, die wir eigentlich nur mit einer “Quantentheorie der Gravitation” korrekt beschreiben können und seine Theorie haben wir noch nicht. Die verschiedenen Ansätze die existieren kommen nicht wirklich voran und mit echten Beobachtungsdaten können wir vielleicht klarer sehen, wie genau wir Quantenmechanik und Relativitätstheorie modifizieren müssen um endlich erfolgreich zu sein!
Ich will noch mehr wissen!
Ich auch. Und die Astronominnen und Astronomen werden auf jeden Fall weiter Daten sammeln. Ich bin sicher, dass wir in Zukunft jede Menge Bilder von schwarzen Löchern haben werden. Und dann werden wir auch mehr wissen als heute. Bis dahin hab ich hier noch eine Liste mit diversen Artikeln zum Thema.
Hier sind ein paar Texte zu diversen Eigenschaften schwarzer Löcher:
- Wie weit ist das der Erde am nächsten gelegene schwarze Loch entfernt?”>Schwarze Löcher sind keine Staubsauger!
- Wie weit ist das der Erde am nächsten gelegene schwarze Loch entfernt?”>Zehntausend Schwarze Löcher im Zentrum der Milchstraße
- Wie weit ist das der Erde am nächsten gelegene schwarze Loch entfernt?”>Wie man schwarze Löcher ein- und ausschaltet
- Wie weit ist das der Erde am nächsten gelegene schwarze Loch entfernt?”>Schwarze Löcher und die dunkle Materie
- Wie weit ist das der Erde am nächsten gelegene schwarze Loch entfernt?
- Schwarze Löcher und vierdimensionale Würfel: Die Wissenschaft von “Interstellar”
- Wie kommt die Gravitation aus dem schwarzen Loch heraus?
- Der Einfluss des Zentrums auf das Ganze: Quasare und die Evolution von Galaxien
- Was hat das schwarze Loch gefressen?
- Das schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße frisst Asteroiden!
- Ein schwarzes Loch schluckt einen Stern
Ganz besonders intensiv hat sich natürlich Stephen Hawking mit schwarzen Löchern beschäftigt. Was genau er da gemacht hat, könnt ihr in meiner Serie dazu nachlesen oder auch ausführlicher in meinem Buch zum Thema: “Hawking in der Nussschale: Der Kosmos des großen Physikers”*.
Wer lieber hört als liest, kann sich auch ein paar Folgen meines Sternengeschichten-Podcasts über schwarze Löcher anhören:
- Folge 40: Das böse schwarze Loch
- Folge 52: Was sind Quasare?
- Folge 223: Die Geschichte der Radioastronomie
- Folge 238: Die Hawking-Strahlung
- Folge 279: Exotische Sterne Teil 1 – Quark-Sterne und seltsame Sterne
- Folge 280: Exotische Sterne Teil 2 – Elektroschwache Sterne und Planck-Sterne
Und wem das immer noch nicht reicht: Hier sind alle Artikel über schwarze Löcher die ich in meinem Blog geschrieben habe…
Ansonsten hören wir uns zu dem Thema spätestens wieder, wenn die Physik-Nobelpreise des Jahres 2020 vergeben werden. Aber mit ziemlicher Sicherheit auch schon früher – denn jetzt wo das erste Bild eines schwarzen Lochs einmal da ist, werden wir auf weitere Erkenntnisse und Neuigkeiten nicht lange warten müssen!
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